Die Bienengattung Colletes ist bis auf Australien weltweit verbreitet. Im deutschsparachigen Raum sind 20 Arten bekannt, in Deutschland, Österreich und der Schweiz je 14. Ihren deutschen Namen verdanken die 7 bis maximal 16 mm großen Seidenbienen der cellophanartigen bzw. seidigen Auskleidung ihrer Brutzellen, die aus Sekreten zweier Drüsen am Hinterleibsende und an der Unterlippe (Labium) gebildet wird. Eine Substanz aus Drüsen des Oberkiefers (den Mandibeln) schützt die Wandung der Brutzellen zudem gegen Pilz- und Bakterienbefall. Im Englischen werden Seidenbienen entweder als "Plasterer Bees" ('Stuckateur-Bienen') oder als "Polyester Bees" bezeichnet.
Der nur 2–3 mm kurze Rüssel (Proboscis) ermöglicht Seidenbienen nur die Ausbeutung von Blüten mit relativ leicht zugänglichem Nektar. Typisch ist die sonst nur bei den kleinen Maskenbienen (Hylaeus spec.) anzutreffende kurze zweilappige Zunge – zwei sich überlappende stumpfe Enden der Glossa –, welche diese Gattung sicher von ähnlichen Sandbienen (Andrena) unterscheidet, außerdem die Zahl und Größe der Cubitalzellen (Flügeläderung) und das spitze Ende des Hinterleibs (Abdomen) der Weibchen. Meist ist das schwarze Abdomen durch breite helle Hinterleibshaarbinden an den hinteren Tergit-Rändern sehr auffällig; nur Colletes cunicularius macht hier eine Ausnahme.
Seidenbienen-Weibchen besitzen eine dreifache Pollentransport-Einrichtung: a) eine Haarbürste an der Schiene (Tibia) jedes Hinterbeins, b) ein Körbchen (Corbicula) auf der Unterseite jedes hinteren Schenkels (Femur) und c) ein weiteres an den Seiten des Mittelsegments (Propodeum).
Seidenbienen sind Sommerbienen, die erst ab Ende Juni und vor allem in Juli und August fliegen und selbst im ungemütlichen Spätherbst noch anzutreffen sind. Von den Vertretern der meisten anderen Gattungen sind dann nur noch die Nachkommen in den Brutzellen übrig; nur Colletes cunicularius macht wieder eine Ausnahme, sie fliegt wie etliche Erdbienen (Andrena) bereits im März zur Weidenblüte. Seidenbienen nisten solitär, aber oft zusammen mit vielen Artgenossinnen in ebenem oder schrägem und immer vegetationsarmem oder -freiem Boden, die Art Colletes daviesanus in Steilwänden einschließlich Mauern, selten in Totholz. Alle Colletes-Arten graben sich ihre Nester in der Regel selbst: einige in lockerem Sand, andere in hartem Sandboden und sogar Sandstein und Mörtelfugen. Mit ihren Mandibeln arbeiten sie so effektiv, daß von großen Aggregationen der erwähnten C. daviesanus in früheren Zeiten sogar Schäden an schlechter Bausubstanz bekannt wurden.
Colletes cunicularius · 27.3.2007 | Colletes cunicularius: Kopula · Hünxe, 25.3.2007 (jac) |
Die Drohnen graben sich in der Regel einige Tage vor den Weibchen aus dem Boden und schwärmen in starken Aggegationen in großer Zahl in Erwartung der Weibchen dicht über dem Boden. Sobald diese erscheinen, werden sie begattet. Die Weibchen mancher Arten graben einen senkrechten Hauptgang und treiben von diesem rechtwinklig Seitengänge in den Boden, an deren Ende sie ihre seidigen Brutzellen anlegen. Andere Arten plazieren ihre Brutzellen zu mehreren hintereinander in zum Teil gegabelten Nestgängen; diese werden von den Nachkommen später oft wiederbelegt. Je nach Bienenart und Substrat sind die Brutzellen waagerecht oder fast vertikal ausgerichtet. Zur Auskleidung einer Zelle nimmt die Seidenbiene das an ihrem Hinterleib abgegebene Sekret auf und streicht es mit ihrer Zunge auf die Wandung der Zellhöhle. Der eingetragene Pollen ist mit Nektar getränkt und feucht bis breiig. Nachdem sie die Brutzelle mit einem schon vorbereiteten Deckel dicht verschlossen hat, füllt das Weibchen die Gänge mit Sand bzw. Erde.
Ein sicherer Fundort für Seidenbienen: der ab Juli vor allem an Wegrändern blühende Rainfarn (Tanacetum vulgare) | Typisch auf Rainfarn sind Colletes daviesanus, C. fodiens und C. similis |
Bis auf C. impunctatus sind wahrscheinlich alle Seidenbienen auf bestimmte Pfanzengattungen oder -familien spezialisiert, also oligolektisch. Den Pollen transportieren sie in einer Haarbürste an den Hinterschienen (Tibia) sowie in Körbchen auf den Unterseiten der Hinterschenkel (Femur) und des Mittelsegments (zwischen Thorax und Abdomen).
Colletes marginatus auf Trifolium arvense | Colletes marginatus abfliegend · Bonn, 30.07.2008 |
Seidenbienen werden von Kuckucksbienen der Gattungen Epeolus (Filzbienen) parasitiert, insbesondere E. cruciger und E. variegatus, die beide sehr selten geworden sind. Colletes cunicularius, die frühe Ausnahmebiene, allerdings wird von der Blutbiene Sphecodes albilabris heimgesucht.
Colletes | Flugmonate | Nistsubstrate | Trachtpflanzen |
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C. cunicularius | IIIV | meist vegetationsarmer sandiger oder lockerer Boden | Weide (Salix) |
C. daviesanus | VIVIII | Steilwände, Gemäuer | Korbblütler (Asteraceae), Unterfamilie Asteroideae |
C. floralis | ? | sandiger Boden | ? |
C. fodiens | VIIVIII | Sand-, auch Lößboden | Korbblütler (Asteraceae), vor allem Rainfarn (Tanacetum vulgare) |
C. hederae | IXX/XI | Löß- & Sandboden | Efeu (Hedera helix) |
C. impunctatus | VIVII (Alpen: VIII) | Erdboden an Schutthalden, Küsten und Binnendünen etc. | unspezialisiert (polylektisch); bekannt: Weißklee (Trifolium repens) |
C. marginatus | VIIVIII | sandiger Boden an Binnen- und Küstendünen etc. | Schmetterlingsblütler (Fabaceae), auch Zahntrost (Odontites) |
C. nasutus | VIVIII | sandiger Boden | Ochsenzunge (Anchusa) |
C. nigricans | VVIII | ? | Resede (Reseda) |
C. sierrensis | XIIIIX | ? | Zahntrost (Odontites) |
C. similis | VIIX | trockenwarme Steilwände & vegetationsarme Flächen | Korbblütler (Asteraceae), Unterfamilie Asteroideae |
C. succinctus | VIIIIX | vegetationsarme sandige & ebene (Löß-) Böden | Erikagewächse (Ericaceae), vor allem: Heidekraut (Calluna vulgaris) |
Die Gattung ist in Deutschland nach Westrich & Dathe (1997) mit 12 Arten vertreten; die folgende Liste umfaßt auch die Arten der Schweiz (CH) und Österreichs (A): C. albomaculatus, C. floralis, C. gallicus, C. graeffei, C. hederae, C. mlokossewiczi, C. nigricans, C. punctatus, C. sierrensis.
Colletes Latreille 1802 nach Schwarz et al. (1996), Müller (1997), Westrich & Dathe (1997 & 1998) etc. | ||
C. albomaculatus (Lucas 1849) C. caspicus Morawitz 1874 C. collaris Dours 1872 C. cunicularis* (Linnaeus 1761) C. daviesanus Smith 1846 C. floralis* Eversmann 1852 C. fodiens (Geoffroy 1785) C. gallicus Radoszkowski 1891 |
C. graeffei Alfken 1900 C. halophilus Verhoef 1944 C. hederae Schmidt & Westrich 1993 C. hylaeiformis Eversmann 1852 C. impunctatus Nylander 1852 C. marginatus* Smith 1846 C. mlokossewiczi Radoszkowski 1891 C. nasutus Smith 1853 |
C. nigricans Gistel 1857 C. punctatus Mocsáry 1877 C. sierrensis Frey-Gessner 1903 C. similis Schenk 1853 C. succinctus (Linnaeus 1758) 21 Arten (pro Spalte bis 8) |
*Synonyma: nach Müller et al. (1997), Westrich (1990) sowie Westrich & Dathe (1997 & 1998): | ||
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