Mauerbienen mauern überall: Osmia bicornis |
Der Name sagt es eigentlich doppelt: Mauerbienen "mauern" ihre Nistzellen, und sie nisten unter anderem in Mauern. Rauhe und teils helle, teils dunkle Nestverschlüsse aus Lehm oder (zerkauten) Blattstücken verweisen meist auf Solitärbienen der Gattung Osmia, die Honigbienen auf den ersten Blick in Größe und Färbung ähneln können. Deutlich kleiner als die Nutzbienen des Imkers sind nur die Scherenbienen (Untergattung Chelostoma) und die Löcherbienen ( Heriades), die manche Entomologen ebenfalls zur Gattung Osmia rechnen. Die beiden häufigsten Mauerbienen, Osmia bicornis und O. cornuta, sind unter Naturfreunden meist zugleich die bekanntesten und auch beliebtesten Bienenarten, da sie die Nähe des Menschen nicht scheuen (also synanthrop sind) und sich mit Nisthilfen leicht in den eigenen Garten oder auf den Balkon locken lassen, wo man ihre interessante Nistweise bequem beobachten kann:
Anders als Honigbienen bauen die Weibchen fast aller Mauerbienen-Arten jeweils ein eigenes Nest unabhängig von Artgenossen und an artspezifischen Orten: Die meisten Osmia-Arten (auch die beiden synanthropen in unseren Gärten) nutzen vorhandene Hohlräume in Totholz, Mauern etc., andere bauen in verlassenen Schneckenhäusern oder beißen sich in markhaltige Stengel, einige graben sich in sandigen Boden oder errichten gar "Freinester" an Steinen . Nur Osmia inermis ist kommunal, und bei Osmia mustelina sind immerhin Ansätze von Sozialverhalten zu beobachten.
Mauerbienen versorgen ihre Larven mit Pollen, denen etwas Nektar beigemischt sein kann. Ist die erforderliche Menge eingetragen, legt das Weibchen ein Ei an den Pollenvorrat und verschließt dann die Zelle. Dieser Zellverschluß ist in einem Liniennest (einem Käferfraßgang oder Bohrloch) zugleich die Rückwand der nächsten Zelle hinter einem Nestverschluß verbergen sich also in der Regel mehrere Zellen. (Nur Osmia brevicornis füllt ihre Niströhren durchgehend mit Pollen, ihre Larven wachsen also gemeinsam auf.) Ein Weibchen benötigt für Verproviantierung und Verschluß einer Zelle in der Regel einen Tag, es legt also jeden Tag ein Ei, und die letzten Eier sind jeweils unbefruchtet, so daß sich aus ihnen Drohnen entwickeln. Wenn die Biene kurz vor dem Eingang des Nistgangs angekommen ist, mauert sie den von außen sichtbaren Nestverschluß; der dahinter liegende Hohlraum bleibt leer. Diese Leerzelle zwischen dem Nestverschluß und der zuletzt gebauten Brutzelle soll vermutlich Parasiten und Beutegreifer frustrieren.
Eine Larve häutet sich nach dem Schlüpfen mehrmals und frißt einige Wochen lang von dem Nahrungsvorrat, bevor sie sich in einen Kokon einspinnt und verpuppt. Am Ende der Metamorphose schlüpft aus der Puppe die flugfähige Biene (Imago). Diese Vorgänge werden durch die Winterpause in unterschiedlichen Stadien unterbrochen: Manche Arten überwintern schon als Larven, andere als fertige Insekten (Imagines), die dann sehr früh im Jahr, nämlich schon im März schlüpfen können: In den noch tiefen Temperaturen des Frühjahrs könnte sich die Metamorphose nicht vollenden.
Da die unbefruchteten Eier in einem Nistgang zuletzt gelegt wurden, können sich die Männchen im Frühjahr vor den Weibchen den Weg ins Freie nagen. Nach der winterlichen Diapause erscheinen also in der Regel zuerst die Männchen (man nennt das Proterandrie) und warten an den Nesteingängen ungeduldig auf die Weibchen, die erst 12 Wochen später auftauchen. Die meisten Arten bringen es auf nur eine Generation im Jahr (sind also univoltin). Ihre Flugzeiten sind recht unterschiedlich:
März | April | Mai | Juni | Juli | August |
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O. cornuta O. pilicornis O. bicolor |
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O. bicornis | |||||
O. xanthomelana | |||||
O. leucomelana O. spinulosa O. claviventris |
Osmia cornuta, Liniennest: 1 Leerzelle und 5 Brutzellen jeweils mit Pollen & Ei · Solingen, 30.04.2013 |
Osmia cornuta an Eichenholzblock ... | ... und aufgebohrten Buchenrundhölzern · Solingen, 1.4.2007 |
Anders als bei Sandbienen ( Andrena) kommt es bei Mauerbienen selten zu größeren Aggregationen: Man muß schon sehr viele Nistblöcke an einer Stelle aufstellen, um eine mit Sandbienen vergleichbare Individuendichte zu erreichen. Die Anpassung an die verschiedenen bestimmte Biotope bzw. Habitate ist unterschiedlich ausgeprägt: Manche (nämlich stenotype) Arten haben sich auf bestimmte Lebensräume spezialisiert, während andere (und zwar eurytope) Arten sich als "Biotop-Generalisten" in allen möglichen, auch menschengeprägten Lebensräumen wie Dörfern und Städten wohlfühlen. Zu letzteren gehören vor allem Osmia cornuta und Osmia bicornis.
Osmia (Hoplitis) adunca · Solingen, 18.6.2020 | O. bicolor auf Schneckenhaus, 09.04.2016 (nix) |
Osmia-Nester ... | ||||
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in vorhandenen Hohlräumen |
in leeren Schneckenhäusern |
in markhaltigen Stengeln gegraben |
in sandigem Boden gegraben |
an Steine (in Spalten) gebaut |
O. adunca O. bicornis / rufa O. brevicornis O. caerulescens O. cornuta O. fulviventris O. gallarum O. leaiana O. mitis |
O. andrenoides O. aurulenta O. bicolor O. rufohirta O. spinulosa O. versicolor (s. nächste Tabelle!) |
O. acuticornis O. claviventris O. leucomelana O. tridentata |
O. maritima O. papaveris |
O. anthocopoides O. lepeletieri O. loti O. ravouxi (O. dalmatica) (O. mitis) (O. mustelina) |
Von Osmia bevorzugte Gehäuseschnecken-Arten | ||||||
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Osmia-Arten | Arianta (Schnirkel~) |
Cepaea (Bänder~) |
Helix (Weinberg~) |
Fruticicola (Strauch~) |
Helicella (Heide~) |
Zebrina (Märzen~) |
O. andrenoides | itala? | detrita? | ||||
O. aurulenta | arbustorum | hortensis vindobonensis | bevorzugt: pomatia | obvia | ||
O. bicolor | arbustorum | hortensis nemoralis vindobonensis | pomatia | fruticum | ||
O. rufohirta | itala, obvia | |||||
O. spinulosa | ? | nemoralis | ? | itala, obvia | detrita? | |
O. versicolor | ? | ? | ? | ? | ? |
Die ersten drei Gattungen gehören zu den Schnirkelschnecken (Helicidae), die nächsten zu den Strauchschnecken (Bradybaenidae), Laubschnecken (Hygromiidae) und Vielfraßschnecken (Enidae).
Baumaterial von Osmia-Arten | |||
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mineralisch: Sand, Lehm, Steinchen |
Pflanzenmörtel: zerkaute Blattstücke |
abgebissene Stücke von Laubblättern |
ausgebissene Stücke von Blütenblättern |
O. adunca O. anthocopoides O. bicornis / rufa O. cornuta O. lepeletieri O. loti O. ravouxi |
O. brevicornis O. caerulescens O. fulviventris O. gallarum O. leaiana O. leucomelana O. mustelina O. parietina O. pilicornis O. tridentata |
O. mitis | O. papaveris O. villosa O. mustelina (im inneren der Zelle: Blütenblätter; außen: Pflanzenmörtel) |
Die folgende Tabelle sortiert die Osmia-Arten nach Untergattungen. Um nach einer Gattung auch eine Untergattung zu nennen, wird diese mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben und eingeklammert; Beispiel: Osmia (Hoplitis) adunca. Wenn der Name der Untergattung den Gattungsnamen wiederholt, ist er sensu stricto (s. str. = 'im engeren Sinne') zu verstehen; Beispiel: Osmia (Osmia) cornuta.
Gattung Osmia
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Gattung Osmia mit den Untergattungen Chelostoma + Hoplitis |
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Einige Taxonomen teilen die Gattung Osmia in mehrere Gattungen auf, etliche Arten (Osmia adunca etc.) finden sich daher in der Gattung Hoplitis wieder. Dieses Taxon hat sich jedoch 2014 in einer Analyse artspezifischer DNA-Sequenzen als polyphyletisch herausgestellt (siehe rechts), ist also als eigenständige Gattung nicht haltbar. Andererseits untersucht DNA- Barcoding nur einen kleinen Bereich des Genoms, die Ergebnisse sind folglich nicht absolut zuverlässig. Quelle: Schmidt, Stefan et al.: "DNA barcoding largely supports 250 years of classical taxonomy: identifications for Central European bees (Hymenoptera, Apoidea partim)", Appendix S6 in: MOLECULAR ECOLOGY RESOURCES, 2015. |
Osmia Panzer 1806 nach Schwarz et al. (1996), Müller (1997), Westrich & Dathe (1997 & 1998) etc. | ||
O. acuticornis Dufour & Perris 1840 O. adunca (Panzer 1798) O. alticola Benoist 1922 O. anceyi Pérez 1879 O. andrenoides Spinola 1808 O. anthocopoides Schenck 1853 O. aurulenta (Panzer 1799) O. bicolor (Schrank 1781) O. bicornis* (Linnaeus 1758) O. bidentata Morawitz 1876 O. brevicornis (Fabricius 1798) O. caerulescens (Linnaeus 1758) O. (C.) campanularum (Kirby 1802) O. (C.) cantabrica* (Benoist 1935) O. cerinthidis Morawitz 1876 O. claviventris Thomson 1872 O. cornuta (Latreille 1805) O. (H.) crenulata (Nylander 1856) O. dalmatica Morawitz 1871 O. (C.) florisomnis (Linnaeus 1758) O. (C.) foveolata (Morawitz 1868) O. gallarum Spinola 1808 |
O. inermis (Zetterstedt 1838) O. labialis Pérez 1879 O. laevifrons Morawitz 1872 O. latreillei (Spinola 1806) O. leaiana (Kirby 1802) O. lepeletieri Pérez 1879 O. leucomelana (Kirby 1802) O. ligurica Morawitz 1868 O. loti Morawitz 1867 O. manicata Morice 1901 O. maritima Friese 1885 O. melanogaster Spinola 1808 O. minutula Pérez 1896 O. mitis Nylander 1852 O. mocsaryi Friese 1895 O. mucida (Dours) 1873 O. mustelina Gerstaecker 1869 O. nigriventris (Zetterstedt 1838) O. niveata* (Fabricius 1804) O. papaveris (Latreille 1799) O. parietina Curtis 1828 O. pilicornis Smith 1846 |
O. praestans Morawitz 1893 O. (C.) rapunculi* (Lepeletier 1841) O. ravouxi Pérez 1902 O. robusta (Nylander 1848) O. (H.) rubicola Pérez 1890 O. rufohirta Latreille 1811 O. scutellaris Morawitz 1868 O. spinulosa (Kirby 1802) O. submicans Morawitz 1870 O. tenuispina Alfken 1937 O. tergestensis Ducke 1897 O. tridentata Dufour & Perris 1840 O. (H.) truncorum (Linnaus 1758) O. tuberculata Nylander 1848 O. uncinata Gerstäcker 1869 O. versicolor Latreille 1811 O. villosa (Schenck 1853) O. viridana Morawitz 1874) O. xanthomelana (Kirby 1802) 63 Arten (pro Spalte bis 22) 5 Chlostoma-, 3 Heriades-Arten |
Manche Autoren stellen auch die Löcherbienen (Heriades) und Scherenbienen (Chelostoma) in die Gattung Osmia. Ihre Arten sind dann durch O. (H.) bzw. O. (C.) gekennzeichnet. Insgesamt: 46 Arten. | ||
*Synonyma: nach Müller et al. (1997), Westrich (1990) sowie Westrich & Dathe (1997 & 1998): | ||
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