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Die Fächerflügler (Strepsiptera) sind eine eigene Insektenordnung* – neben Käfern (Coleoptera), Hautflüglern (Hymenoptera), Schmetterlinge (Lepidoptera), Zweiflüglern (Diptera) etc. Mit den Käfern scheint eine Verwandtschaft zu bestehen. Als Endoparasiten entwickeln sich Fächerflügler in anderen Insekten, u. a. Bienen. Nach dem Grad der Entwicklung lassen sich zwei Gruppen (bzw. Unterordnungen) unterscheiden: Die ursprünglichen Arten verlassen vor der Geschlechtsreife ihre Wirte, die Weibchen der höherentwickelten und bekannteren Gruppe hingegen verbleiben in ihren Wirten. Von diesen Fächerflüglern gibt es zwei Familien: Die Hylecthridae parasitieren Bienen der Familie Colletidae (bzw. der Unterfamilie Colletinae), die Stylopidae verschiedene Hautflügler (Hymenoptera), darunter viele Bienenarten, etwa Sandbienen (Gattung Andrena). Ein starker Sexualdimorphismus ermöglicht eine besondere Art der Fortpflanzung:
Die Fortpflanzung der höherentwickelten Fächerflügler ist mehr als bemerkenswert – selbst manch nüchterner, vorurteilsfrei denkender Biologe kann sich eines Anflugs von Ekel kaum erwehren: Fächerflügler-Weibchen gebären Primärlarven (Triungulinoide), die auf Blüten gelangen und von dort zusammen mit dem Pollen in die Bienen-Nester, wo sie in die Larven (oder Imagines) ihrer Wirtsarten eindringen, sich häuten und zur endoparasitischen Sekundärlarve entwickeln. Diese ernährt sich von den Körperflüssigkeiten (Hämolymphe) des Wirts und häutet sich weiter.
Die weiblichen Larven bohren sich dann durch die Intersegmentalhäute zwischen dem 4. und 5. (seltener 3. und 4.) Tergiten fast zur Hälfte aus dem Hinterleib heraus, verpuppen sich, häuten sich weiter und erreichen schließlich die Geschlechtsreife. In dieser Position kann man die Tiere mit geübtem Auge als gelbbraune Ausstülpungen auf dem Hinterleib einer Biene erkennen und evtl. für eine Zecke halten. Man bezeichnet solche Wirte als stylopisiert.
Die männlichen Larven verpuppen sich, um schließlich aus der im Wirtskörper steckenden Puppenhülle (Puparium) zu schlüpfen und den Wirt unter einem auffällig aufgewölbten Tergiten als geflügelte Vollkerfe zu verlassen. Sie suchen keine Nahrung, sondern duftgesteuert sofort paarungsbereite Weibchen, um sich zu paaren und alsbald zu sterben.
Die Paarung wird durch einen Lockstoff ausgelöst, den das Weibchen nicht aus seinem im Wirt steckenden Hinterleib abgibt, sondern aus seinem Kopfbereich. Das Sexualpheromon der Art Stylops melittae konnte durch Biologen der Universitäten Bayreuth und Hohenheim bestimmt werden: ein Aldehyd mit der chemischen Bezeichnung "(3R,5R,9R)-3,5,9-Trimethyldodecanal" ( Quelle). Die flugfähigen Männchen der Umgebung nehmen den Stoff mittels ihrer empfindlichen Antennen wahr und fliegen die Abdomen ihrer Wirte (z. B. Bienen) an, um die zwischen den Tergiten hervorschauenden Weibchen zu begatten. Da nur der vordere Teil der Weibchen zugänglich ist, durchsticht das Männchen dort die Bauchseite des Weibchens mit seinem dolchartigen Begattungsorgan; die Spermien gelangen dennoch zu den frei im Hinterleib des Weibchens lagernden Eiern. Während der Paarung hängt das Männchen gut sichtbar am dem Hinterleib z. B. einer Biene; aufgrund ihrer kurzen Lebenszeit sind die Männchen allerdings nur selten in dieser Position zu beobachten, und freifliegend werden sie eher für Motten oder Fliegen gehalten. Hinzu kommt, daß es offenbar sehr viel weniger Stylops-Männchen als Weibchen gibt.
Die befruchteten Eier entwickeln sich zu winzigen Larven (Triungulinoiden, dem Triungulinus-ähnlichen ersten Larvenstadium), die schließlich zu Hunderten auf der Bauchseite des Weibchens "geboren" werden. Die sehr beweglichen Primärlarven gelangen von den Tergiten des Wirts auf die Blüten, die er besucht, und von dort auf weitere Blütenbesucher. Diese transportieren die Parasitenlarven unfreiwillig in ihre Nester, wo sich diese in die Larven der nächsten Wirte (überwiegend Weibchen) bohren und zu Sekundärlarven entwickeln: Der Kreislauf ist geschlossen.
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Fächerflügler Stylops melittae ![]() |
Stylops melittae ![]() ![]() |
Von einer oder mehreren Fächerflügler-Larven befallene Bienenlarven können sich durchaus zu erwachsenen Bienen entwickeln; sie können sich jedoch in der Regel nicht mehr fortpflanzen, sie tauchen oft früher als nicht befallene Artgenossen auf, und sie sehen anders aus: stylopisierte Weibchen ähneln Männchen und auch umgekehrt. Das frühere Erscheinen z. B. stylopisierter Andrena-vaga-Exemplare wird plausibel als Strategie der Fächerflügler (hier: Stylops melittae) interpretiert, ihren Larven (den Triungulinoiden) genug Entwicklungszeit bis zum Schlüpfen zu sichern, damit sie zusammen mit Blütenpollen rechtzeitig in Bienen-Nester gelangen können und dort in die Larven nestbauender Weibchen. Bei der Furchenbiene Halictus tumulorum wurde allerdings kein früheres Ausfliegen aufgrund einer Stylopisierung durch die Stylopidae-Art Halictoxenos tumulorum festgestellt. Stylopisierte Weibchen graben zwar ein Nest, legen aber keine Eier und sammeln keinen Pollen; da sie nicht lange leben, sehen einige Biologen die Strepsiptera als Parasitoide.
Nicht nur Bienen werden übrigens von Strepsiptera befallen: Der Fächerflügler Xenos vesparum parasitiert ("stylopisiert") Feldwespen: Polistes biglumis, P. dominulus, P. gallicus, P. nimpha.
* Die Klassifizierung der Strepsiptera als eigene Ordnung geht auf den berühmten englischen Entomologen William Kirby (* 19.09.1759 · † 04.07.1850) zurück. Als 1833 die Entomological Society of London (später: Royal Entomological Society) gegründet wurde, ernannte man William Kirby zum Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit und bildete einen männlichen Stylops melittae (damals noch Stylops kirbyi) im Emblem dieser Gesellschaft ab.
** 2020 veröffentlichten Smit et al. eine Untersuchung der Strepsiptera der Niederlande , die anhand von DNA-Barcodesequenzen statt bislang eine nun mindestens 13 Stylops-Arten in den Niederlanden (von 30 für Europa) postuliert. Der bei Andrena vaga schmarotzende Fächerflügler sei demnach nicht Stylops melittae Kirby 1802, sondern Stylops ater Reichert 1914. Die Gültigkeit des Art-Status beruhe vor allem auf der beim Barcoding festgestellten genetischen Distanz (Ø 12.1%) zwischen den Parasiten, teilweise aber auch auf deutlichen morphologischen Unterschieden zwischen dem ersten Larvenstadium der Arten. Aufgrund der dünnen Datenlage sind noch etliche Fragen zu Parasit-Wirt-Beziehungen klärungsbedürftig.
Fächerflügler | Wirte |
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Stylops analis Perkins 1918 | Andrena ventralis Imhoff 1832 |
Stylops andrenaphilus Luna de Carvalho 1974 | Andrena dorsata (Kirby 1802), falls eigene Art auch: Andrena propuinqua Schenk 1853 |
Stylops ater Reichert 1914 | Andrena vaga Panzer 1799, auch: Andrena nigroaenea (Kirby 1802) Andrena cineraria (Linnaeus 1758) |
Stylops aterrimus Newport 1851 | Andrena bimaculata (Kirby 1802) Andrena nigroaenea (Kirby 1802) Andrena scotica Perkins 1916 (Syn.: A. carantonica), auch: Andrena agilissima (Scopoli 1770) |
Stylops gwynanae Günther 1957 | Andrena bicolor Fabricius 1775 |
Stylops hammella Perkins 1918 | Andrena chrysosceles (Kirby 1802), auch: Andrena nitidiuscula Schenck 1853 |
Stylops melittae Kirby 1802 | Andrena flavipes Panzer 1799 Andrena gravida Imhoff 1832 Andrena nigroaenea (Kirby 1802) Andrena nitida (Müller 1776), auch: Andrena thoracica (Fabricius 1775) |
Stylops nassonowi Pierce 1909 | Andrena scotica Perkins 1916 (Syn.: A. carantonica) Andrena tibialis (Kirby 1802) Andrena trimmerana (Kirby 1802) |
Stylops nevinsoni Perkins 1918 | Andrena fulva (Müller 1766) Andrena synadelpha Perkins 1914, evtl. auch: Andrena lapponica Zetterstedt 1838 Andrena mitis Schmiedeknecht 1883 |
Stylops cf. packardi Pierce 1909 | Andrena barbilabris (Kirby 1802) |
Stylops praecocis Luna de Carvalho 1974 | Andrena praecox (Scopoli 1763), evtl. auch: Andrena apicata Smith 1847 Andrena clarkella (Kirby 1802) Andrena fucata Smith 1847 Andrena helvola (Linnaeus 1758) Andrena lapponica Zetterstedt 1838 Andrena mitis Schmiedeknecht 1883 Andrena nycthemera Imhoff 1866 Andrena varians (Kirby 1802) |
Stylops spreta Perkins 1918 | Andrena minutula (Kirby 1802) Andrena subopaca Nylander 1848, auch: Andrena alfkenella Perkins 1914 Andrena falsifica Perkins 1915 Andrena minutuloides Perkins 1914 Andrena niveata Friese 1887 Andrena proxima Kirby 1802 Andrena saundersella Perkins 1914 Andrena strohmella Stoeckhert 1928 |
Stylops thwaitesi Perkins 1918 | Andrena wilkella (Kirby 1802), auch: Andrena intermedia Thomson 1870 Andrena lathyri Alfken 1899 Andrena ovatula (Kirby 1802) Andrena similis Smith 1849 |
In den Niederlanden erwartet: | |
Stylops dalii Curtis 1828 | Andrena labialis (Kirby 1802) |
Stylops maxillaris Pasteels 1949 | Andrena humilis Imhoff 1832 |
Stylops obsoletus Luna de Carvalho 1974 | Andrena distinguenda Schenck 1871 |
Die Studie verzeichnet innerhalb der Stylopidae neben Stylops eine weitere Gattung mit zwei Arten: Halictoxenos spencei Nassonov 1893 und Halictoxenos tumulorum Perkins 1918, die beide Furchenbienen (Lasioglossum & Halictus) parasitieren, außerdem neben den Stylopidae drei weitere Strepsiptera-Familien: die Elenchidae mit Elenchus tenuicornis (Kirby 1815), die Halictophagidae mit Halictophagus silwoodensis Waloff 1981 sowie die Xenidae mit fünf Arten in zwei Gattungen: Pseudoxenos andradei Luna de Carvalho 1953, Pseudoxenos klugi (Saunders 1852), Pseudoxenos schaumi Saunders 1872, Pseudoxenos cf. schaumi Saunders 1872 sowie Xenos vesparum Rossius 1793.
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Fächerflügler Stylops melittae ![]() ![]() |
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Fächerflügler Stylops melittae ![]() |
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· Solingen, NSG Ohligser Heide, 10.03.2018 | |
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· Solingen, NSG Ohligser Heide, 10.03.2018 |
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NSG Ohligser Heide, 10.03.2018 |
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· Solingen, NSG Ohligser Heide, 10.03.2018 |
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