Fast drei Viertel aller nestbauenden Wildbienenarten in Deutschland nisten im Erdboden. Hier liegt also das größte Potential für den Bienenschutz. Die Ansprüche erdnistender Bienen decken sich jedoch nicht mit der vorherrschenden menschlichen Ästhetik: Es sind gerade die "unansehnlichen" vegetationsarmen und freien Bodenstellen, die von erdbewohnenden Bienen als Nistplätze genutzt werden: ungepflegte Fußballplätze, Trampelpfade, Ruderalstellen, "verwilderte" Gärten etc. Gerade Nistplätze im Garten lassen sich leicht erhalten, wenn man sein ästhetisches Empfinden nicht nach dem Gusto "ordnungsliebender" Nachbarn ausrichtet, sondern nach den Bedürfnissen der Natur. Da man nicht neu zu schaffen braucht, was man nicht zerstört, erhalten wir geeignete Nistmöglichkeiten schon dadurch, daß wir nicht alle Gartenbereiche umgraben, mit Mutterboden und Dünger "verbessern" und bepflanzen.
Das Bodenrelief in der Natur ist häufig nicht gerade, sondern sehr uneinheitlich bzw. uneben: Es gibt horizontale ebenso wie schräge und vertikale Flächen; so entsteht auf engem Raume eine Struktur, ein Mosaik unterschiedlicher Kleinstlebensräume, die unterschiedlichen Pflanzen und Lebewesen gerecht werden. Diese topographische (und in der Konsequenz auch biologische) Vielfalt widerspricht jedoch dem traditionellen menschlichen Ordnungssinn – Gärten entstehen meist nach einem bekannten Muster:
Vor diesem Hintergrund kann der oft geäußerte Traum vom "Häuschen in der Natur" nicht wirklich ernstgemeint sein: "wilde" Natur ja, aber bitteschön jenseits des Gartenzauns. Ein sattgrüner Rasen, ein buntes Blumenmeer, gefällig angeordnete Sträucher, ein dekorativer Kieselweg, eine bequeme Sitzgruppe etc. imitieren vielleicht eine Gartenausstellung oder eine blütenreiche Alm, sie sind aber nicht Teil der heimischen Natur. Etliche der fremdländischen Pflanzen in unseren Gärten (vor allem solche Arten, deren Gattungen auch in Mitteleuropa vorkommen) werden zwar von unseren Bienen erfolgreich besammelt, Nistplätze finden sie jedoch in solchen Gärten kaum noch, weder im Boden noch in abgestorbenen Stengeln, Ranken oder Gehölzen. Dennoch gibt es meist immer noch Möglichkeiten, etwas für unsere Wildbienen tun, und manch gute Tat besteht schon darin, daß man nichts gegen Wildbienen tut:
Planierte Bodenflächen, wie sie in privaten Gärten und öffentlichen Parks zum normalen Bild gehören, sind grundsätzlich kaum als bienenfreundlich zu bezeichnen; sie haben dennoch Potential für Nistplatz-suchende Wildbienen – vor allem, wenn sie etwas "vernachlässigt" sind:
Für einen solchen von Sandbienen-Nistgängen durchlöcherten Magerrasen wird sich kein Natur- und Bienenfreund schämen – ganz im Gegenteil! | Im mit Kiesel bestreuten Rohboden (Lehm) unter diesem Balkon nisten Pelzbienen ebenso gerne wie in der vierstöckigen Rasterstein-Nistwand rechts. |
Nun sind solche wie manche sagen würden "Schmutzecken" nicht jedermanns Sache: Viele Menschen sind anders geprägt oder fürchten den mißbilligenden Blick oder Kommentar des Nachbarn. Doch lassen sich geeignete und sogar hübsche Nistsubstrate für Bienen ersatzweise auch bauen:
Sandbeete sollten als Sandhochbeet oder/und mit Drainage hergestellt werden – und vor allem: seeehr groß! |
Dach-"Begrünung" kann auch so bunt und riesig sein wie auf dieser Tiefgarage in Düsseldorf. |
Wer ein Hanggrundstück besitzt, neigt dazu, es zu terrassieren: man will schließlich auf horizontalen, nicht schrägen Flächen stehen. Terrassen müssen aber nicht die maximal mögliche Breite aufweisen und durch hohe Betonmauern abgestützt werden, die irgendwann dem Druck des Erdreiches nachgeben; ein Hanggrundstück mit schmaleren Terrassen und nur mäßig geneigten Hängen sind ein tragfähiger Kompromiß zwischen Nutzungsansprüchen und der Natur, nicht zuletzt unseren Wildbienen: Viele Arten (z. B. auch Hummeln) bauen ihre Nester gerne in südexponierten Hängen, denn diese sind warm, der Boden ist nur mäßig feucht, weil das Oberflächenwasser schnell abfließt und keine Gelegenheit bekommt, ins Erdreich einzudringen, und die Pflanzendecke ist oft lückig. Damit ein Hanggrundstück nicht zuwächst, darf man es nicht mit Mutterboden "verbessern" oder düngen und nur spärlich und nur mit Wildpflanzen besetzen. Stengel und Ranken, in denen Solitärbienen nisten können, sollte man nicht abschneiden; falls eine Mahd nach der Blüte nötig erscheint, sollte man sich mit der Sense vertraut machen.
Auch wer ein ebenes Grundstück besitzt, kann einen Nisthang schaffen, indem er einen Hügel aufschichtet. Verwenden sollte man dafür Erdaushub aus der Gegend, da dieser am ehesten dem Nistsubstrat lokaler Populationen erdbewohnender Bienen entspricht. Falls allerdings ein hoher Lehmgehalt ausgerechnet des eigenen Grundstücks die Hügelerde zu stark verdichtet und so das Graben und die Diffusion von Sauerstoff und Feuchtigkeit behindert, läßt sich die Eignung des Hügels durch Streckung des Erdreichs mit Sand dennoch verbessern. Noch entscheidender für die Besiedlung sind allerdings ein sonnenexponierter, trockener Standort und in der Nähe ein ausreichendes Angebot der richtigen Futterpflanzen.
Auf einer Ebene bietet ein Erdhügel verbesserte Nistmöglichkeiten, solange der Bewuchs lückig bleibt |
So einfach und plausibel die Anlage künstlicher Nisthügel ist, so sehr bietet sie Raum für wissenschaftliche Fragestellungen und Untersuchungen. 2022 veröffentlichten Neumüller, Ulrich et al. in der Zeitschrift Insects (13, 726) eine Studie, die alle Aspekte künstlicher Nisthügel beleuchtet "Artificial Nesting Hills Promote Wild Bees in Agricultural Landscapes". Verglichen wurden die Besiedlungsraten an 20 künstlichen Niststrukturen, die in Deutschland freistehend an sonnenexponierten Standorten mit jeweils identischen Maßen angelegt wurden. Alle Nisthügel waren 9 Meter lang, 3 Meter breit und 1,6 Meter hoch und bewiesen eine hohe Attraktivität für die bodennistenden Bienenarten der Umgebung und somit ihre Eignung für den Artenschutz. Während die Zusammensetzung und Chemie des Bodens – abgesehen von seinem Lehmgehalt – keine Auswirkung auf die Besiedlung hatte, beeinflußte die Bodentemperatur den gemessenen Arten und Individuenreichtum deutlich, vor allem im zweiten Jahr nach dem Aufschichten der Hügel:
The artificial nesting structures attracted approximately 75% of the bees that occurred in the surroundings. The hills were colonized in succession, and nesting hills that were surrounded by a low cover of seminatural landscape elements showed a particularly strong increase in bee abundance in the second year. Although only the clay content from all substrate parameters had a weak effect on the bee community, the soil temperature strongly affected the species richness and abundance of the bees. [...]
Parameters describing the substrate of the nesting hills (pH value, sand, silt content, organic matter) were not correlated with bee richness or abundance. These findings are in line with another study that has also found no correlation between species richness and abundance with soil composition. [...]
Viele Bienenarten sind in ihrer Nistweise auf niedrige oder hohe Steilwände spezialisiert: Eine vertikale Abbruchfläche bleibt eher oder länger trocken und vegetationsfrei als andere Bodenstellen. An Böschungen läßt sich eine kleiner Hangabstich leicht mit dem Spaten schaffen – 20 oder 30 cm genügen schon, um eine begehrte Ministeilwand zu schaffen und davor eine schmalen Pfad entstehen zu lassen, auf dem der Hang begehbar ist!
Ersatznistplätze können wir auch schaffen, wenn ein (wie vielleicht der Nachbar sagen würde) "Dreckshang" abgestützt werden muß: Dies sollte mit einer nach hinten geneigten und nicht zu hohen Trockenmauer geschehen, nicht mit einer in Zement gesetzten Steinmauer oder Betonmauer. Die Trockenmauer sollte man zünftig aus Natursteinen setzen und nicht mit Zement, sondern "nur" mit Lehm verputzen: Ausreichend breite Lehmfugen bieten z. B. Pelzbienen und Lehmwespen gute Nistmöglichkeiten und haben für den Gartenbesitzer den Vorteil, daß ein vom Erdreich herausgedrückter Stein schnell wieder an die richtige Stelle gebracht, die Mauer also leicht repariert werden kann. Eine nach hinten geneigte Trockenmauer hält dem drückenden Erdreich natürlich am längsten stand.
Aber selbst der Besitzer einer Betonmauer kann noch etwas tun: Wenn er sie nicht abreißen kann oder will, kann er sie mit einem Steinbohrer löchern, oder er kann auf der Mauer einen Stapel "Strangfalzziegel" aufschichten oder an der Mauer ein paar speziell für Bienen produzierte Nistziegel andübeln. Wer es optisch etwas ansprechender liebt und handwerkliches Geschick hat, kann sich eine große Lehmwand oder sogar einen veritablen Bienenstand für vielerlei Nistbedürfnisse in den Garten stellen ...
Übrigens: Auch Trockenmauern ohne Lehmmörtel bieten wertvolle Lebensräume: Wer ein Hochbeet anlegt bzw. eine Kräuterspirale baut, könnte in den vielen Lücken und Ritzen der vertikalen Außenwand irgendwann eine nistende Solitärbiene entdecken ...
Trockenmauern als Kräuterspirale | Lehm-Bruchstein-Mauer eines Hochbeetes |
Trockenmauern bieten vielfältige Lebensräume – und Nisträume auch für einige Wildbienenarten, wenn kleine Hohlräume zwischen oder hinter den Steinen erreichbar sind. Die heutzutage etwa als Lärm- und Sichtschutz eingesetzten Gabionen (= mit Steinen gefüllte Drahtkörbe) sind allerdings für Bienen ungeeignet. |
Die Kulturfolger unter den Steilwandbewohnern fanden einst in den mit Lehm gebauten oder verfugten Gebäuden des Menschen neue, willkommene Niststrukturen, die aber schon seit Jahrzehnten immer mehr der Modernisierung zu Opfer fallen. Wie sich solche Lehmwände bauen lassen, zeigen die nächsten Seiten.
Künstliche Nisthilfen lassen sich für solche Wohnungsspezialisten nicht schaffen, der Schlüssel zum Naturschutz ist hier ein Naturgarten, in dem man z. B. Schneckenhäuser liegenläßt und Gallen nicht als Krankheiten ausmerzt:
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Lehmwände |