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Wildbienen-Fortpflanzung: Neststrukturen
Niststrukturen im Boden Boden-Niststellen (Lehm-, Kies & Sandgruben Lehm-, Kies & Sandgruben · Ruderalstellen Ruderalstellen) · Oberirdische Niststellen Oberirdische Niststellen

In Mitteleuropa lebt mittlerweile 70 Prozent der Bevölkerung in Städten und sog. Ballungsgebieten. Diese "Landflucht" läßt aber bekanntlich keine unberührte Landschaft zurück, im Gegenteil: Naturbelassene oder naturnahe Gebiete schrumpfen mit einer geradezu unheimlichen Geschwindigkeit. Unberührte Natur ist aber die Lebensgrundlage der meisten Wildbienen:

Niststrukturen im Boden:

So unterschiedlich die Ansprüche der erdnistenden Bienenarten, so unterschiedlich sind auch die möglichen Niststrukturen: waagerecht, geneigt oder senkrecht, bewachsen, vegetationsarm oder ganz vegetationslos, halbfeucht oder ziemlich trocken. Geeignetes Nist-Terrain kann eine Landschaft sein oder nur ein Quadratmeter. Je kleiner ein Gebiet ist, desto größer sind die Chancen von Privatleuten, das Gebiet für unsere Bienen zu schützen. Die Bewahrung einer vorhandenen Bodenstruktur ist deshalb vorrangig anzustreben, weil sich für erdnistende Bienenarten nur wenige Nisthilfen mit vertretbarem Aufwand herstellen lassen:

  1. Eine kleinräumig strukturierte Landschaft ist für Wildbienen das ideale Biotop: Das Kontrastprogramm zur heutigen ausgeräumten Agrarlandschaft besteht aus einem Mosaik verschiedener Landschaftselemente mit unterschiedlichem Bodentyp, Bewuchs, Mikroklima etc., also aus ebenen Flächen, Hängen und Steilwänden, Brachen und Ruderalstellen, humosem, sandigem oder Lößboden, extensiv genutzten Wiesen und Weiden etc. (Reste z. B. von Weinbergen früherer und Jahrhunderte lassen erahnen, was Melioration bzw. Flurbereinigung angerichtet hat. Ein Vergleich von alten Fotos mit den sanierten Hofschaften und Siedlungen zeigt, was dort verlorengegangen ist: Bruchsteinmauern und kleine Parzellen, Pflasterwege, kleine unordentliche Winkel, Ruderalstellen etc.)
        Der wichtigste Grundsatz für den Schutz einer solchen Landschaft ist die Erhaltung der vorhandenen Vielfalt: Jede "Homogenisierung", also Einebnung, Düngung, Be- oder Entwässerung etc. ist zu vermeiden, nur sparsames Mähen und Abräumen ist sinnvoll, wenn sie sparsam und zur richtigen Zeit erfolgt und der Ausmagerung dient. Sollten aufgrund menschlicher Eingriffe oberirdische Niststrukturen (s. u.) fehlen, könnte man z. B. einen Hartholz-Baumstamm einbringen, der von Käfern besiedelt würde und so mittelfristig vor allem Mauerbienen geeignete Nistgänge zur Verfügung stellen würde.
  2. Lehm-, Kies- und Sandgruben sind für Wildbienen besonders wertvolle Habitate und Rückzugsgebiete, da sie auf kleinem Raum mehrere Mikroklimate und Niststrukturen vereinen und in unmittelbarer Nähe auch vielen Blütenpflanzen einen Lebensraum bieten.
        Solche Biotope sind selten in Privathand, sie müssen unbedingt vor einer Nutzung als Müllkippe oder Deponie (mit späterer "Renaturierung") bewahrt werden und von einer Biologischen Stationen und/oder einem Naturschutzverein wissenschaftlich kartiert und betreut werden.
  3. Sandgruben und Böschungen
    Sandgruben und Böschungen können durch Freischneiden (z. B. "Entbirken") langfristig als begehrte Nistorte erhalten werden. Auf dem Boden sind Nisthügel von Andrena vaga und Colletes cunicularius zu sehen.
  4. Schütter bewachsene Böschungen, Bahn- und Hochwasserdämme sind weitere bevorzugte Ziele für Bienenfreunde und -fotografen, da Wildbienen dort gerne nisten und ihre bevorzugten Futterpflanzen finden. Nester in Hanglagen sind kaum gefährdet, Blütenpflanzen aber leider oft durch schlecht terminierte Mahd.
        Hangbiotope sind meist nicht in Privatbesitz, verantwortlich für sie sind Kommunen und Länder, öffentliche Landschaftsverbände und auch Naturschutzvereine. Letztere sollten darauf hinwirken, daß die Hänge nicht verbuschen und Mäh- oder Weidetermine nicht durch Personalmanagement diktiert werden, sondern grundsätzlich auf die Zeit nach der Blüte (also den Spätsommer oder Frühherbst) gesetzt werden.
  5. Ruderalstellen sind Rohboden- bzw. Schotterflächen, die natürlicherweise durch Erdrutsche, Überschwemmungen, Flüsse und Gletscher entstehen, oder Abbruchflächen und Trümmerhalden, wie sie durch Aufgabe genutzter Flächen, aber auch Umweltkatastrophen und Krieg verursacht werden. Ruderalstellen haben traditionell ein schlechtes Image: Solche "Schandflecken" möchten Kommunalpolitiker und Bürokraten ebenso wie viele Privatleute möglichst schnell beseitigen – und dennoch sind sie aufgrund ihrer Niststrukturen und "Ruderalvegetation" wichtig für das Überleben etlicher Bienenarten.
        Größere Ruderalflächen in öffentlicher Hand sollten wissenschaftlich kartiert werden, um den Bestand tierischer und pflanzlicher Organismen zu ermitteln und aus dem Ergebnis evtl. einen Pflegeplan ableiten zu können. Ein Naturschutzverein könnte ein wertvolles Gelände für einen symbolischen Betrag pachten und durch regelmäßigen Gehölzschnitt erhalten. Kleine Ruderalstellen in Privathand erfordern den Mut und Sachverstand des Besitzers – und auch Geschick im Umgang mit konventionell denkenden Nachbarn ...
  6. Ruderalflächen, Hänge, Hügel
    Ruderalflächen, Hänge, Hügel: Nistplätze für erdnistende Bienen und zugleich Nahrungsquellen
  7. Ein ungewässerter nährstoffarmer Rasen mit lückiger Grasnarbe ist nicht der vorzeigbare Stolz eines fleißigen Gartenbesitzers – aber ein geeignetes Nisthabitat etlicher Bodennister. Eingerahmt von Wildstauden, einer Lehmwand, einer Trockenmauer, einem Stapel Totholz etc. (statt Rosen, Rhododendron etc.), also als Teil eines Bio-Gartens ergibt sich ein anderes, natürliches – für Bienenfreunde jedenfalls erträgliches Bild. Mit gutem Willen lassen sich lückige Bodenstellen auch nachträglich schaffen Neue ebene Boden-Nistplätze
  8. Kleine oder größere Steilwände (Abstiche bzw. Anrisse) entstehen automatisch, wenn in Hängen kleine oder größere Terrassen angelegt werden. Leider wird der Hang oberhalb der Terrasse oft durch eine Mauern abgestützt, da der vegetationsfreie Rohboden der Steilwand unansehnlich wirkt und vielleicht ausgewaschen würde. Kleine Steilwände sind aber keineswegs grundsätzlich instabil, und eine traditionelle Trockenmauer mit Lehmfugen ist besser als eine betonierte und bietet immer noch Nistorte für Bienen – sogar für Freinister. Gartenbesitzer brauchen also einfach nur den Mut, vom traditionellen Gartenbild abzuweichen, oder etwas Platz für die Errichtung einer Nistwand:
  9. Neue vertikale Boden-Nistplätze Neue vertikale Boden-Nistplätze Lehmwände Lehmwände für Pelzbienen & Co.
    Abbruch am Wandhang   Abstich am Hang
    Solange Steilhänge vegetationsarm bleiben, ...   ... bleiben sie Nisthabitate für Bodennister
  10. Die sandigen Fugen zwischen Terrassenplatten und Pflastersteinen sind krümelig und trocken und daher für etliche Bodennister geeignete (wenn auch nicht bevorzugte) Niststellen. Das "Problem" sind die Tumuli, also die Sandhäufchen, die durch das Graben entstehen und das Auge des ordnungsliebenden Mitmenschen beleidigen; manch einer fürchtet gar, die Terrasse bzw. der Weg würde im Sinne des Wortes "untergraben" und einbrechen. "Können die Bienen denn nicht woanders wühlen?" hört man dann. Nein, das können sie nicht – sonst würden sie ja dort ("woanders") nisten.
  11. Lehmige oder sandige, auf jeden Fall unbefestigte, ungeschotterte Wege, die nach einem Regen matschig und bei Trockenheit staubig sind, waren in früheren Zeiten die Regel – in Zeiten, als die Bienenfauna noch deutlich reicher war als heute; solche Wege sind gerade deshalb geschätzte Niststellen, weil ihre Vegetation immer wieder ge- und zerstört wird.
        Soll oder muß ein Weg unbedingt befestigt werden, sollte dies natürlich dann geschehen, wenn die Bienen fliegen, ihre Brut also noch nicht im Boden ist; und man sollte einen Ersatznistort bereitstellen, also eine vegetationsarme, vielleicht mit Sand ausgemagerte Fläche.

Lückig bzw. schütter bewachsene Flächen bieten, wie gezeigt, den meisten unterirdisch (endogäisch) nistenden Bienenarten geeignete Niststrukturen, aber zugleich nur begrenzte Pollen- und Nektarmengen. Oberirdisch (hypergäisch) nistende Bienenarten Oberirdische Niststellen hingegen profitieren eher von einer dichten blütenreichen Pflanzendecke und ungehinderter Sukzession:

Oberirdische Niststrukturen:

  1. Altes Mauerwerk stellt für Bienen einfach eine künstliche Steilwand dar, also eigentlich eine Bodenstruktur (s. o.). Durch Abwitterung entstehen zwischen oder in den Steinen offene Fugen, Löcher und Spalten, die z. B. Pelzbienen und Mauerbienen ebenso gute Nistmöglichkeiten bieten wie Abwitterungshalden, Fels- und Lehmhänge.
        Die Lehmfüllungen in den Gefachen alter, traditioneller Fachwerk-Scheunen haben keine konstruktive bzw. tragende Funktion, können nistenden Bienen also lange überlassen werden. Anderes, lehmverfugtes Mauerwerk aus Sandstein oder Ziegeln verwittern zu lassen, kann seinem Eigentümer kaum zugemutet werden, da dies langfristig das ganze Gebäude gefährden würde; die notwendige Renovierung läßt sich aber meist auf die Zeit unmittelbar nach dem Ausfliegen der neuen Bienengeneration legen und die alten Nistwände zumindest zum Teil durch (gebastelte oder gekaufte) Nisthilfen ersetzen:
  2. Lochziegel Lochziegel für direkte Besiedlung und Stengel
    Lehmwände Lehmwände für Pelzbienen & Co.
    Fugen im Ziegelmauerwerk   Renoviertes Ziegelmauerwerk
    Altes Ziegelmauerwerk: Fugen mit Sandsteinmörtel werden gerne von Mauerbienen besiedelt   Nach der notwendigen Renovierung gibt es keine Nistmöglichkeiten mehr, aber hoffentlich Nisthilfen
  3. Totholz ist in unserer ausgeräumten Landschaft nicht beliebt, in naturbelassenen Landschaften aber völlig normal: Abgestorbene Bäume – morsche oder mürbe Baumruinen bzw. umgekippte Bäume –, vertrocknete Ranken und Stengel bleiben in der Natur viele Jahre erhalten und bieten fast einem Fünftel unserer Bienenarten die Niststrukturen, an die sie sich im Laufe ihrer Evolution angepaßt haben: bereits bestehende Hohlräume in Totholz oder mürbe oder morsche Stämme und Äste bzw. markhaltige Stengel.
        Der einfachste Weg, diesen Arten zu helfen, besteht darin, das Totholz bzw. die abgestorbenen Stauden dort zu lassen, wo sie sind. Natürlich wissen alle Gartenbesitzer, was schon die Großeltern wußten und was Gartenbücher und -magazine bis heute predigen, weshalb viele ein anerzogenes Unbehagen befällt bei der Vorstellung, ihre Gärten ohne den Stempel menschlicher Ordnung in die Winterruhe zu schicken und den Blicken der Nachbarschaft auszusetzen. Tatsächlich gibt es aber keinen rationalen Grund, einen alten, abgestorbenen Obstbaum zu fällen oder Stauden nach der Blüte abzuschneiden: Wir helfen Wildbienen schon dadurch, daß wir natürliche Nisthilfen einfach dort und so lassen, wo und wie sie sind.
    Baumruine   Osmia bicornis, M+W am/im Nest
    Baumruine (Mitte März) mit einer ...   ... Detailaufnahme: Osmia bicornis Osmia-bicornis-MännchenOsmia-bicornis-Weibchen · Solingen, 19.03.2011
        Wenn die Bewahrung natürlicher Nistplätze – aus welchen Gründen auch immer – nicht möglich bzw. erwünscht ist, kann man unseren Bienen künstlichen Ersatz anbieten, der jedem Bienenfreund bekannt ist und sich in vielerlei ebenso nützlichen wie dekorativen Formen herstellen oder sogar kaufen läßt:
  4. Markhaltige & hohle Stengel Nisthilfen mit markhaltigen & hohlen Stengeln
    Lochziegel Lochziegel für Stengel und direkte Besiedlung
    Nisthölzer Totholz sowie Nisthölzer & Demo-Nisthilfen
    Kombi-Nisthilfen Kombinierte Nisthilfen unter einem Dach
    Solitärbienenstände Solitärbienenstände bzw. Schauwände
    Wildbienen-Lehrpfade Wildbienen-Lehrpfade & öffentliche Parks
  5. Schneckenhäuser werden in Mitteleuropa von einem halben Dutzend Mauerbienen (Osmia spec.) für die Fortpflanzung genutzt. Ihr Schutz ist nur durch den Schutz natürlicher und naturbelassener Landschaften möglich, u. a. Bio-Gärten. Dazu gehört natürlich, Gehäuseschnecken nicht als potentielle Schädlinge zu verfolgen. Nisthilfen gibt es nicht Schneckenhäuser und Gestein für Freinister
  6. Gestein und Totholz (Baumstämme, Äste) werden auch von einer kleinen Gruppe von Solitärbienen genutzt, die ihre Nester nicht in diesen Nistplätze bauen, sondern außen an diese mörteln. Diese seltene Nistweise ist eine Anpassung an felsiges Terrain, in dem das Graben im Boden kaum möglich ist. Zu finden ist solches Terrain z. B. vor allem in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz: Felsformationen (vor allem Sand- und Vulkangestein), natürliche Schutthalden und Bruchsteinmauern, wie sie in Weinbergen früher typisch waren.
        Der Schutz solcher Lebensräume insbesondere – vor einer alles zerstörenden Flurbereinigung – ist zugleich der Schutz seltener Nestbauspezialisten unter den Bienenarten. Hier ist politischer Einsatz gefragt, der die wahren Gründe menschlicher Eingriffe aufzeigt und anprangert: Würde sich eine Flurbereinigung in Umlegungen (im Austausch von Grundstücken, also einem gesetzlich geregelten Bodenordnungsverfahren) erschöpfen, wären die Auswirkungen noch zu verschmerzen; tatsächlich wird die Landschaft zugleich homogenisiert und verarmt: Steilwände, Trockenmauern und Steinriegel, Hecken und Ruderalstellen werden zerstört zugunsten von Betonwänden und Hängen, planierten Flächen und Monokulturen und Asphalt- und Betonwegen, die einen rationellen Maschineneinsatz ermöglichen. Diese "moderne" Wirtschaftsweise geht üblicherweise einher mit auch für Bienen tödlichem Pestizideinsatz.
        Auch Gestein und Totholz für Freinister kann man durch Schneckenhäuser und Gestein für Freinister künstliche Nisthilfen nicht ersetzen – die Besiedlung eines Findlings im eigenen Garten wäre ein glücklicher Zufall.

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