Wildbienen-Fortpflanzung: Nisthilfen?
Bevor möglicher künstlicher Ersatz für natürliche Neststrukturen auf den Folgeseiten im einzelnen vorgestellt wird, soll pro & contra ihr Nutzen für die Wildbienen diskutiert werden: Läßt sich das Wildbienen-Sterben – also der Rückgang lokaler Populationen und das Aussterben von immer mehr Arten – wirklich durch die Nisthilfen ("Bienenhotels", "Bienenstände") verhindern, die seit Jahrzehnten gebastelt und in Gärten und auf Balkons aufgehängt bzw. aufgestellt und mittlerweile auch in Gartencentern und Supermärkten angeboten werden? Einige Aspekte begründen Zweifel am Sinn von Nisthilfen, die typischerweise aus Totholz und Stengeln gefertigt werden:
- Die meisten der erwähnten käuflichen oder gebastelten "Bienenhotels" sind mit ihren Weichholzscheiben, Holzspänen und Tannenzapfen als Nisthilfen völlig ungeeignet
.
- Kindern – und auch Erwachsenen – ermöglichen Nisthilfen zwar durchaus lehrreiche und faszinierende Beobachtungen, das Interesse hält aber oft nicht lange an: Wenn im Herbst der Garten winterfest gemacht und allerlei Gesträuch entsorgt wird, landen immer wieder auch (unansehnlich gewordene) Nisthilfen im Abfall-Container – ihren pädagogischen Zweck haben sie schließlich erfüllt, und die oft verwendete irreführende Bezeichnung "Bienenhotel" legt leider eine nur zeitweilige Unterbringung während der warmen Monate nahe ... Egal, ob Nisthilfen aus Unkenntnis "entsorgt" oder gründlich "gesäubert" werden, damit sie wieder schön aussehen: Für den Bienennachwuchs in den Nestgängen bedeutet das regelmäßig den Tod.
- Richtig konstruierte, wetterfeste Nisthilfen, welche die Bedürfnisse Totholz-bewohnender Bienenarten perfekt berücksichtigen, werden oft von vielen Hundert Solitärbienen besiedelt, in der Regel Mauerbienen. In der Regel sind diese aber noch häufig und daher nicht gefährdet bzw. kaum schutzbedürftig. Seltene und vom Aussterben bedrohte Arten hingegen benötigen meist andere Neststrukturen (s. u.). Das Thema ist somit das gleiche wie im Vogelschutz: Nistkästen in unseren Gärten werden ganz überwiegend von Blau- und Kohlmeisen und wenigen weiteren Vogelarten genutzt, die vielen Boden- und Strauchbrüter hingegen profitieren nicht und finden in "gepflegten" Gärten kaum Deckung.
- Fast drei Viertel der nestbauenden Bienenarten – unter ihnen viele seltene und gefährdete – nisten im Boden, sie benötigen folglich artspezifisch unterschiedliche Bodenstellen: Steilhänge, Sandflächen, Magerrasen, Ruderalstellen etc. Dennoch sind künstliche Nisthilfen für Totholz-Besiedler (Nistblöcke und Stengel-Nisthilfen) in Privatgärten meist der einzige Beitrag zum Bienenschutz, und Kommunen, Botanische und Zoologische Gärten, Naturschutz- und andere Vereine stellen sogar große, repräsentative und somit werbewirksame Wildbienenstände bzw. Bienenhäuser auf, nutzen aber ihre Flächen nur in seltenen Fällen für bodennistende Insekten. Spricht man sie auf dieses Versäumnis an, hört man Ausflüchte wie "Man muß ja mit irgendetwas anfangen!" In der Regel bleibt es dann bei Bienenständen, die nebst Infotafel nur zwei, drei Quadratmeter in Anspruch nehmen, während geeignete, große Nistflächen meist unspektakulär und kaum als Beitrag zum Bienschutz erkennbar sind. Eine Ausnahme stellt ein
Wildbienen-Lehrpfad bzw.
-Lehrgarten dar.
- Selbst in Struktur- und Blüten-reichen Habitaten (z. B. Naturschutzgebieten) würden Nisthilfen schnell auch von seltenen und gefährdeten Bienen und anderen Insekten besiedelt werden; vermutlich würden viele Insektenweibchen eine perfekt konstruierte Nisthilfe (etwa jene von Fockenberg) sogar gegenüber natürlichen Nistmöglichkeiten bevorzugen: Künstliche Strukturen können dem Nestschema einer Insektenart optimal entsprechen und auf kleinem Raum sogar mehrere hundert perfekte Nestgänge anbieten. Dies ist aber kein Beweis für erfolgreichen Artenschutz durch künstliche Nisthilfen: Die Nestschemata der Insekten sind weit genug, auch suboptimale natürliche Neststrukturen abzudecken; Wildbienen finden also in der unberührten Natur in der Regel für sie geeignete Neststrukturen und sind nicht grundsätzlich auf Nisthilfen angewiesen.
Grundsätzlich sind Bienen und andere Insekten (und auch andere Tiergruppen) offenbar nicht auf menschengemachte Nisthilfen angewiesen. Dennoch gibt es gute Gründe für ihren Einsatz:
- Man ist ja keineswegs gezwungen, gedankenlos ein schlechtes "Bienenhotel" zu kaufen im naiven Glauben, der Händler werde schon ein gutes, bienengerechtes Produkt anbieten. Jeder kann – und sollte – sich ja über die Nestansprüche der Wildbienen informieren und geeignete Nisthilfen erwerben oder basteln und einsetzen.
- Wer Nisthilfen für Beobachtungs- und Lernzwecke einsetzt, kann – und sollte – mit den Totholz-Nistblöcken, Stengel-Nisthilfen etc. verantwortungsbewußt umgehen, auch über den pädagogischen Zweck hinaus: Im Herbst und Winter müssen sie regengeschützt, aber auf jeden Fall draußen aufbewahrt werden oder einfach dort bleiben, wo sie besiedelt wurden.
- Die Unterstützung der Totholz- bzw. Hohlraum-Besiedler bedeutet nicht, jene fast 75 % der nestbauenden Bienenarten zu ignorieren, die im Boden nisten! Zur Verantwortung für unsere Bienenfauna gehört selbstverständlich auch, die Totholz-Nistblöcke, Nistziegel etc. zu ergänzen durch einen – in den Augen der Nachbarn vielleicht wenig dekorativen, aber für den Artenschutz unentbehrlichen – bienengerechten Naturgarten mit geeigneten Nistflächen und Futterpflanzen. Kommunen und ebenso alle anderen öffentlichen wie privaten Organisationen sind aufgefordert, ihren Grundbesitz insektenfreundlich zu bepflanzen und zu pflegen – und damit ist natürlich nicht die Ansiedlung von Honigbienenvölkern gemeint.
- Heutige Landschaften und nicht zuletzt Gärten und Parks haben in der Regel nicht das Potential früherer, unberührter Biotope. Nisthilfen in Form von Totholz-Nistblöcken, Nistziegeln, Behältern mit hohlen Stengeln etc. können also in unseren Gärten wenigstens die oberirdischen Neststrukturen ersetzen, die dort verlorengingen, und so einen Beitrag dazu leisten, im Siedlungsraum zumindest die im Totholz nistenden Insektenarten zu erhalten.
- Die Attraktivität einer optimalen Nisthilfe vor allem für Totholznister ermöglicht es Entomologen, in einem Biotop die Präsenz und Häufigkeit vieler Hohlraum-Besiedler festzustellen. Unter diesen sind je nach Standort auch seltene, gefährdete Arten zu finden:
Mögliche Besiedler von Nisthilfen:
Das an Nisthilfen zu erwartende Artenspektrum kann einerseits regional unterschiedlich sein und andererseits nur mit hohem Zeitaufwand, guter Artenkenntnis und auch der Hilfe von Kollegen ermitteln werden. Einen Glücksfall stellen deshalb die Untersuchungen von Volker Fockenberg an einem Nistziegel dar, den er seit vielen Jahren selbst
produziert und den der Autor dieser Website für die aktuell beste käufliche Nisthilfe hält. Die Arten sind nachfolgend nach ihrem jahreszeitlichen Auftreten geordnet; das F in den Klammern verweist auf den Forscher und Hersteller der Nistziegel ('Fockenberg'), das K auf Mitteilungen und Fotos seiner Kunden und das W auf weitere Sichtungen an Nisthölzern oder -ziegeln durch weitere Insektenfreunde. Einige Bienenarten sind in der Vorwarnliste der Roten Liste aufgeführt, Osmia leaiana gar in Kategorie 3:
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Nach Überzeugung des Autors die zur Zeit beste käufliche Nisthilfe für die meisten Totholz-Nister: der Nistziegel von Fockenberg (aufgrund großer Nachfrage leider nicht ganzjährig erhältlich) |
Bienen
- Osmia cornuta – "Gehörnte Mauerbiene" (F)
- Osmia bicornis – "Rostrote Mauerbiene" (F)
- Osmia caerulescens – "Stahlblaue Mauerbiene" (F)
- Chelostoma florisomne – "Hahnenfuß-Scherenbiene" (F)
- Chelostoma rapunculi – "(Große) Glockenblumen-Scherenbiene" (F)
- Osmia brevicornis – "Schöterich-Mauerbiene" (K)
- Hylaeus communis – "Gewöhnliche Maskenbiene" (F)
- Osmia campanularum – "Kleine Glockenblumen-Scherenbiene" (K)
- Osmia adunca – "Natternkopf-Mauerbiene" (K)
- Osmia leaiana – "Distel-Mauerbiene" (F)
- Megachile centuncularis – "Rosen-Blattschneiderbiene" (K)
- Megachile versicolor – "Verschiedenfarbige Blattschneiderbiene" (K)
- Heriades tuncorum – "Gewöhnliche Löcherbiene" (F)
- Megachile rotundata – "Luzerne-Blattschneiderbiene" (F)
- Colletes daviesanus – "Buckel-Seidenbiene" (F)
Einsiedlerwespen
- Ancistrocerus gazella – eine Lehmwespe (F)
- Anicstrocerus nigricornis – eine Lehmwespe (K)
- Lestica clypeata – "Holz-Grabwespe" (W)
- Euodynerus quadrifasciatus – eine Lehmwespe (K)
- Symmorphus bifasciatus – eine Lehmwespe (F)
- Symmorphus gracilis – eine Lehmwespe (K)
- Passaloecus corniger – eine Blattlaus-Grabwespe (K)
- Passaloecus eremita – eine Blattlaus-Grabwespe (F)
- Passaloecus gracilis – eine Blattlaus-Grabwespe (K)
- Pemphredon lethifer – eine Grabwespe (K)
- Trypoxylon spec. – eine Spinnen-Grabwespe (F)
- Auplopus carbonarius – "Tönnchenwegwespe" (F)
Kuckucke/Parasiten
- Stelis breviuscula – "Gewöhnliche Düsterbiene" (F)
- Chrysis ignita – "Feuer-Goldwespe" (F)
- Trichrysis cyanea – "Blaue Goldwespe" (F)
- Sapyga clavicornis – "Scherenbienen-Keulenwespe" (F)
- Sapygina decemguttata – "Löcherbienen-Keulenwespe" (F)
- Gasteruption assectator – eine Gichtwespe (F)
- Gasteruption jaculator – eine Gichtwespe (F)
- Monodontomerus obsoletus – eine Erzwespe (F)
- Ephialtes manifestator – eine Schlupfwespe (F)
- Stenarella domator – eine Schlupfwespe (F)
- Coelioxys echinata – "Stachel-Kegelbiene" (F)
Diese Artenliste läßt sich durch geduldige Beobachtungen sicherlich noch erweitern, weitere Funde sind insbesondere unter den Grabwespen und Kuckucken zu erwarten: Die aufgeführten Insekten bestätigen eindrucksvoll den Nutzen einer guten Nisthilfe als Ersatz für viele verlorengegangene Totholzstrukturen. Da sich allerdings die allermeisten natürlichen Neststrukturen im Boden, einige sogar in Schneckenhäusern, Gallen etc. befinden, lassen sie sich durch solche Nisthilfen nicht ersetzen, sie sind folglich zu ergänzen vor allem durch vegetationsarme Niststellen (waagerechte Flächen, Hänge und Steilwände) für Bodennister sowie heimische Blütenpflanzen vor allem für Pollenspezialisten. Außerhalb des eigenen Gartens ist der Schutz der Wildbienen-Niststätten eher noch wichtiger: Etliche gefährdete Rote-Liste-Bienenarten sind nur noch in wenigen seltenen Habitattypen (u. a. Naturschutzgebieten) zu finden. Retten ließen sich unsere Wildbienen also nur, wenn die Nisthilfen im eigenen Garten nur der gute Anfang sind ...
Mögliche Typen von Nisthilfen:
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