- 146. Wildbienen · Die anderen Bienen: Die 6. Auflage erscheint (26.09.2024)
Paul
Westrich [Personen-Glossar
] ist einer der international renommiertesten Apidologen. Bekannt ist er im deutschsprachigen Raum vor allem, seit 1989 sein zweibändiges Standardwerk
Die Wildbienen Baden-Württembergs erschien. Fast drei Jahrzehnte später präsentierten 2018
Die Wildbienen Deutschlands erneut den aktuellen Forschungs- und Kenntstand. Da sich dieses 824 Seiten starke und 99 € teure Standardwerk vorrangig an ein Fachpublikum richtete, brachte der Autor für die wachsende Zahl der Wildbienen- und Naturfreunde bzw. Bürger-Wissenschaftler ab 2011 ein 168 Seiten starkes populärwissenschaftliches "kleines" Buch heraus, das bis 2015 im Pfeil-Verlag fünf Auflagen erlebte:
Wildbienen · Die anderen Bienen [Rezension
].
Die jetzt im Ulmer-Verlag erscheinende 6. Auflage wurde auf 208 Seiten mit 653 Fotos erweitert und stellt in ausführlichen Lebensbildern und Kurzbeschreibungen 120 Bienenarten vor. Die große Anzahl informativer und beeindruckender Farbfotos zünden schon beim Durchblättern ein fotografisches Feuerwerk, das begeistert und Neugier und Leselust weckt. Natur- und Bienenfreunden, privaten wie professionellen Naturschützern, Lehrern und Dozenten vermittelt der Naturführer anschaulich und allgemeinverständlich das nötige Basiswissen. Besonders interessant ist das Buch für Gartenbesitzer, denn es ermöglicht, viele in unseren Gärten vorkommende und siedelnde Bienenarten und ihre Gegenspieler zuverlässig zu bestimmen und ihre Biologie kennenzulernen. Dabei beschränkt es sich nicht auf die typischen Besiedler von Totholz-Nisthilfen, sondern stellt auch im Boden nistende Arten vor, die immerhin drei Viertel der ca. 600 Bienenarten Deutschlands ausmachen und entsprechende Niststrukturen benötigen.
Der Autor stellt als Leseprobe 22 Seiten des Werkes auf seiner Website vor
.
- 145. WDR: "Gute Nachricht: In NRW gibt es immer mehr Bienen" (19.08.2024)
Unter dieser Überschrift meldet der WDR auf seinen Radio-Sendern wie auch auf seiner Website:
Vor allem in den Städten wächst die Zahl der Hobby-Imker. Je nach Stadt finden Bienen hier mehr Nahrung, als auf dem Land.
Gibt es immer weniger Bienen, dann gilt das als untrügliches Zeichen dafür, dass unsere Umwelt nicht mehr in Ordnung ist. Und genau wie Insekten waren Bienen über viele Jahre weltweit auf dem Rückzug.
In NRW zumindest scheint sich dieser Trend jetzt etwas zu wenden: Innerhalb der letzten zehn Jahre ist die Zahl der Bienenvölker von 62.000 auf 163.000 gestiegen. Auch die Zahl der Imker hat sich laut Landwirtschaftskammer NRW von 9.000 auf 19.000 erhöht. [...]
Kommentar: Ein Trend läßt sich auch im deutschen Journalismus schon seit Jahren beobachten: Es werden nicht schlicht Fakten berichtet, sondern deren "richtige" (d. h. gewünschte) Beurteilungen gleich mitgeliefert; die Mühe eigener Schlußfolgerungen und Meinungen wird den Hörern und Lesern erspart. Das Ethos journalistischer Darstellung, nämlich die objektive Berichterstattung und folglich strikte Trennung von Information und Kommentar, wird zwar noch öffentlich behauptet, aber immer weniger praktiziert.
Auch WDR-Redakteurin Nina Magoley hat sich vom Qualitätsjournalismus vergangener Zeiten verabschiedet, wenn Sie in der Überschrift die Information mit "Gute Nachricht" einleitet. Allerdings ist auch die Information selbst bereits eine Falschaussage: Tatsächlich gibt es in NRW wie im gesamten Bundesgebiet, in Europa und weltweit nicht mehr, sondern weniger Bienen und andere Insekten; ein Zuwachs ist nur beim Haustier Honigbiene zu verzeichnen. Die Abnahme der Wildbienen (und anderer Insekten) ist zwar tatsächlich ein Indiz für ein schwerwiegendes Umweltproblem; dieser Trend läßt sich allerdings nicht durch mehr Honigbienenvölker wenden, so wie sich die Bestände von Rebhuhn, Wachtel, Birk- und Auerwild nicht durch mehr Hühnerhaltung und Eierproduktion stabilisieren lassen. Wenn mehr Imkerei einen Kommentar erfordert, dann muß dieser die erwiesene Nahrungskonkurrenz zwischen der domestizierten Honigbienen und den rund 600 Wildbienenarten thematisieren. Hautierhaltung in der freien Natur ist keine Selbstverständlichkeit und erst recht keine gute.
Die erneute Gleichsetzung von Biene und Honigbiene im heutigen WDR-Beitrag war im 20. Jahrhundert noch Quasi-Standard: Folge geringen Naturwissens und erfolgreicher Imkerpropaganda. Im Jahre 2024 ist diese Verwechslung nicht mehr durch Unwissenheit entschuldbar. Eher als Dummheit ist also wohl Verlogenheit der Redakteurin anzunehmen.
- 144. Bombus argillaceus erstmals in Deutschland nachgewiesen (31.07.2024)
Die idw und die Tagesschau melden den ersten Nachweis der "Tonerdhummel" Bombus argillaceus in Deutschland: Einem Mitglied des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN), Thomas Guggemoos, gelang es in Ohlstadt im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen, eine Königin zu fotografieren. Die Bestimmung erfolgte durch die App ObsIdentify. Hoffen wir, daß die Artbestimmung stimmt!
- 143. Der EU-Umweltministerrat beschließt die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (17.06.2024)
Wie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mitteilt, hat der EU-Umweltministerrat heute in Luxemburg der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur zugestimmt. Dieses EU Nature Restoration Law soll einen Beitrag leisten zur Wiederherstellung funktionsfähiger, resilienter Ökosysteme und internationale Verpflichtungen zur Renaturierung degradierter Ökosysteme umzusetzen, zu der sich Deutschland auf der Weltnaturkonferenz (CBD COP 15) bekannt hat. Die Verordnung sieht unter anderem vor, daß bis 2030 EU-weit mindestens 20 Prozent der Land- wie auch Meeresflächen gemäß nationaler Pläne wiederhergestellt werden, so daß sie ihre natürlichen ökologischen Funktionen wieder erfüllen können, statt weiter einseitig auf Bewirtschaftung ausgerichtet zu sein. Betroffen sind die gesamte Landschaft: Flüsse und Wälder, Agrarlandschaften, Mooren und andere Böden, die Natur der Städte und die Meere.
Die Verordnung war am 22.06.2022 von der EU-Kommission vorgeschlagen worden, ein Jahr später (20.06.2023) einigte sich der Rat der Europäischen Union auf einen Vorschlag an das EU-Parlament. Dieses beschloß am 12.07.2023 mit knapper Mehrheit einen eigenen Standpunkt, der in einem Kompromiß mit Rat und Kommission mündete, welcher am 27.02.2024 im EU-Parlament beschlossen wurde. Die für den 25.03.2024 angesetzten Abstimmung im Rat der EU-Umweltminister wurde jedoch von der Tagesordnung genommen, weil acht Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung zurückgezogen hatten und ein Scheitern absehbar war. Nach weiteren Verhandlungen fand die Abstimmung am 17. Juni 2024 statt, wobei die erforderliche qualifizierte Mehrheit von mehr als 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung erreicht wurde. Die prominenteste Fraktion unter den Gegnern der Verordnung ist die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten), kurz EVP, der u. a. CDU und CSU angehören; sie argumentiert, die Verordnung würde das Geschäft von Landwirten und Fischern einzuschränken. (Kommentar: Genau dies ist zugunsten der Natur der Sinn und Zweck der Verordnung. Details auf der Website des BMUV.)
Ergänzung: Die Verordnung tritt am 18.08.2024 in Kraft. Die Mitgliedsstaaten sollen dem Rat innerhalb von zwei Jahren Pläne vorlegen, welche Maßnahmen sie umsetzen wollen.
- 142. DBIB: "Honig- und Wildbienen sind kein Widerspruch" (05.02.2024)
Der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund (DBIB), nach eigener Aussage "die Lobby der erwerbsorientierten Imker und Imkerinnen gegenüber Politik und Wirtschaft", lanciert im Presseportal.de der news aktuell GmbH einen 3.800 Zeichen langen Artikel, dessen Kern hier zusammenhängend zitiert und anschließend kommentiert wird:
Argumentiert wird, dass die Nutzung durch den Menschen der Honigbiene einen unnatürlichen Konkurrenzvorteil gegenüber Wildbienen verschaffe. Was zunächst logisch klingt, hält näherem Hinsehen aber nicht stand.
Heute weniger Honigbienen als früher
Allein, dass wir heute deutlich weniger Honigbienenvölker haben, gleichzeitig aber mehr Versiegelung und mehr Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – für die gerade Wildbienen besonders empfindlich sind – spricht eine andere Sprache: Um das Jahr 1900 herum gab es auf der Fläche des heutigen Deutschlands etwa 2,6 Millionen Bienenvölker, heute sind es nur noch etwa 950.000. Obwohl es damals also fast dreimal mehr Honigbienenvölker gab, waren Wildbienen noch nicht bedroht.
Gut dokumentiert sind dagegen die Ursachen für den allgemeinen Rückgang von Insekten und der Artenvielfalt. Dass intensivierte Landwirtschaft, Pestizideinsatz und Flächenversiegelung hierzu zählen, wird auch nicht angezweifelt. Rückgang und Gefährdung von Wildbienen sind deshalb zuallererst vor diesem Hintergrund zu betrachten.
Die Haltungsbedingungen, unter denen Imker Honigbienen halten, sollen diesen Hausbienen keinen "unnatürlichen Konkurrenzvorteil gegenüber Wildbienen" verschaffen? Bei näherem Nachdenken müßten doch eigentlich nicht nur Laien, sondern selbst Imker den Unsinn in dieser zitierten Imker-Propaganda verstehen:
- Domestizierte Honigbienen werden intensiv betreut: mit perfekt konstruierten Beuten, die gegen Witterung und Beutegreifer schützen, mit Zuckerlösungen und Medikamenten, die Verluste vermeiden und hohe Volksstärken fördern, durch kontinuierliche Überwachung. Soll das etwa kein künstlicher Konkurrenzvorteil für die Haustiere der Imker sein?
- Wenn es um 1900 ca. 2,7 mal so viele Honigbienenvölker gab wie heute ... und wenn wir einmal "vergessen", daß damalige Völker viel kleiner waren als heute (Imker nennen die heutigen Volksstärken ungern): Wie genau sollen solche Zahlen beweisen, daß damals pauschal "Wildbienen noch nicht bedroht" waren? Entomologen stoßen bei der Auswertung von Artenlisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder dem 19. Jahrhundert immer wieder auf letzte Funde einzelner heute verschollener oder extrem seltener Arten. Deren Verschwinden schon vor der Hauptphase der industriellen Landwirtschaft müßten Imker im Umkehrschluß auch den damaligen 2,6 Millionen Bienenvölkern zuschreiben. Geschützt vor logischen Schlußfolgerungen sind allerdings all jene Imker, die nur pauschal über Wildbienen reden und kaum einzelne Bienenarten und ihre Biologie kennen – also fast alle.
- In der Beurteilung einer "Bedrohung" messen Imker stets mit dreierlei Maß. Zunächst sind Wildbienen nicht pauschal "bedroht", vielmehr sind ihre ca. 600 Arten jeweils in ganz unterschiedlichem Maße gefährdet oder gar "bedroht" (nämlich vom Aussterben), was die Roten Listen mit unterschiedlich definierten Kategorien dokumentieren. Dabei bezieht sich die Feststellung eines Gefährdungsgrades stets auf eine Region: Wenn nur noch an ganz wenigen Orten z. B. eines Bundeslandes ein Restbestand einer Tierart nachweisbar ist, droht diese in dieser Region auszusterben. Wer Handlungsbedarf erst sieht, wenn Wildbienen pauschal bedroht sind, nimmt bewußt das Aussterben einzelner Arten in Kauf. Würden Imker schließlich ihren Bedrohungsbegriff auch auf ihre Haustiere anwenden, dürften sie sich erst dann gegen Einschränkungen der Imkerei zur Wehr setzen, wenn in einer Region nur noch zwei, drei Imker mit ihren Völkern übrig wären ...
- Daß "für den allgemeinen Rückgang von Insekten und der Artenvielfalt" vorrangig die "intensivierte Landwirtschaft" verantwortlich ist, wird zum Glück auch von Imkern "nicht angezweifelt". Muß das aber bedeuten, daß alle nachrangigen Faktoren, etwa die Honigbienenschwemme, zu ignorieren, "unter den Teppich zu kehren" seien?
- Wieder einmal unerwähnt bleibt die spezielle Wirtschaftsweise der Imker: Anders als z. B. Getreide- und Gemüsebauern säen sie nicht, sie ernten nur – und dies nicht nur auf dem Lande, sondern auch und vor allem auf fremdem Grund in der Stadt: Naturfreunde, die dort mit speziellen Blütenpflanzen in ihren Biogärten u. a. seltene oligolektische Bienenarten fördern wollen, sehen sich schnell um ihre Mühe und Hoffnung betrogen, wenn in der Nachbarschaft Beuten aufgestellt werden. Imker sind die Schnorrer unter den Landwirten.
- 141. Wildbiene des Jahres 2024: die "Blauschwarze Holzbiene" (Xylocopa violacea) (18.12.2023)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" im Arbeitskreis Wildbienen-Kataster Baden-Württemberg kürt für 2024 Xylocopa violacea, die "Blauschwarze Holzbiene". Ihr namengebendes Merkmal sind die blauschwarz schimmernden Flügel, ansonsten ist diese Holzbiene tiefschwarz und mit bis zu 30 mm Länge so groß und kompakt, daß sie regelmäßig für eine Hummel gehalten wird. Die Drohnen sind durch leicht geknickte orange gebänderte Fühlerenden zu erkennen. Während sich Xylocopa violacea als Folge der Klimaerwärmung vom Südwesten Deutschlands aus in alle Bundesländer ausbreiten konnte, sind zwei weitere Holzbienenarten noch extrem selten: Xylocopa valga, etwa gleichgroß und im weiblichen Geschlecht von X. violacea nicht unterscheidbar, und Xylocopa iris, die mit ca. 16 mm deutlich kleiner ist und bislang nur zerstreut im Elsaß und am südlichen Oberrhein nachgewiesen wurde.
Xylocopa violacea ist nicht Pollen-spezialisiert, also polylektisch, aber oft an Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) wie Platterbsen (Lathyrus) oder Blauregen (Wisteria) und an Lippenblütlern (Lamiaceae) wie dem Muskateller-Salbei zu beobachten. Mit solchen Blütenpflanzen kann und sollte man versuchen, die "Blauschwarze Holzbiene" in den eigenen Garten zu locken. Voraussetzung für ihr Vorkommen sind vor allem trockenwarme Lebensräume und noch festes (maximal weißfaules, nicht braunfaules) trockenes Totholz als Nistsubstrat. Für Solitärbienen ungewöhnlich ist die Fortpflanzungsbiologie der Holzbienen: Ihre Weibchen und Männchen erscheinen erst im Spätsommer und überwintern gemeinsam in geeigneten Hohlräumen, auch Nestern. Im Frühjahr paaren sie sich, die Weibchen nagen linienförmige Gänge in Totholz, trennen die bis 20 mm langen Brutzellen mit Zwischenwänden aus Holzspänchen, Mark und Speichel und legen bis 12 mm lange Eier auf den Pollenproviant. Anschließend bleiben sie in Nestnähe und erleben nach ca. zwei Monaten den Schlupf ihres Nachwuchses. Wer z. B. einen abgestorbenen Apfelbaum nicht absägt, sondern stehenläßt, kann mit etwas Glück das Brutgeschäft beobachten – nicht nur von Xylocopa violacea.
- 140. Der Deutsche Imkerbund e.V. veröffentlicht sein Positionspapier "Imkerei – Partner beim Insektenschutz" (November 2023)
Das Positionspapier wiederholt in Teilen die Behauptungen des Papiers der "Bundesarbeitsgemeinschaft Hymenoptera" des NABU . Der Imkerbund beginnt mit einer unstrittigen Feststellung: "Monotone Kulturen in der Agrarlandschaft, Flächenversiegelung in Stadt und Land und andere Faktoren verändern die Lebensräume der Blütenbestäuber [...]". (Dies sind bekanntermaßen Folgen der "guten landwirtschaftlichen Praxis" bzw. "GAP" für 'Good Agricultural Practice', wie in der EU der übliche Standard der Landbewirtschaftung genannt wird.) Abhilfe schafft laut Imkerbund die "gute imkerliche Praxis", sein Ziel sei "Naturschutz gemeinsam mit der Honigbiene", und "Bienenzucht ist notwendig", denn es sei "konsequente Selektion erforderlich, um standortangepasste Bienen zu erhalten." Gezüchtete Hummeln, Mauerbienen und Blattschneiderbienen hingegen dürfen "nicht in die freie Natur entweichen können. Sie führen zu einer Verfälschung der Fauna, verdrängen Arten, übertragen Krankheiten [...]", und man müsse "invasive Arten konsequent bekämpfen". Honigbienen allerdings sind für den Imkerbund nicht invasiv, sie stellen in der freien Natur kein Problem dar, denn "Insgesamt sind in Deutschland derzeit über 560 Wildbienenarten nachgewiesen, die Honigbiene ist eine davon." Etwas später liest man: "Die Imkerei stellt den Unterschied zwischen Wild- und Honigbienen dar [...]".
- 139. Das "Kompetenzzentrum Wildbienen" veröffentlicht die Erstausgabe der Anthophila (September 2023)
Das "Kompetenzzentrum Wildbienen", eine im März 2021 in Neustadt an der Weinstraße gegründete gemeinnützige Gesellschaft (gGmbH), gründet eine neue Zeitschrift, die Anthophila, und veröffentlicht deren Erstausgabe 1/2023 zunächst digital (herunterladbar: ), bevor am Jahresende die Druckform folgt. Enthalten ist eine neue "Checkliste", mit vollständigem Titel: "Die Wildbienenarten Deutschlands – Kritisches Verzeichnis und aktualisierte Checkliste der Wildbienen Deutschlands (Hymenoptera, Anthophila) · Critical Inventory and Checklist of the Wild Bees of Germany (Hymenoptera, Anthophila)". Sie führt nun für Deutschland 604 Arten auf! Kommentar:
- Die Gesellschafter des "Kompetenzzentrums" haben sich einen anspruchsvollen Namen gegeben: Das "Zentrum" der Wildbienen-"Kompetenz" soll seit zwei Jahren in Neustadt sein! In einer Marktwirtschaft haben solche verbalen Superlativen schon lange Konjunktur: Selbst kleinste Ladenlokale firmieren protzig als "Pommes Imperium", "Schokoladen-Reich", "Wohnwelt", "Waschcenter" etc. Sollte eine Institution mit wissenschaftlichem Anspruch nicht etwas bescheidener, weil wissenschaftlich sachlich auftreten?
- Der Name der Zeitschrift entspricht einer alternativen Bezeichnung der Bienen, die Charles Michener in seinem Standardwerk The Bees of the World als Apiformes bezeichnet. Anthophila ist allerdings auch der gültige Name einer Schmetterlingsgattung in der Familie Choreutidae, die im Deutschen als "Spreizflügelfalter" bezeichnet werden; Anthophila fabriciana (Linnaeus 1767) etwa ist der "Brennessel-Spreizflügelfalter". Der Zeitschriftentitel Anthophila unterstützt dieses unnötige Homonym, ohne einen zwingenden Grund geltend machen zu können: Das altgriechische Anthophila ist ein Kompositum aus anthos ('Blume') und philos ('Freund'), was auf Schmetterlinge ebenso paßt wie auf Bienen.
Übrigens gibt der International Code of Zoological Nomenclature (ICZN) in "Appendix B" folgende "General Recommendations": "New names should be in Latin form; they should be euphonious and easily memorable, and should not be liable to confusion with those of other taxa of any rank, or with vernacular words." Herausreden könnten sich die Gesellschafter allenfalls damit, daß für Bienen Anthophila wie Apiformes keine offizielle ICZN-Rangstufe bezeichnet; welche Bedeutung von Anthophila aber hätte dann Vorrang?
- Die "Checkliste" erhebt schon mit ihrem Namen Anspruch auf Allgemeingültigkeit: Hier sind Bienennamen zu "checken". Die hohe Zahl von 604 Arten ergibt sich daraus, daß alle jemals aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den heutigen Grenzen gemeldeten Wildbienenarten verzeichnet sind.
- Die Vorbemerkung zur Liste, "In den knapp acht Jahren seit dem Erscheinen der letzten Checkliste der Wildbienen Deutschlands (SCHEUCHL & SCHWENNINGER 2015) haben sich eine Vielzahl von Veränderungen ergeben, [...] auch durch nomenklatorische Änderungen", unterstellt Veränderungen quasi aus sich selbst heraus. Änderungen "ergeben sich" jedoch nicht, sondern werden mit bestimmter Absicht herbeigeführt – etwa die Aufspaltung der Wollbienen (Anthidium) in der Tribus Anthidiini: "Danach kommen aktuell in Deutschland fünf Gattungen nestbauender Anthidiini vor (Anthidiellum, Anthidium, Pseudoanthidium, Rhodanthidium, Trachusa) und eine parasitäre Gattung (Stelis)." Abgesehen von der unpräzisen Formulierung (nicht Gattungen als taxonomische Konstrukte "kommen vor", sondern Arten): Solches Aufteilen in immer mehr Gattungen nährt sich aus der irrigen Vorstellung, die Nomenklatur könne (solle) einen phylogenetischen Baum mit all seinen Verzweigungen exakt und für alle Pflanzen- und Tiergruppen einheitlich abbilden. Genetische Untersuchungen haben sich jedoch als nicht so zuverlässig erwiesen wie geglaubt oder erhofft, und die Zusammenfassung verwandter Arten und die Zuordnung eines monophyletischen Taxons zu einer bestimmten Rangstufe der biologischen Systematik – Untergattung oder Gattung? Tribus oder Unterfamilie? etc. – sind willkürlich, weil im Ermessen des Beschreibers, also zwangsläufig uneinheitlich. Nichts ist gewonnen durch die Aufteilung der Gattung Anthidium in sechs gleichrangige Taxa, also die Erhebung der Anthidium-Untergattungen in den Gattungsrang – im Gegenteil: Wer jetzt Anthidium liest, kann darunter alle Wollbienen verstehen (wie bisher) oder nur die sechs verbleibenden, und wer sich in einem alphabetisch geordneten Bienen-Bestimmungsbuch über Wollbienenarten informieren will, "darf" sie unter A, P, R, S oder T suchen. Das Zerteilen in immer kleinere Gattungen mit oft wenigen Arten – manchmal nur einer – ist im übrigen nicht das, was Linné mit der binären Nomenklatur einst bezweckte.
- Vollends mißraten ist der Ausflug in die Linguistik, wenn die Autoren zum Gattungsnamen Coelioxys (entspr. auch zu Dioxys) erklären: "Bei der Bildung des Gattungsnamens hat LATREILLE fälschlicherweise die maskuline Form des Adjektivs, nämlich „oxýs”, gebraucht, statt die korrekte feminine Form „oxeía” [...]." Da laut ICZN-Regeln "die Endung des Gattungsnamens dessen Geschlecht bestimmt", sei Coelioxys rückwirkend grammatisch männlich, und die Artepitheta müßten diesem Genus folgen (Coelioxys afer etc.).
Einem verdienten Entomologen und sicherlich Kenner der klassischen Sprachen nach zwei Jahrhunderten einen linguistischen Fehler zu unterstellen ist nicht nur anmaßend, sondern zeugt auch von linguistischer Unkenntnis: Als Latreille aus zwei altgriechischen Morphemen – einem Substantiv und einem Adjektiv – ein (zuvor inexistentes) neues Substantiv komponierte, existierte im selben Moment kein freies Adjektiv mehr, sondern nur noch das Kompositum. Komposita unterliegen aber im Inneren grundsätzlich nicht den Syntaxregeln zur Kongruenz von Satzgliedern, sie bestehen vielmehr aus einem Kopf (bzw. Kern, hier: coelia), der die Eigenschaften des gesamten Kompositums bestimmt, und weiteren, vom Kopf abhängigen Bestandteilen, etwa Adjektiven; letztere sind in Komposita unflektierbar eingefroren (meist in der Nennform = der lexikografischen Zitierform), sie besitzen also weder Numerus noch Genus noch Kasus, wie z. B. die Übersetzung von Coelioxys, der Spitzbauch (nicht *Spitzebauch oder *Spitzerbauch), und der Grand-Place (nicht *Grande Place) der belgischen Hauptstadt zeigen. Komposita, egal welcher Wortklasse, sind also wie alle Wörter als unantastbare Einheiten zu behandeln. Hinzu kommt:
Das Genus ("grammatische Geschlecht") eines Substantivs – ob Kompositum oder nicht – wird keineswegs von dessen Endung bestimmt, sondern allein von seinem Gebrauch, und dieser wurde von Latreille durch die Neuprägung des Kunstwortes Coelioxys initiiert und festgelegt. Ein Suffix kann zwar oft mit einiger statistischer Wahrscheinlichkeit das Genus eines Substantivs vermuten lassen, bestimmt es aber nicht (latein. Beispiele: mater, pater, ordo, virgo, cãsus, genus, tribus etc.; altgriech.: φιλος / philos, νησος / nesos; deutsch: Mutter, Vater, der Apfel, die Zwiebel, das Schnitzel etc.). Wer dennoch behauptet, Coelioxys hätte aufgrund der Endung -ys das falsche Genus, müßte aus demselben Grund einem maskulinen Gattungsnamen wie z. B. Agricola (latein. 'der Bauer') nicht maskuline, sondern feminine Artepitheta folgen lassen: z. B. Agricola afra etc.; und wer glaubt, die Endungen von acht Artepitheta ändern zu müssen, muß plausibel erklären können, warum er nicht das "falsche" Suffix nur des Gattungsnamens "korrigiert": Coelioxeía.
- 138. "Conservation Gardening" (04.09.2023)
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Gefährdete Arten (abs./%) | 0 | 1 | 2 | 3 | G | 0–G | R | V |
Baden-Württemberg | 89 | 119 | 227 | 235 | 45 | 36% | 60 | 180 |
Bayern | 78 | 168 | 351 | 469 | 104 | 43% | 268 | NA |
Berlin | 247 | 196 | 93 | 68 | 19 | 52% | 9 | 73 |
Brandenburg | 131 | 227 | 197 | 177 | 82 | 41% | 73 | 154 |
Bremen | 110 | 122 | 213 | 261 | 23 | 40% | 77 | 85 |
Hamburg | 168 | 189 | 106 | 93 | 13 | 52% | 54 | 45 |
Hessen | 131 | 88 | 138 | 132 | 7 | 36% | 137 | 118 |
Mecklenburg-Vorpommern | 108 | 255 | 179 | 141 | 8 | 45% | 100 | 82 |
Niedersachsen | 110 | 122 | 213 | 261 | 23 | 40% | 77 | 85 |
Nordrhein-Westfalen | 116 | 89 | 246 | 297 | 15 | 42% | 60 | 13 |
Rheinland-Pfalz | 130 | 73 | 243 | 217 | 37 | NA | NA | NA |
Saarland | 138 | 75 | 86 | 105 | 0 | 28% | 21 | 101 |
Sachsen | 164 | 296 | 116 | 167 | 20 | 46% | 40 | 149 |
Sachsen-Anhalt | 104 | 161 | 194 | 301 | 11 | 42% | 41 | 87 |
Schleswig-Holstein | 100 | 249 | 165 | 150 | 9 | 45% | 21 | 127 |
Thüringen | 101 | 136 | 287 | 231 | NA | 41% | 55 | 216 |
Unter der Überschrift "Conservation Gardening: Grünflächen in Deutschland könnten deutlich größeren Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten" schreibt die Universität Leipzig in ihrer Pressemitteilung 2023/151: "Auf privaten und öffentlichen Grünflächen in Deutschland könnten rund 40 Prozent der rückläufigen und gefährdeten heimischen Pflanzenarten gepflanzt werden und wären damit für Conservation Gardening geeignet."
- Originalpublikation: Munschek, Marius & Reinhard Witt, Katrin Kaltofen, Josiane Segar, Christian Wirth, Alexandra Weigelt, Rolf A. Engelmann & Ingmar R. Staude (2023): "Putting conservation gardening into practice" in: Scientific Reports 13, Article number: 12671
- Für Conservation Gardening geeignete Pflanzen mit Filtern für die Bundesländer, Gefährdungsgrade und Ansprüche an Licht, Wasser, Nährstoffe, PH-Wert etc.
- Download der Roten Listen der 16 deutschen Bundesländer
- Die Roten Listen der 16 Bundesländer wurden in den Jahren 1988 bis 2021 publiziert, was Vergleiche der Artenzahlen erschwert. Die 7 Gefährdungskategorien haben sie gemeinsam:
0 | Ausgestorben oder verschollen |
1 | Vom Aussterben bedroht |
2 | Stark gefährdet |
3 | Gefährdet |
G | Gefährdung unbekannten Ausmaßes |
R | Extrem selten |
V | Vorwarnliste |
- 137. Förster et al.: "Metabarcoding versus morphologische Identifizierung:
der Herausforderung gewachsen?" (20.06.2023)
Unter diesem Titel veröffentlichen Timo Förster, Frank Creutzburg, Eric Anton, Andreas Weigel & Matthias Hartmann in der Entomologischen Zeitschrift · Schwanfeld 133 (2): 103–116 einen 14seitigen Artikel über eine Barcoding-Methode, die als "Metabarcoding" bekannt ist: In der Erforschung der Biodiversität einer Region fallen etwa in Malaise-Fallen regelmäßig große Insektenmengen an, deren Individuen sich aus Personal- und Zeitmangel kaum einzeln morphologisch oder durch Barcoding (DNA-Extraktion, Polymerase-Kettenreaktion, Sequenzierung) einer Art zuordnen lassen. Deshalb soll es nun DNA-Metabarcoding ermöglichen, alle gesammelten Arthropoden als Ganzes (als "Paket") zu untersuchen, um die gesamte Artengemeinschaft eines Habitats auf Artebene zu bestimmen. Dafür werden kleine standardisierte Gen-Fragmente parallel sequenziert, die erhaltenen DNA-Sequenzen durch Algorithmen sortiert und durch Abgleich mit einer Referenzdatenbank den darin registrierten Arten zugeordnet.
Um die Leistungsfähigkeit des Metabarcodings zu testen, haben die Autoren als Referenz in einer Sammelprobe 579 Insektenarten aus 12 Ordnungen (zusätzlich zwei Spinnen) morphologisch bestimmt und dann daraus drei vollkommen identische Mischproben erstellt. Je eine der Proben übergaben sie zur Auswertung zwei Firmen, die deren (identischen) Inhalt untersuchten und zwei Listen erstellten, die mit dem bereits bekannten Inhalt der Proben verglichen wurden. Das Ergebnis:
Die beiden Firmen erkannten nur 56% bzw. 35% der enthaltenen 579 Insektenarten, 62% wurden von mindestens einer der Firmen erkannt, die übrigen nicht nachgewiesen, obwohl sie in beiden Proben wie der Vergleichs-Datenbank enthalten waren. Andererseits wurden sehr viele Arten genannt, die gar nicht in der jeweiligen Probe enthalten waren: Die Liste einer der beiden Firmen nannte insgesamt 1.260 Arten, von denen nur 324 tatsächlich in der eingereichten Probe enthalten waren; im Falle der anderen Firma waren es 478 bzw. 203.
- 136. Die "BAG Hymenoptera" des NABU veröffentlicht ein Positionspapier zur Rolle der Honigbiene (11.05.2023)
Die "Bundesarbeitsgemeinschaft Hymenoptera" des Naturschutzbundes Deutschland e. V. veröffentlicht ein Positionspapier mit dem Titel "Honigbienen in Naturschutzgebieten – eine ernsthafte Gefahr für Wildbienen?". Die BAG reklamiert für den NABU "einen auf naturwissenschaftlichen Fakten beruhenden Naturschutz", und sie sieht in den Imkern "die wichtigsten Verbündeten des NABU im Kampf für den besseren Schutz insbesondere der Naturschutzgebiete". Die Honigbiene sei eine "einheimische Bienenart und somit fester Bestandteil in jedem natürlichen Bestäubernetzwerk" sowie "Naturbotschafterin". Auszüge aus dem Text nebst Kommentaren finden sich in der Sektion "Wildbienenschutz" auf der Seite "Pseudoschutz".
- 135. Wildbiene des Jahres 2023: die "Frühlings-Seidenbiene" (Colletes cunicularius) (19.01.2023)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" im Arbeitskreis Wildbienen-Kataster Baden-Württemberg (Entomologischer Verein Stuttgart 1869 e.V. am Naturkundemuseum Stuttgart) kürt für 2023 Colletes cunicularius, die "Frühlings-Seidenbiene". Das namengebende Gattungsmerkmal der Seidenbienen (Colletes spec.) ist die cellophanartige bzw. "seidige" Auskleidung ihrer Brutzellen mit Drüsen-Sekreten. Von ihren Gattungsgenossen unterscheidet sich Colletes cunicularius durch eine dichte einfarbig bräunliche Behaarung und das Fehlen kontrastreicher Hinterleibsbinden, und mit bis zu 14 mm Länge ist sie nicht nur die größte unserer Seidenbienen, sondern auch die früheste: Sie fliegt schon im März und sammelt bis April/Mai vor allem den Pollen der dann blühenden Weiden. Trotz dieser weitgehenden Pollen-Spezialisierung (Oligolektie) ist die Art nicht gefährdet und vielerorts – auch im Siedlungsbereich – in meist großer Zahl nistend anzutreffen, oft zusammen mit der ebenfalls oligolektischen Sandbiene Andrena vaga.
- 134. 15th Conference of the Parties to the Convention on Biological Diversity (COP-15, Part 2) (07.–19.12.2022)
Die Konvention über die biologische Vielfalt – Convention on Biological Diversity (CBD) – ist ein internationales Übereinkommen und das wichtigste zur Erhaltung der Biodiversität. Es war auf der "UN-Konferenz von Rio" (Earth Summit, 'Erdgipfel') im Juni 1992 vereinbart worden, trat am 29.12.1993 in Kraft und verfolgt drei gleichrangige Ziele: die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und ein gerechter, gleichberechtigter Anteil am Nutzen, der aus den genetischen Ressourcen entsteht. Die erste Konferenz der CBD, die COP 1 (Conference of the Parties = 'Treffen der Vertragsstaaten'), fand vom 28. November bis 9. Dezember 1994 in Nassau (Bahamas) statt.
Die 15. Konferenz war für Oktober 2020 in China geplant, wurde aber aufgrund der COVID-19-Pandemie verschoben und geteilt: Im Oktober 2021 fand ein erster Teil virtuell statt, im Dezember 2022 folgt nun als Präsenzveranstaltung unter chinesischer Präsidentschaft der zweite Teil im kanadischen Montréal, wo die Konvention über ein ständiges Sekretariat verfügt.
Nach zweiwöchigen Verhandlungen einigen sich die Repräsentanten von rund 200 Staaten am letzten Tag auf eine Abschlußerklärung: Bis 2030 sollen mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden, für den Schutz der Artenvielfalt soll mehr Geld ausgegeben werden, reichere Länder sollen ärmere bis 2025 mit rund 20 Milliarden Dollar jährlich unterstützen, die Belastungen von Mensch und Umwelt durch Pestizide soll bis 2030 halbiert, umweltschädliche Subventionen abgebaut werden; betont wird die Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinden in weltweiten Naturschutzbemühungen. Gleichzeitig bemängeln Beobachter und Naturschützer das Fehlen konkreter, meßbarer Ziele, die den durch Landwirtschaft, Fischerei und Handel verursachten Verlust der Biodiversität stoppen könnten, während einige (vor allem afrikanische) Staaten selbst halbherzige Ziele ablehnen.
- 133. IDW-Studie zum Konflikt "Wildbienen vs. Honigbienen" (14.02.2022)
Der Informationsdienst Wissenschaft e.V. (idw) verfolgt vorrangig zwei Ziele: ein Netzwerk zwischen rund 1.000 angeschlossenen wissenschaftlichen Einrichtungen zu unterhalten und der Öffentlichkeit ein umfassendes Bild der deutschsprachigen Wissenschaft zu vermitteln. Die Internetplattform des idw ermöglicht kostenfrei Archiv-Recherche und das Abrufen von Pressemitteilungen und Terminen. Eine heutige Pressemitteilung referiert und kommentiert unter der Überschrift "Zu viel Imkerei in Schweizer Städten könnte sich nachteilig auf Bestäuber auswirken" eine neue Studie der
Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Die Autoren Dr. Marco Moretti und Joan Casanelles Abella haben in einem Rechenmodell die Anzahl der Bienenstöcke in vierzehn Schweizer Städten mit dem dortigen Blütenagebot verglichen und festgestellt, daß sich die Menge der Imkereistandorte zwischen 2012 und 2018 von insgesamt 3139 auf 9370 beinahe verdreifacht hatte. Die Schlußfolgerung: "Wir müssen uns eine clevere Strategie ausdenken, um die Dichte der Bienenstöcke zu kontrollieren, so wie man es auch bei anderen Nutztieren tut, ohne dabei den guten Willen der Menschen negativ zu beeinflussen." Kommentar:
Die Studie bestätigt, was eigentlich vorher schon klar war: Jedes Pollenkorn wie auch jeder Nektartropfen kann nur einmal geerntet werden: von einer Wildbiene oder Honigbiene. Leider ist die Pressemitteilung nicht fehlerfrei: Holzbienen (insbesondere die Männchen) sammeln keinen Nektar, sondern trinken ihn nur; eine "farbenfrohe Blumenwiese" ist vor allem eine Pollenquelle, erst in zweiter Linie "eine wichtige Nektarquelle"; nicht alle Bienen sind "Bestäuber" (ein Modewort, das nützlich von unnütz trennt), aber gleichwohl schützenswert.
- 132. Wildbiene des Jahres 2022: die "Rainfarn-Maskenbiene" (Hylaeus nigritus) (13.01.2022)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres", eine Arbeitsgruppe innerhalb des Wildbienen-Katasters (einer Sektion des Entomologischen Vereins Stuttgart 1869 e.V. am Naturkundemuseum Stuttgart), wählt seit 2013, also nun zum 10. Mal, die "Wildbiene des Jahres". Für 2022 soll es Hylaeus nigritus sein, die "Rainfarn-Maskenbiene". Hylaeus-Arten gehören mit maximal 9 mm Körperlänge zu den kleinen Bienenarten; "Maskenbienen" werden sie im Deutschen aufgrund der auffällig großen gelblichen bis weißen Gesichtsmaske der Männchen genannt. Hylaeus nigritus läßt sich von anderen Vertretern der Gattung gut durch seine jeweils überdurchschnittliche Körpergröße und elfenbeinweiße Maske unterscheiden. Erleichtert wird die sichere Artbestimmung durch den Blütenbesuch an Korbblütlern (Asteraceae) der Unterfamilie Asteroideae, insbesondere am Rainfarn (Tanacetum vulgare), aber auch an Margerite (Leucanthemun vulgare), Wiesen-Schafgarbe (Achillea millefolium) etc. Hylaeus-Weibchen besitzen keine Sammelbürsten (Scopae), sie transportieren deshalb den Pollen im Kropf und spucken ihn zusammen mit dem aufgenommenen Nektar im Nest wieder aus.
- 131. Projekt "MehrArtenRäume" der Stadt Solingen (10.01.2022)
Die Stadt Solingen im Bergischen Land betreibt bis Juni 2024 das Projekt "MehrArtenRäume", welches das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit einem Gesamt-Finanzvolumen von 345.000 € fördert und auf seiner Website vorstellt. Im Januar 2022 schreibt der Stadtdienst Natur und Umwelt an potentiell Interessierte:
Nun ist es soweit: Im Projekt MehrArtenRäume werden wir gemeinsam fünf Pilotflächen – je Stadtbezirk eine Fläche – auswählen, um gute Lebensbedingungen für verschiedene Insekten zu schaffen und die Flächen attraktiv für kleine und große Menschen zu gestalten.
Im Anhang findest Du die Flächen, die bis jetzt in der Vorauswahl gelandet sind. So kannst Du dir die Fläche in deinem Bezirk schon mal anschauen und dir überlegen, welche dein Favorit ist. Falls Du noch eine gute Idee für eine Fläche hast, kannst Du auch diese gerne vorschlagen. [...]
Bei den MehrArtenTreffen können alle mitmachen, die sich für Natur, draußen sein, Insekten, Pflanzen oder Artenschutz interessieren. Wir sprechen zusammen über die Flächen und sammeln Ideen, wie sie umgestaltet werden könnten. Im Anschluss stimmen wir ab, welche Fläche im Bezirk ein MehrArtenRaum wird!
Auf einer eigenen Website (mehrartensolingen.de) formuliert die Kommune später: "Das Projekt 'MehrArtenRäume' der Stadt Solingen möchte innerstädtische Grünräume gleichermaßen für Menschen und Insekten verbessern. Dabei sollen sowohl die Anwohnerinnen und Anwohner als auch umliegende Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen mitreden, wenn es um die künftige Entwicklung einzelner Flächen geht. Die Biologische Station Mittlere Wupper schließlich schaut mit ihren Biologen welche Insekten sich bei einer Entwicklung der Flächen hier am wohlsten fühlen." Kommentar:
"Mehr Arten" und ihre Lebensräume zu schützen und auf Dauer zu erhalten ist ein lobenswertes Ziel, das eine Kommune auf wissenschaftlicher Grundlage durchaus erreichen kann: Sie beauftragt kompetente Botaniker und Zoologen, die innerstädtischen Lebensräume zu erfassen, zu kartieren und ökologisch zu bewerten, um ungeachtet politischer Stadtteilgrenzen und Interessen ein langfristiges Gesamtkonzept zu bestimmen, das zugleich den Rahmen setzt für dringende Sofortmaßnahmen zur Erhaltung akut gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Damit allerdings hat das Projekt "MehrArtenRäume" nichts zu tun: Eine von der Verwaltung bestimmte "Pilotfläche" je Stadtbezirk und die Beteiligung einiger interessierter Laien an ihrer "Entwicklung" zielt nicht auf Artenschutz, sondern auf – durchaus begrüßenswerte – Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Infrastruktur. Wenn die Biologische Station schließlich einige Insekten identifizieren soll, die sich "hier am wohlsten fühlen", so haben die gekürten Bienen (?) eigentlich nur die Funktion von Maskottchen, vergleichbar mit dem Geißbock Hennes des 1. FC Köln, der mit Fußball originär so wenig zu tun hat wie ein Insekt mit einem Kinderspielplatz. Dieses Projekt vom Bundesamt für Naturschutz finanzieren zu lassen zeugt von der Findigkeit der Solinger Verwaltung, zugleich aber vom Unvermögen der Bundesregierung bzw. ihres Uumweltministeriums, echten Naturschutz zu betreiben.
- 130. Studie zum "Bienenstern" (Bidens ferulifolia), "Balkonpflanze des Jahres" (28.09.2021)
Die amtierende Bundeslandwirtschaftsministerin (Julia Klöckner, CSU) propagierte im April 2021 den vom Landesverband Gartenbau Rheinland-Pfalz e.V. zur "Balkonpflanze des Jahres" gekürten und "für Bienen attraktiven Bienenstern" (Bidens ferulifolia) , einen aus Nordamerika stammenden Korbblütler (Asteraceae, Unterfamilie Asteroideae). Der renommierte Wildbienen-Experte Dr. Paul Westrich präsentiert nun auf seiner Website eine Studie "Zur Bedeutung von Bidens ferulifolia (Fenchelblättriger Zweizahn) als Nahrungsquelle von Wildbienen". Sein Fazit: "Auch wenn einige ausgesprochen anpassungsfähige Bienenarten und eine auf Korbblütler spezialisierte Art Bidens ferulifolia als Nektar- bzw. als Pollenquelle nutzen, so hat diese nicht heimische Zierpflanze mit ihren unzähligen, farbenprächtigen und daher beliebten Sorten nur eine geringe Bedeutung als Nahrungspflanze von Wildbienen."
- 129. Zwei neue Bienenarten für Deutschland (07.06. + 01.09.2021)
Wildbienen-Experten konnten in der zweiten Jahreshälfte zwei in Deutschland neue und mittlerweile etablierte Bienenarten nachweisen:
- Hopfenmüller, Sebastian & Bernhard Hoiß, Johann Neumayer & Hans Schwenninger (2021): "Zweitnachweis von Anthophora crinipes SMITH, 1854 für Deutschland (Hymenoptera, Anthophila)" in: NachrBl. bayer. Ent. 70 (3/4), 2021, S. 128–131. — Nachdem am 7. Mai 2019 an den Donauleiten bei Jochenstein (Landkreis Passau) ein Weibchen dieser Art nachgewiesen werden konnte, wurden am 7. Juni 2021 in Laufen an der Salzach mehrere Pelzbienen-Weibchen gefangen und als Anthophora crinipes bestimmt. Mit ihren mehr oder weniger deutlichen Binden und schwarzem Gesicht ähneln sie anderen Anthophora-Arten; die weißen Scopae sind zusammen (!) mit den breiten, hell durchscheinenden Tergit-Endrädern und den dunkelbraunen Spornen an den hinteren Tibien Erkennungsmerkmale der Anthophora-crinipes-Weibchen, die zudem mit 12–13 mm geringfügig größer sind als A. quadrimaculata und etwas kleiner als A. aestivalis, A. plumipes und A. retusa. A.-crinipes-Männchen ähneln denen der häufigen A. plumipes, die langen Haare am Metatarsus sowie 2.–4. Tarsen-Glied sind jedoch bei A. crinipes beidseitig vorhanden und hell, bei A. plumipes hingegen schwarz und nur am Hinterrand vorhanden. A.-aestivalis- und A. retusa-Männchen besitzen am Metatarsus beidseitig nur eine schwarze Franse, keine langen Haare sowie eine kleine kahle Stelle auf dem letzten Tergit.
- Reder, Gerd (2021): "Weiterer Nachweis von Anthidium florentinum (Fabricius) in Deutschland (Hymenoptera: Megachilidae)" in: Mitt. Ent. Ver. Stuttgart, Jg. 56 (1/2), 2021, S. 61–64. — Bereits 2008 und 2018 war diese Wollbiene erstmals in Heilbronn bzw. Flörsheim-Dalsheim gefunden worden, der dritte Nachweis gelang am 1. September 2021 in Mannheim. Im Unterschied zur häufigen Anthidium manicatum war die Gelbzeichnung des "Buckels" (Mesonotum bzw. Scutum) beim Mannheimer Anthidium-florentinum-Weibchen geringer ausgeprägt, und die gelben Tergit-Flecken bzw. -Streifen waren deutlich kürzer. Die Unterscheidung der beiden gleichgroßen Arten bleibt jedoch schwierig.
- 128. VDI-Projekt "Wildbienen Id BienABest": App zur Wildbienen-Bestimmung (28.06.2021)
Die Bundesumweltministerin (Svenja Schulze, SPD) überreicht im Rahmen ihrer Sommerreise in Aachen "einen Förderbescheid für ein Projekt, das neue Finanzierungsmodelle für Blühstreifen im Ackerland entwickeln soll", und gibt den "Startschuß" für die App "Wildbienen Id BienABest" zur Bestimmung von Wildbienenarten. Diese App stammt, wie die VDI nachrichten des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI e.V.) einen Tag später berichten, "aus dem Projekt „BienABest“, mit dem der VDI und die Universität Ulm gemeinsam den Rückgang der Wildbienen stoppen und deren Bestäubungsleistung nachhaltig sichern und wieder steigern möchten." () Das systematische "Langzeit-Monitoring für Wildbienen" lasse sich laut Pressemitteilung des BMU "durch eine bestandsschonende Bestimmung von Wildbienen im Feld unterstützen." Die VDI nachrichten erläutern: "Mit dem praktischen Bestimmungstool fürs Smartphone können auch Laien in freier Natur beobachtete Wildbienen einfach und sicher der richtigen Art zuordnen. In der App der Firma Sunbird finden sich detailreiche Fotos des Wildbienenexperten Hans Schwenninger von 101 Bienenarten, wobei Körperform, Farbe des Hinterleibs und Behaarung besonders deutlich dargestellt sind. Durch das Gegenüberstellen und Vergleichen von Fotos lassen sich zudem ähnliche Arten gut auseinanderhalten." Kommentar:
- Von ca. 570 Bienenarten in Deutschland (einschließlich der seltenen) sollen 101 durch Fotos bestimmbar sein!? Erkennt ein App-Nutzer, ob "seine" Biene unter den 101 Arten ist?
- Erste Tests durch Experten, die Bienenarten aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung bestimmen können, ergab Trefferquoten von unter 50%, was auch nicht anders zu erwarten war: Die Aufgabe ist für eine solche App viel zu komplex, ohne binären Schlüssel, Kenntnisse der Phänologie und Ernährung sowie Erfahrung "im Feld" lassen sich Bienen nicht sicher bestimmen – auch nicht durch deutliche Darstellung von "Körperform, Farbe des Hinterleibs und Behaarung".
- Den geringen Nutzen der App hätte auch die Ministerin erkennen können, wenn sie von Wildbienen ausreichende Kenntnisse hätte. Das aber ist weder der Fall noch ihre Absicht: Die mit "BienABest" beabsichtigte "standardisierte Erfassung von Wildbienen zur Evaluierung des Bestäuberpotenzials in der Agrarlandschaft" nimmt Bienen vorrangig nicht als Vielfalt von Arten mit vielen unterschiedlichen Biologien wahr, sondern mit verengtem Blick als Träger von "Bestäuberpotenzial" (welches etliche und ebenso schützenswerte Arten nicht einmal haben). Zudem ergeben sich aus "Erfassung" und "Evaluierung" automatisch weder Schutz noch Bestäubung – genau hier aber versagt die Politik.
- Daß ein Projekt nur neue "Finanzierungsmodelle" für Blühstreifen entwickeln "soll", macht deutlich, wie weit die Politik von konkretem und effektivem Naturschutz entfernt ist.
- Der Konrad Lorenz zugeschriebene Spruch "Man liebt nur was man kennt, und man schützt nur was man liebt." könnte sich durch eine funktionierende App bewähren – wenn es diese denn gäbe. Allerdings kann ein Naturfreund Wildbienen durchaus schätzen und schützen, ohne ihre (vielen oder häufigsten) Arten auseinanderhalten zu können.
- 127. HLNUG: erste Rote Liste der hessischen Goldwespenarten (11.05.2021)
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) veröffentlicht die erste Rote Liste der hessischen Goldwespenarten, die von Dr. Ulrich Frommer und Stefan Tischendorf in Zusammenarbeit mit dem HLNUG erstellt wurde. In seiner Pressemitteilung führt das Landesamt aus: "Von den 74 in Hessen vorkommenden Goldwespenarten sind 36 Prozent (26 Arten) im Bestand gefährdet, sie werden in die Kategorien „1 – Vom Aussterben bedroht“, „2 – Stark gefährdet“, „3 – Gefährdet“ und „G – Gefährdung unbekannten Ausmaßes“ eingestuft. Hauptursache ist der Verlust an Lebensraum, aber auch der Einsatz von Insektiziden gefährdet die Goldwespen und ihre Wirtstiere. Durch den Nährstoffeintrag aus der Luft und durch landwirtschaftliche Düngemittel verschwinden beispielsweise für Goldwespen und ihre Wirte wichtige nährstoffarme Lebensräume. Unter dem Verlust an Lebensraum leiden insbesondere diejenigen Arten, die auf vegetationsfreie bzw. offene Böden, etwa in Sandtrockenrasen oder Sandpionierrasen in den hessischen Flugsandgebieten, angewiesen sind." Anmerkung: Zu den Wirten der Goldwespen (Chrysididae) zählen auch einige Wildbienen.
- 126. Julia Klöckner (BMEL) stellt den "Bienenstern" als "Balkonpflanze des Jahres" vor (17.04.2021)
Die Bundeslandwirtschaftsministerin (Julia Klöckner, CSU) stellt zusammen mit dem Landesverband Gartenbau Rheinland-Pfalz e.V. die von diesem gekürte "Balkonpflanze des Jahres" vor: den "Bienenstern" (Bidens ferulifolius oder ferulifolia). Der Korbblütler (Asteraceae) gehört in die mit ca. 250 Arten vor allem in Amerika und Afrika verbreitete Gattung Bidens, was 'Zweizahn' bedeutet und sich auf den zu zwei Borsten reduzierten Pappus an den Früchten bezieht, die leicht am Fell von Säugern hängenbleiben und so verbreitet werden. Die Neuzüchtung aus der in Arizona, Texas und Mexiko beheimateten Art heißt original "Tiger Bee", deutsche Namen sind "Ferula-Zweizahn" und "Goldmarie" ... und "Bienenstern". Das "agrar presseportal" behauptet unter der Überschrift "Bienenbuffets statt Steinwüsten": "Bidens-Arten, und insbesondere die Sorte „Bienenstern“, werden von Insekten sehr stark beflogen. Insbesondere Honig- und Wildbienen werden von Bidens-Arten angezogen. Sie eignet sich sowohl als Balkonpflanze als auch für den Beeteinsatz." Julia Klöckner wird zitiert mit den Worten: "Blumen machen nicht nur Balkon und Garten farbenfroh, sie sind vor allem eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten. Der für Bienen attraktive Bienenstern ist deshalb zurecht Balkonpflanze des Jahres. Mit bienenfreundlichen Blumen kann jeder, der einen Garten oder Balkon hat, einen Beitrag zur Biodiversität leisten." Kommentar:
Seit Jahrzehnten versuchen Naturschützer, die heimische Flora zu fördern und die Verbreitung exotischer (oft genug invasiver) Pflanzen zu verhindern. Wildbienen-Freunde und andere Artenschützer werben für naturnahe Gärten und zeigen mit eindrucksvollen Beispielen, daß man selbst auf dem Balkon einen kleinen Beitrag zum Schutz heimischer Insektenarten leisten kann. Die Landwirtschaftsministerin hat wie ihre Vorgänger () das Talent, solche Bemühungen mit einem Schlag zunichte zu machen: Die absurde Behauptung, man könne (und solle) auf dem Balkon mit einer amerikanischen Zierpflanze "einen Beitrag zur Biodiversität leisten", ist bestenfalls ein Beleg für völlige Ahnungslosigkeit – schlimmstenfalls für die instinktlose Bereitschaft, sich für wirtschaftliche Interessen instrumentalisieren zu lassen. Es ist kein Ausdruck überragender Intelligenz oder übertriebenen Argwohns, hinter der Namensschöpfung "Bienenstern" für eine exotische Neuzüchtung einen plumpen Marketingtrick zu erkennen. Sollte es die Aufgabe eines verantwortlichen Ministers sein, mit den Möglichkeiten seines Ressorts neu gezüchtete Zierpflanzen zu propagieren – oder die gefährdete heimische Pflanzen- und Tierwelt zu schützen?
- 125. Rijksvastgoedbedrijf: Honingbijkasten op heideterreinen (März 2021)
Im Auftrag der Reichsimmobilienverwaltung der Niederlande haben drei Entomologen den Einfluß von Honigbienen-Ständen auf Wildbestäuber auf verschiedenen Truppenübungsplätzen in den Niederlanden untersucht. Das Ergebnis: Rund um die Bienenstöcke ist die Zahl der übrigen Bestäuber-Insekten deutlich reduziert, statistisch abgesichert. Der Konkurrenzdruck nimmt mit der Zahl der aufgestellten Bienenvölker stark zu, ihr Einfluß reicht über vier Kilometer Entfernung um die Bienenstände herum. Interessant ist ein "Konkurrenzdruck-Rechner" zur Berechnung der maximal vertretbaren Anahl von Honigbienenstöcken: Hiervoor is de volgende informatie nodig: oppervlakte van het heidegebied, oppervlakte met bloeiende heide en aantal locaties waar bijenkasten geplaatst gaan worden. Hoe meer locaties, des te hoger de druk op het heideveld en daarom des te lager het aanbevolen aantal kasten in totaal. ('Fläche des Heidegebietes, Fläche mit blühender Heide und Anzahl der Orte, an denen Bienenstöcke aufgestellt werden. Je mehr Standorte, desto höher der Druck auf die Heide und damit umso geringer die empfohlene Anzahl Bienenstöcke insgesamt.')
Quelle: Smit, John T. & Theo Zeegers & Linde Slikboe (2021): Richtlijn plaatsing Honingbijkasten op heideterreinen van defensie. EIS Kenniscentrum Insecten, Leiden.
- 124. Änderung des Naturschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung geplant (10.02.2021)
Das Bundeskabinett legt einen Gesetzentwurf zu Neuregelungen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) vor und beschließt Änderungen der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung: Artenreiche Biotope sollen als Lebensräume für Insekten erhalten bleiben, auch die Lichtverschmutzung als Gefahr für nachtaktive Insekten könne künftig eingedämmt werden, der Einsatz von Glyphosat werde zunächst stark eingeschränkt und Ende 2023 ganz verboten, in Schutzgebieten auch der Einsatz zahlreicher anderer Pflanzenschutzmittel.
- 123. "Hochwertige Lebensräume statt Blühflächen · In wenigen Schritten zu wirksamem Insektenschutz" (02.01.2021)
In der Zeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung erscheint eine ausführliche Studie über den Wert von Blühflächen als Beitrag zum Insektenschutz. Blühstreifen bzw. -flächen liegen seit geraumer Zeit im Trend: In den Medien als vorbildlich dargestellt und von der EU in der Landwirtschaft gefördert, werden sie von Kommunen ebenso wie umweltgetriebenen Bürgern als schnelle und einfache Lösung gegen das Insektensterben realisiert – oft mit nichtheimischen Kultur- und Zierpflanzen. Wie die Biologen Dr. Martin Sommer und Dr. Andreas Zehm allerdings aufzeigen, sind die Effekte für die Biodiversität oft gering und bezüglich des Erhalts der genetischen Vielfalt manchmal sogar schädlich. Ihre Arbeit zeigt auf Basis bisher vorliegender Untersuchungen in acht Schritten, wie Insekten durch fachgerechte Blühflächen und naturnahe Blumenwiesen und Säume wirklich geholfen werden kann.
- 122. Wildbiene des Jahres 2021: die "Mai-Langhornbiene" (Eucera nigrescens) (15.12.2020)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres", eine Arbeitsgruppe innerhalb des Wildbienen-Katasters (einer Sektion des Entomologischen Vereins Stuttgart 1869 in Baden-Württemberg), bestimmt für 2021 Eucera nigrescens, die "Mai-Langhornbiene". Das namengebende Merkmal der Langhornbienen, die auffällig langen Antennen, ist auf die Männchen beschränkt, die Weibchen kann man leicht mit Pelzbienen (Gattung Anthophora) verwechseln. Die 13–16 mm große "Mai-Langhornbiene" fliegt von April bis Juni: die Männchen deutlich vor den Weibchen und beide 2–3 Wochen früher als die "Juni-Langhornbiene" (Eucera longicornis). Die beiden Eucera-Arten sind oligolektisch: pollenspezialisiert auf Schmetterlingsblütler (Fabaceae): Wicken (Vicia spec.), Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis), Klee, Luzerne (Medicago sativa).
- 121. Wiesbauer et al.: Die Goldwespen Mitteleuropas: Biologie, Lebensräume, Artenportraits (08.10.2020)
Heinz Wiesbauer ist Wildbienenfreunden bereits durch sein Buch Wilde Bienen bekannt, das Anfang des Jahres im Ulmer Verlag erschien. Nun legt er zusammen mit Paolo Rosa, einem Goldwespen-Spezialisten, und Herbert Zettel vom Naturhistorischen Museum Wien im selben Verlag ein zweites Werk nach: Auf 256 Seiten präsentiert dieses die unglaublich farbenprächtige Familie der Chrysididae, die in Mitteuropa mit über 200 Arten vorkommen und dennoch der Öffentlichkeit kaum bekannt sind: Goldwespen sind Kuckuckswespen, die sich in den Brutzellen verschiedener Wirte entwickeln: Grabwespen und solitärer Faltenwespen, aber auch einiger Wildbienen. Ausführliche Steckbriefe und brillante Fotos informieren erstmals detailliert über die Biologie, insbesondere die Wirtsbeziehungen, die Verbreitung und Lebensräume aller mitteleuropäischen Arten; ein Schlüssel und Farbtafeln ermöglichen die Bestimmung bis aufs Gruppenniveau.
- 120. David Attenborough: A Life on Our Planet (04.10.2020)
Netflix ist 2020 nicht nur der erfolgreichste Anbieter kostenpflichtiger Livestreams, sondern auch Filmproduzent. Die neueste Produktion des Medienunternehmens ist ein filmisches Vermächtnis des mittlerweile 94jährigen britischen Naturforschers David Attenborough, der durch zahlreiche im Auftrag der BBC produzierte und preisgekrönte Naturdokumentationen (etwa The Life of Insects) weltweit längst eine Ikone des Naturschutzes geworden und daher auch dem deutschen Publikum wohlbekannt ist. Netflix wirbt für diesen Dokumentarfilm mit den Worten: "In this unique feature documentary, titled David Attenborough: A Life On Our Planet, the celebrated naturalist reflects upon both the defining moments of his lifetime and the devastating changes he has seen. [...] the film addresses some of the biggest challenges facing life on our planet, providing a snapshot of global nature loss in a single lifetime. With it comes a powerful message of hope for future generations as Attenborough reveals the solutions to help save our planet from disaster." Sehenswert! ( attenboroughfilm.com)
- 119. Studie belegt bundesweite Verbreitung von Pestiziden (29.09.2020)
Das bislang umfangreichste Meßprogramm zu luftgetragenen Pestiziden weist nach, daß Ackergifte auch weit abseits jener Flächen zu finden, auf denen sie ausgebracht wurden, und sich in Deutschland wahrscheinlich keine pestizidfreien Orte mehr finden lassen. Für die 2014 bis November 2019 durchgeführte Studie des Umweltinstituts München wurden u. a. neu entwickelte Passiv-Sammelgeräte eingesetzt, aber auch Filtermatten aus Be- und Entlüftungsanlagen von Gebäuden ausgewertet. In allen Proben von 163 Standorten in ganz Deutschland wurden 152 Wirkstoffe nachgewiesen, 138 davon aus der Landwirtschaft. () Rund 30 Prozent davon sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zugelassen.
Die Verbreitung der Pestizide – etwa Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, Terbuthylazin und Metolachlor – erfolgt nicht nur über die (sichtbare) Verdriftung von Sprühtröpfchen beim Ausbringen auf die Felder, sondern auch durch Gase, wenn die Spritzmittel trocknen, oder durch Aufwirbeln von Bodenpartikeln, mit denen sie sich fest verbunden haben, und den Ferntransport auch in höheren Luftschichten: So sind die Funde z. B. mitten im Nationalpark Bayerischen Wald zu erklären. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat als Konsequenz die Verwendung von Pestiziden nicht eingeschränkt, sondern ein eigenes Luftmeßprogramm angekündigt.
- 118. 50jährige Studie an migrierenden Schwebfliegen, Waffenfliegen und Schlupfwespen belegt extreme Rückgänge (September 2020)
Die Langzeitstudie des Entomologischen Vereins Krefeld zum Insektensterben ist nicht die einzige ihrer Art: Seit 1970 beobachtet die private Forschungsstation Randecker Maar e.V. auf der Schwäbischen Alb unter Leitung von Dr. h.c. Wulf Gatter nicht nur den Vogelzug, sondern untersucht auch die Wanderungen der Insekten. In einer neuen, 12seitigen Studie, veröffentlicht in der Entomologischen Zeitschrift ( Wissenschaftlicher Verlag Heinz Peks OHG), vergleichen die Wissenschaftler der Station ihre Befunde aus den 1970er und 1980er Jahren mit denen der Jahre 2014 bis 2019 und weisen bei Schwebfliegen (Syrphidae) einen Rückgang zwischen 85 und 97 Prozent nach: "Es ist damit die längste standardisierte Studie zum Thema." Wurden etwa im Hochsommer 1972 noch 10.000 Schwebfliegen pro Stunde registriert, so waren es 2017 nur 290. Schwebfliegen sind wie Bienen wichtige Bestäuber.
Gatter, Wulf, Hartmut Ebenhöh, Raoul Kima, Walter Gatter & Frank Scherer (2020): "50-jährige Untersuchungen an migrierenden Schwebfliegen, Waffenfliegen und Schlupfwespen belegen extreme Rückgänge (Diptera Syrphidae, Stratiomyidae, Hymenoptera: Ichneumonidae)" in: Entomologische Zeitschrift 130 (3): 131–142 .
- 117. Baden-Württemberg verbietet Schottergärten (01.08.2020)
In Baden-Württemberg sind Schottergärten, manchmal fälschlich als "Steingärten" bezeichnet, ab sofort nicht (mehr) zulässig – und das hat eine Vorgeschichte: Bereits 1996 wurde in der Landesbauordnung (LBO) des Landes die Regelung der Freiflächengestaltung in § 9 Abs. 1 zugunsten der Grünnutzung von einer Sollvorschrift zu einer zwingenden Vorschrift verschärft. Seit 2015 fordert diese Regelung zusätzlich die Begrünung baulicher Anlagen, wenn "eine Begrünung oder Bepflanzung der Grundstücke nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich" ist: Das Mikroklima sollte so verbessert und das Abwassersystem entlastet werden. Nun verbietet eine Novelle des Naturschutzgesetzes BW Schottergärten ausdrücklich: Sie sind ab sofort keine zulässige Verwendung von Freiflächen mehr. Die Gesetzesnovelle ist eine Reaktion auf das Volksbegehren "Rettet die Bienen".
- 116. "Volksinitiative Artenvielfalt" ab heute in NRW (23.07.2020)
Laut Mitteilung der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW e.V. (LAG 21) starten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund (NABU) und die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) um 11 Uhr vor dem Düsseldorfer Landtag ihre "Volksinitiative Artenvielfalt" in Nordrhein-Westfalen. Das Ziel der landesweiten Unterschriftensammlung sei, den Wunsch der Menschen in NRW dokumentieren, die biologische Vielfalt stärker zu schützen, und so den politischen Handlungsdruck zu erhöhen. Bereits Ende Januar hatten die Verbände ihre Initiative angekündigt, den Start jedoch aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen verschoben. Laut NABU im Kreis Herford komme dabei eine zentrale Bedeutung dem Stop des Flächenverbrauchs zu: Täglich gingen in NRW etwa 10 Hektar Fläche für neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßenbau und Rohstoffgewinnung verloren. Die Absicht der Landesregierung, die Wirtschaft zu "entfesseln", forciere geradezu den Verlust von Lebensräumen und den Artenschwund. Um eine Befassung des Landtags zu erreichen, benötigt die Initiative in NRW die Unterschriften von 0,5 Prozent aller Wahlberechtigten, was 66.000 Menschen entspricht.
- 115. "Bericht zur Lage der Natur" des BMU & BN (19.05.2020)
Das Bundesumweltministerium (Svenja Schulze) und das Bundesamt für Naturschutz (Beate Jessel) legen ihren Bericht "Die Lage der Natur in Deutschland" vor, dessen Fokus auf Lebensräumen und Vogelarten liegt: Neben Bestandszunahmen in Wäldern und Siedlungsbereichen, die frühere Verluste allerdings nicht kompensieren könnten, hätten im Offenland die Verluste vor allem von Vogelbeständen wie auch ihrer Vorkommensgebiete zugenommen: Während nur ein Viertel der durch 365 Bewertungen der 195 über die FFH-Richtlinie erfaßten Arten einen günstigen Status aufwiesen, seien 30% in einem unzureichenden und 33% in einem schlechten Zustand: vor allem Reptilien, Schmetterlinge, Käfer, Libellen und weitere Tierarten (insbesondere Krebse) sowie Höhere Pflanzen. In 195 Bewertungen von 93 Lebensraumtypen (LRT) attestiert der Bericht nur für 30% einen "günstigen" Erhaltungszustand, für 32% einen "ungünstig-unzureichenden" und für 37% gar einen "ungünstig schlechten" Erhaltungszustand, hier vor allem der landwirtschaftlich genutzten Grünland-Flächen, aber auch Seen und Moore. Der Bericht basiert auf Daten, die alle sechs Jahre erhoben und an die EU-Kommission berichtet werden: insgesamt rund 14.000 Stichproben von den Sandbänken der Nordsee bis zu den Lärchenwäldern in den Alpen sowie weitere Beobachtungen aus dem bundesweiten Vogel-Monitoring.
- 114. Der "Wildbienenfinder" des Ulmer-Verlags geht online (18.03.2020)
Der renommierte Ulmer-Verlag, der 2018 Die Wildbienen Deutschlands herausbrachte, schaltet einen "WILDBIENENFinder" online. Wer dort das Angebot "Finde Wildbienen, die du gesehen hast und kennenlernen möchtest." annimmt, soll entdeckte Bienen durch vier Filter "finden" können: 1. Körpergröße, 2. Flugzeit, 3. Nistweise, 4. Gefährdung. Kommentar:
- Eine Filterung nach Größe – deutlich kleiner oder größer oder ungefähr gleichgroß – ist noch plausibel, da Honigbienen vielen Menschen als Vergleichsgröße bekannt sind.
- Die Flugzeit ist bereits problematisch: Wer den aktuellen Monat, den März anklickt, wird zwangsläufig etliche Bienenarten vermissen, die zwar eigentlich erst Wochen später auftauchen, in diesem warmen Frühjahr aber viel früher – etwa Andrena gravida. Problemlos lassen sich auch viele Monate hintereinander auswählen: Eine über mehrere Monate andauernde Flugzeit gibt es jedoch nur bei sozialen Arten (vor allem Hummeln), und bivoltine Arten haben natürlich eine Flugzeit-Lücke zwischen der 1. und 2. Generation.
- Das Kriterium der Nistweise zeigt dann das Kernproblem des "Wildbienenfinders" auf: Aus insgesamt neun Optionen kann man die richtige nur wählen, wenn man schon kennt, was man sucht, und kennen kann die Nistweise nur ein Experte. Ein Laie, der Wildbienen bislang nur "in Totholz" oder "in Nisthilfen" kennt und naiv eine dieser Optionen anklickt, wird niemals eine Sand- oder Furchenbiene finden, die er vielleicht an einer Blüte beobachtet hat. Um nur eine Bienenart als Ergebnis geht es den Programmierern aber gar nicht: Man kann problemlos mehrere Optionen zugleich anklicken, dem Filter ist es gleichgültig, daß eine Schneckenhausbiene niemals in Pflanzenstengeln oder Sand nistet, das Filterresultat ist eine Auswahl von Bienenfotos, die gleichermaßen Weibchen wie (schwer unterscheidbare) Männchen, häufige, seltene oder gar verschollene Arten (etwa Andrena barbareae) zeigen. Die Vielzahl, Vielgestaltigkeit und -farbigkeit der Bienenarten beeindruckt – und verwirrt zugleich; finden läßt sich so nichts. Einige Fotografen allerdings können hier Bilder finden, die sie für Die Wildbienen Deutschlands beigesteuert hatten und die nun ohne Lizenz und Honorar verwendet werden.
- Das Kriterium der Gefährdung bietet 5 zur Auswahl: von "ungefährdet" bis "vom Aussterben bedroht". Um die richtige Option anklicken zu können, muß man die richtige(n) Biene(n) schon gefunden haben und einer der wenigen Experten sein, die die "Rote Liste und Gesamtartenliste der Bienen (Hymenoptera: Apidae) Deutschlands" kennen. Eines allerdings haben die Programmierer hier richtig gemacht: Das Kiterium "verschollen" fehlt zu Recht, denn "verschollene" Bienen (s. o.) sollten sich hier wirklich nicht "finden" lassen.
- Schließlich lassen sich die Ergebnisse noch alphabetisch oder nach Häufigkeit sortieren. Dies ist wie die Filter zuvor eine Funktion, die in jeder Digitalausgabe eines Buches selbstverständlich sein sollte. Als eigenständiger Internet-Auftritt sind die Filter, freundlich formuliert, nutzlos.
- 113. Wildbienen in der Stadt von Janina Voskuhl und Herbert Zucchi (25.02.2020)
Wildbienen finden in unseren Städten schon lange vielfältigere und sicherere Lebensräume als das von der modernen Agrarwirtschaft geprägte "Land" außerhalb, weshalb gerade Städter wissen möchten, wie und wo sie diese Insektengruppe beobachten und erhalten können. Auch in unseren KITAs und Schulen ist dieses umweltpädagogische Thema längst angekommen. Der in Bern ansässige Haupt-Verlag begegnet diesem Interesse nun mit einem für Familien und Bienenfreunde, Naturschützer und Pädagogen gleichermaßen nützlichen Ratgeber: Die beiden Autoren, eine Landschaftsökologin und ein Biologie-Professor, führen in die Biologie der Bienen ein, nehmen ihre Leser mit auf Wildbienen-Exkursionen durch die Stadt, und empfehlen Schutzmaßnahmen, die weit über die bekannten Nisthilfen (statt fälschlich "Bienenhotels") hinausgehen, sowie viele "Wildbienenprojekte für Schule, KITA und Familie".
- 112. Insektenatlas von der Heinrich-Böll-Stiftung (08.01.2020)
Die Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Le Monde Diplomatique einen Insektenatlas mit dem Untertitel Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft. Worum es geht, zeigt ein Auszug aus dem Werbetext: "Der Insektenatlas zeigt, wie die bunte Welt der Insekten mit unserer Landwirtschaft und Ernährung verbunden ist. Eine Welt ohne Insekten kann man sich nicht vorstellen – so wichtig sind die meist kleinen Wesen für das Funktionieren unserer Ökosysteme. Sie bestäuben Pflanzen, fördern die Beseitigung toter Organismen, verbessern die Bodenqualität und vertilgen schädliche Artgenossen. Sie sind untrennbar mit der Landwirtschaft und mit unserer Ernährung verbunden – und dennoch ist gerade die intensive Landwirtschaft eine der größten Bedrohungen für sie. Wir erleben derzeit einen dramatischen Rückgang der Insekten in Deutschland, Europa und weltweit. Viele Arten sind bedroht, in fast allen Arten nimmt die Zahl der Tiere ab. Ein wichtiger Grund dafür ist die intensive Landwirtschaft. Monotone Landschaften, der Einsatz von Pestiziden, intensiver Ackerbau und weniger Weidehaltung von Tieren nehmen den Insekten die Lebensräume."
Kommentar: Der "Atlas" ist nicht nur kein 'Atlas' in der üblichen Bedeutung des Wortes, sondern mit gerade einmal 50 Seiten quantitativ und leider auch qualitativ recht dünn, wie schon das nur zweiseitige Kapitel über die Imkerei zeigt: Warum "trotz aller Imkerei [...] Bienen Wildtiere geblieben" seien, wird nicht belegt, nur behauptet. Bei der Bestäubung von Nutzpflanzen unterscheiden die Autoren nicht zwischen Honig- und Wildbienen. Kopfschütteln provoziert ein Satz wie "In der EU hängen 84 Prozent der Pflanzenarten und damit 76 Prozent der Lebensmittelerzeugung von Bienen ab." Den größten Anteil an unseren Lebensmitteln haben bekanntlich Backwaren, Nudeln, Gries etc., und die werden aus Kulturgräsern (Weizen, Roggen, Mais, Hirse, Hafer etc.) hergestellt, die alle vom Wind bestäubt werden, nicht von Insekten. Von einer Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen sollte man mehr erwarten!
- 111. Petition auf change.org: "Die heimische Honigbiene unter Naturschutz stellen!" (15.12.2019)
Eine Petition auf der Plattform change.org fordert, "die heimische dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera) unter den besonderen Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung zu stellen und in die Roten Listen des Bundes wie der Länder und der EU als „ausgestorben oder verschollen“ zu führen. Nach § 37 BNatSchG (Wiederansiedlung von Tieren verdrängter, wild lebender Arten) sind dann Wiederansiedlungsmaßnahmen zu ermöglichen." Es folgen Aussagen wie: "Nur in Nordrhein-Westfalen steht die heimische dunkle Honigbiene bereits als „Ausgestorben oder Verschollen“ auf der Roten Liste." oder "Während die in Imkerhand gehaltene Honigbiene nicht akut bedroht ist, ist die einheimische dunkle Honigbiene leider nicht mehr auffindbar." Kommentar:
Die Begründung des Antrags enthält durchaus etliche zutreffende Feststellungen. Die wilde Apis mellifera mellifera kam bis ins 19. Jahrhundert hinein wildlebend in Mitteleuropa bzw. Deutschland vor und wurde der Natur entnommen, um sie zur Honig- und Wachs-Produktion zu nutzen. Als Imker diese Unterart durch fremdländische Rassen (Ligustica, Carnica, Buckfast sowie undefinierbare Hybride) ersetzten, verschwand die Wildform schnell: Offensichtlich ist sie seit Jahrzehnten verschollen; von Freunden der Dunklen Honigbiene in Deutschland vereinzelt wieder gehaltene Völker stammen aus verschiedenen Randregionen Europas, sie ähneln sehr der ehemaligen mitteleuropäischen Wildform, sind aber nicht deren Nachkommen und lassen sich ohne imkerliche Hilfe gegen die Varroamilbe nicht erhalten.
Die Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) stellt in Anlage 1 keine domestizierten Formen unter "besonderen Schutz" und stellt klar: "Als domestizierte Form gilt insbesondere Apis mellifera – Honigbiene." Die Verordnung definiert zugleich als "europäisch" eine wildlebende Art, die ihr Verbreitungsgebiet "ganz oder teilweise in Europa hat oder in geschichtlicher Zeit hatte". Gäbe es noch wildlebende Völker der Dunklen Honigbiene, wären diese automatisch wie jede andere Wildbiene geschützt. Zwar wäre es unschädlich, dies noch einmal explizit klarzustellen, aber auch unnötig – und vor allem: es würde an der Realität ebenso wenig ändern wie die Deklaration eines "Klimanotstands" an der Klimasituation. Die Wiedereinführung der wildlebenden Dunklen Honigbiene einschließlich ihres nachhaltigen Schutzes als Wildbiene wäre nur realistisch, wenn zuvor alle von Imkern gezüchteten und gehaltenen Rassen in Deutschland und möglichst darüber hinaus eliminiert würden. Das aber erscheint völlig unrealistisch weil politisch nicht gewollt.
- 110. Bees of Europe von Deniz Michez et al. (06.12.2019)
Ein vierköpfiges Team belgischer Biologen – Denis Michez, Pierre Rasmont, Michael Terzo & Nicolas J. Vereecken – veröffentlichen Band 1 der Hymenoptera of Europe: Bees of Europe (13 x 19,8 cm, 547 S., ISBN 978-2-913688-34-6; französische Version: Abeilles d'Europe). Dem ersten Kapitel mit Hinweisen zu Hautflüglern und zum Sammeln und Präparieren folgen ein Bestimmungsschlüssel zu den Überfamilien, Erläuterungen zu Lebensweise, Verhalten und Ökologie der Bienen und zu ihrem Rückgang und möglichen Schutz. Den Hauptteil stellen 178 Fotos von Bienenpräparaten aus wissenschaftlichen Sammlungen und ein Katalog der Bienen Europas mit allen hier vorkommenden Familien.
- 109. Wildbiene des Jahres 2020: die "Auen-Schenkelbiene" (Macropis europaea) (22.11.2019)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" (Wildbienen-Kataster) bestimmt für 2020 Macropis europaea: eine von zwei Arten der Gattung der "Schenkelbienen", die nach den deutlich verdickten Hinter-Tibien der Männchen benannt sind. Die 8–9 mm große "Auen-Schenkelbiene" ist ein Bewohner von Flußauen und anderen Feuchtgebieten, wo der Gewöhnliche Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) wächst: eine "Ölblume", die keinen Nektar produziert, sondern aus Drüsenhaaren auf ihren Staubfadenröhren Öl absondert. Macropis europaea ist als oligolektische Bienenart daher doppelt an den Gilbweiderich gebunden: wegen seines Pollen und auch seines Öls, das Macropis-Weibchen mit speziellen Haarpolstern an den Innenseiten ihrer Vorder- und Mittelbeintartsen aufnehmen und dann in ihre Hinterbeinbürsten streichen.
Leider zeigt das vom Kuratorium herausgegebene Faltblatt auf der Titelseite nicht, wie der Titel "Die Auen-Schenkelbiene" erwarten läßt, (Macropis europaea) am Gewöhnlichen Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris), sondern die im Verlauf des Textes ebenfalls erwähnte "Wald-Schenkelbiene" (Macropis fulvipes) am Garten- bzw. Punkt-Gilberich (Lysimachia punctata).
- 108. Das Volksbegehren in Baden-Württemberg macht Pause (27.10.2019)
Die Initiatoren des Volksbegehrens erklären dazu: "Wir haben in den vergangenen Wochen in Baden-Württemberg mit unserem Volksbegehren Artenschutz – „Rettet die Bienen“ richtig etwas bewegt. Nun haben wir uns in der Breite unseres Trägerkreises entschieden, die Mobilisierung vorerst bis Mitte Dezember nicht aktiv weiter zu treiben. Die Landesregierung hat uns einen Dialogprozess angeboten, um gemeinsam ein umfassendes Artenschutzgesetz zu verabschieden, das nicht hinter unseren Zielen zurückbleibt. Dies wollen wir annehmen. Das Volksbegehren ist damit aber nicht zu Ende. Die Unterschriften behalten ihre Gültigkeit, die Rathäuser nehmen auch weiter Unterschriften entgegen. Wir mobilisieren aber nicht mehr aktiv." Am 27. November und 10. Dezember soll mit der Landesregierung ein Dialog am "Runden Tisch" stattfinden. Das Volksbegehren läuft derweil weiter: Bis zum 17. Januar besteht die Möglichkeit, im örtlichen Rathaus zu unterschreiben, und bis zum 23. März können unterschriebene Formblätter dem örtlichen Wahlbüro zugeschickt oder dort abgegeben werden.
- 107. Die ARD-Tagesthemen berichten über das Volksbegehren im "Ländle" (24.09.2019)
Die Tagesthemen thematisieren das heute startende (im Mai angestoßene) "Volksbegehren zur Rettung der Artenvielfalt" in Baden-Württemberg. Der Beitrag der Journalistin Cecilia Knodt über "Rettet die Bienen im Ländle, und bei wem da Zweifel mitsummen" beginnt mit den Worten: "Niedlich, meistens harmlos, in jedem Fall fleißig, aber: Sie ist vom Aussterben bedroht: die Biene – die perfekte Identifikationsfigur also für den Artenschutz und im Kampf gegen das Insektensterben." Wenn jeder zehnte wahlberechtigte Baden-Württemberger unterschreibe, könne ein Gesetzesentwurf dem Landtag vorgelegt werden, und dieser fordere: "Der Einsatz von Pestiziden soll halbiert, in Naturschutzgebieten sogar vollständig verboten werden, stufenweise soll mehr Bio-Anbau entstehen: 50% Ökolandwirtschaft bis 2035, und: der Bestand an Streuobstwiesen soll geschützt werden." Die Forderungen stoßen auf den Widerstand von Obstbauern, die ihre "Existenz" bedroht sehen. Der Bericht endet mit den Worten: "In einem sind sich doch viele einig: Die Biene muß gerettet werden."
Kommentar: Der Beitrag belegt erneut die Unfähigkeit bzw. den Unwillen vieler Journalisten, über wissenschaftliche bzw. Naturschutz-Themen zunächst sich selbst gründlich zu informieren und dann objektiv und wahrheitsgemäß ihre Zuschauer und -hörer: Es gibt nicht "die Biene", sondern an die 570 Bienenarten; die in den Filmszenen ausschließlich gezeigte domestizierte Honigbiene ist alles andere als vom Aussterben bedroht, sondern bedroht durch ihr Massenauftreten vielerorts dort vorkommende Wildbienenarten; "fleißig" sind weder Bienen noch Ameisen (oder ein anderes Insekt), wie entgegen des uralten Klischees jeder Biologe bzw. Ethologe weiß, sondern instinktgesteuert. Ein wenig versöhnen kann am Ende nur ein kurzes Interview mit Prof. Dr. Johannes Steidle, Fachgebietsleiter Tierökologie der Universität Hohenheim. Seine Aussage: "Das Hauptproblem ist vermutlich, daß unsere Landschaft vollständig ausgeräumt ist, daß es überhaupt keine Strukturen mehr gibt, keine Pflanzen mehr, an denen Insekten leben können. Stichwort Monokultur [...]." Diese Formulierung ist in ihrer Absolutheit ("vollständig", "überhaupt keine") zwar kritikwürdig, im Prinzip aber korrekt: Die industrialisierte Landwirtschaft und die Naturfeindlichkeit unserer Städte und Dörfer (Gärten und Parks, Straßenränder und Gewerbegebiete etc.) sind die Hauptursachen des Insekten- bzw. Bienensterbens – vor Agrargiften und Honigbienenschwemme!
- 106. Abeilles de Belgique et des régions limitrophes [...] Famille Halictidae von Alain Pauly (11.07.2019)
Das Institut royal des Sciences naturelles de Belgique in Brüssel veröffentlicht ein Bestimmungsbuch in französischer Sprache über die 84 Arten der Familie Halictidae in Belgien and benachbarten Regionen. Das 518 Seiten starke Werk enthält einen detaillierten Bestimmungsschlüssel, Verbreitungskarten, über 90 Phänogramme und über 1200 Farbfotos, detailliert beschrieben werden die Habitate und Ökologie. Ein Ergebnis: 46% der Arten sind bereits regional ausgestorben oder in hohem Maße gefährdet. (Preis: 65 €, ISBN: 978-9-0732-4244-9)
- 105. FOCUS Online macht Imker-Propaganda (05.06.2019)
Unter dem Titel "'Smart Homes' für Insekten: Wie drei Start-ups Bienen retten wollen" berichtet das Magazin FOCUS Online: "Von geschätzt rund acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auf der Erde ist eine Million vom Aussterben bedroht. So groß wie heute war das Ausmaß des Artensterbens noch nie in der Geschichte der Menschheit – Tendenz steigend. [...]". Die Nationale Strategie wie auch die EU-Strategie zur biologischen Vielfalt seien gescheitert, wird der Bericht des Weltbiodiversitätsrats zitiert. Als "Lichtblick" für das Stoppen des Artensterbens zitiert FOCUS Online das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: "Bienen und Wildbienen sind für die Nahrungskette des Menschen und für unser Ökosystem unverzichtbar" und wiederholt sogleich eine bekannte Aussage des Deutschen Imkerbundes: "Rund 85 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge im Pflanzen- und Obstbau hängen in Deutschland von der Bestäubung der Honigbienen ab" und fügt hinzu: "Auch Wildbienen spielen für die Landwirtschaft eine wichtige Bestäuberrolle". Schließlich stellt der Artikel "drei Projekte vor, die helfen, den Bienenbestand zu schützen": 1. BEESharing, 2. apic.ai, 3. Beelife.
Kommentar: Eine vorsätzlich falsche Formulierung wie "Bienen und Wildbienen" (statt "Wildbienen und Honigbienen"), die noch dazu alle übrigen Bestäubergruppen (z. B. die vielen Schwebfliegen- und Wespenarten) ignoriert, verweist auf die übliche Klientelpolitik. Die 85-%-Behauptung der Imker kann jeder selbst als Lüge entlarven, der sich daran erinnert, welche Nahrungsmittel er/sie in welchen Mengen in der letzten Woche konsumiert hat: Den mit weitem Abstand größten Prozentanteil haben regelmäßig Kulturgrasprodukte (Brot, Nudeln, Mais, Reis etc.) und Kartoffeln sowie Tiere, die alle nicht von Insekten bestäubt werden. Längst bekannt ist zudem, daß die zehn weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen auf Insektenbestäubung überhaupt nicht angewiesen sind . Die meisten Honigbienen werden in Städten gehalten: Die Westdeutsche Zeitung (WZ) zitierte am 20.05.2019 die "Bienensachveständige" eines Wuppertaler Imkervereins so: Die Versorgungslage der Bienen sei "sehr gut im Stadtgebiet. Das liege an den vielen Parks, Friedhöfen, Kleingartenanlagen und Naturschutzgebieten. [...] Zudem sei positiv für die Bienen, dass es Landwirtschaft nur in den Randgebieten der Stadt gebe, wo Monokulturen und Pestizide, den Bienen unter Umständen schadeten, so Gerwatowski." Die Rolle der Honigbiene bei der Verdrängung der Wildbienen wird in FOCUS Online nur am Ende des Artikels angedeutet, aber nicht wirklich untersucht.
- 104. "Weltbienentag" der Vereinten Nationen (20.05.2019)
Die Vereinten Nationen begehen den 20. Mai als "World Bee Day", den sie am 20. Dezember 2017 ausgerufen hatten. Den Antrag hatte Slowenien auf Initiative des Slowenischen Imkerbundes eingebracht. Dieser wollte damit an den slowenischen Hofimkermeister Anton Janscha erinnern, der am 20. Mai 1734 geboren wurde und am 13. September 1773 in Wien starb. Janscha war der Erfinder der ersten Zargenbetriebsweise, Autor zahlreicher Monografien über Imkerei und Leiter der staatlichen "Schule zur Förderung der Bienenzucht", die Kaiserin Maria Theresia 1769 im Wiener Augarten gegründet hatte, um dem Honig, der durch den Import von Rohrzucker aus den Kolonialländern an Bedeutung verloren hatte, seine wirtschaftliche Bedeutung zurückzugeben. Kommentar:
Mit "Weltbienentag" ist natürlich 'Welthonigbienentag' gemeint; die Monopolisierung des Begriffs Biene ist typisch für die PR-Kampagnen der Imker, die sich den Hype um Agrargifte, Insektensterben, Bestäuber etc. zunutze machen, um eine Gefährdung und Schutzwürdigkeit ihrer Haustiere zu suggerieren und die vermeintliche Notwendigkeit des "Bienenschutzes" für die menschliche Ernährung zu unterstreichen. Die österreichische Kaiserin war vor 250 Jahren ehrlicher: Schon damals ging es nicht um Naturschutz oder Bestäubung, sondern wie heute allein um wirtschaftlichen Nutzen – die zehn weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen sind auf Insektenbestäubung überhaupt nicht angewiesen.
- 103. Volksbegehren "Rettet die Bienen" in Baden-Württemberg (19.05.2019)
Das bayerische Volksbegehren findet Nachahmer: Die Einrichtung "proBiene – Freies Institut für ökologische Bienenforschung" in Stuttgart startet mit einem Bündnis mehrerer Umweltverbänden anläßlich des morgigen "Weltbienentags" die Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren. Zunächst müssen mindestens 10.000 Unterstützungsunterschriften und ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, danach beginnt das eigentliche Volksbegehren. Wenn mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten (ca. 680.000) den Gesetzentwurf per Unterschrift unterstützen, muß der Landtag ihn unverändert behandeln; lehnt er ihn ab, kommt es zum Volksentscheid. Die Forderungen sind:
- 50 % Ökolandbau bis zum Jahr 2035
- 100 % der Staatsflächen werden ökologisch bewirtschaftet
- Halbierung der Pestizidmenge bis 2025
- Erweiterung des Biotopverbundes
- Extensivierung der Wiesenbewirtschaftung
- Intensivierung der Forschung und Bildung zu ökologischer Landwirtschaft und Naturschutz
- Monitoring und jährlicher öffentlicher Bericht zur Artenvielfalt
Kommentar: Die Forderungen sind aus "gutem" Grund reichlich brav und auch leicht zu unterlaufen: Die Gründer von "proBiene" und Initiatoren des Begehrens sind zwei Berufsimker, die "Forschungsprojekte für eine zukunftsfähige Bienenhaltung" betreiben und wirtschaftliche, also eigennützige Interessen verfolgen; der Name der Initiative meint folglich die Honigbiene, und unter der Überschrift "Bedrohte Arten" liest man eine von Imkern bekannte falsche Aussage: "Neben der Honigbiene, die von Imkerinnen und Imker[n] gepflegt wird, sind viele Tier- und Pflanzenarten von Ackergiften, Nahrungsmangel und Biotopverlusten bedroht." Gerade Honigbienen waren jedoch nie bedroht und sind es heute noch weniger. Der Vorgang zeigt auch die Schwäche der Naturschutzverbände, die sich entweder träge überrumpeln ließen oder naiv glauben, man könne mit Honigbienen das Insekten- bzw. Wildbienensterben bekämpfen.
- 102. Bochumer Botanischer Verein e. V.: "Insektenrettung aus der Samentüte?" (11.05.2019)
Zwei Autoren des rührigen Bochumer Botanischen Vereins veröffentlichen eine gut recherchierte Studie zu der aktuellen Modeerscheinung, als vermeintliche Maßnahme gegen das "Insektensterben" Samentütchen zu verkaufen oder gratis zu verteilen, deren Inhalt im eigenen Garten oder in der freien Landschaft ausgestreut werden soll: Buch, Corinne & Armin Jagel (2019): "Schmetterlingswiese, Bienenschmaus und Hummelmagnet – Insektenrettung aus der Samentüte?" in: Veröff. Bochumer Bot. Ver. 11(2), S. 9–12; .
- 101. Wildbienen entdecken & schützen von Nicolas Vereecken (07.05.2019)
Im April 2017 veröffentlichte Nicolas Vereecken, promovierter Biologe und Professor an der Université libre de Bruxelles, ein reich bebildertes Wildbienen-Buch in französischer Sprache: Découvrir & protéger nos abeilles sauvages. Glénat, Grenoble . Jetzt liegt es auch in deutscher Sprache vor. Der Autor erläutert nicht nur die wichtige Rolle der Wildbienen als Bestäuber, ihre Verhaltensweisen, wo man sie finden und wie man sie beobachten, erkennen und unterstützen kann – er dokumentiert z. B. auch den negativen Einfluß der Imkerei auf die Wildbienen und entlarvt den oft zitierten, aber von Einstein nie geäußerten Spruch, der Mensch habe nur noch vier Jahre zu leben, wenn "die Biene" von der Erde verschwinde, als Zeitungsente. Mit 25 € ist das Buch nur gut 5 € teurer als Wildbienen · Die anderen Bienen von Paul Westrich.
- 100. Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) veröffentlicht seinen Zustandsbericht (06.05.2019)
Der Weltbiodiversitätsrat (vollständiger Name: Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen, englisch: Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) veröffentlicht nach dreijähriger Arbeit zum Abschluß seiner Vollversammlung (29.04.–04.05.2019 am Sitz der UNESCO in Paris) einen globalen Zustandsbericht zur Biodiversität, den Regierungsvertreter aus 132 Staaten zwei Tage zuvor einstimmig verabschiedet haben. Für Entscheidungsträger liegen die wesentlichen Aussagen des rund 1800 Seiten starken Berichts in einer Zusammenfassung vor; daraus einige Stichworte: "Nature’s Dangerous Decline ‘Unprecedented’; Species Extinction Rates ‘Accelerating’; Current global response insufficient; ‘Transformative changes’ needed to restore and protect nature; Opposition from vested interests can be overcome for public good; Most comprehensive assessment of its kind; 1,000,000 species threatened with extinction".
Zum Konferenzauftakt erklärte IPBES-Präsident Robert Watson: "Die Belege sind unbestreitbar: Die Zerstörung der Artenvielfalt und der Ökosysteme hat ein Niveau erreicht, das unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie der durch den Menschen verursachte Klimawandel." Ca. eine Million Tier- und Pflanzenarten seien in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Die IPBES, eine UN-Organisation, war am 21. April 2012 mit Sekretariatssitz in Bonn gegründet worden.
- 99. ALDI Süd verkauft wieder "Bienen- und Insektenhotels" (06.05.2019)
Die Filialen von ALDI Süd bieten erneut "GARDENLINE® Bienen- und Insektenhotels" zum Preis von 9,99 € an, diesmal drei Modelle: mit Satteldach (28 x 9 x 38 cm), mit Pult- bzw. Flachdach (ca. 29,5 x 10 x 28,5 cm), mit schrägem Dach (ca. 30 x 9x 25/32 cm). Dazu erklärt ALDI selbstbewußt "Wir schwärmen für Bienen!" und erläutert sein Engagement auf einer weiteren Seite unter der Überschrift "Biologische Vielfalt erhalten":
- "Bereits seit 2016 verzichten ALDI SÜD und ALDI Nord als erste große Lebensmitteleinzelhändler auf acht bienengefährdende Pflanzenschutzmittel – sogenannte Neonicotinoide – und schließen deren aktive Spritzanwendung beim Anbau von Obst, Gemüse, Kartoffeln und Blumen aus Deutschland aus. [...]"
- "Wir führen als erster Lebensmitteleinzelhändler Insektenschutzmittel, die mit dem Label „Insect Respect“ ausgelobt sind. Für diese Artikel stellt die Initiative sicher, dass der Insektenverlust durch einen neuen insektenfreundlichen Lebensraum kompensiert wird. [...]"
- "2017 haben wir unsere Lieferanten dazu aufgefordert, die Glyphosatgehalte in den an uns gelieferten Eigenmarken sukzessive zu reduzieren. Dafür haben wir für unsere Lieferanten Orientierungswerte definiert, die zum Teil bei gerade einmal zehn Prozent der aktuell zugelassenen Grenzwerte liegen. [...]"
- "In Kooperation mit dem Netzwerk Blühende Landschaft (NBL) schaffen wir mehr als 250.000 Quadratmeter Lebensraum für Bienen und andere blütenbestäubende Insekten. Dafür fördern wir zwei Projekte. [...]"
- "An einigen Unternehmensstandorten werden zusätzlich Bienenstöcke aufgestellt, die von Imkern oder unseren Mitarbeitern betreut werden. Mit Unterstützung des Mülheimer Imkervereins haben wir am Verwaltungsstandort in Mülheim Styrum zwei Honigbienenvölker angesiedelt und pflanzen insektenfreundliche Blühflächen und Bäume. [...]"
Kommentar: Die Nisthilfen scheinen, wie eine Stichprobe heute ergab, etwas besser zu sein als in den Vorjahren, dennoch gibt es weiter Grund zur Kritik:
- Die "Hotels" kommen reichlich spät in die Filialen: Von der vielerorts häufigsten, der "Gehörnten Mauerbiene" (Osmia cornuta), sind im Mai nur noch Nachzügler unterwegs; das "Insekt des Jahres 2019", die "Rostrote Mauerbiene" (Osmia bicornis), fliegt zwar ca. zwei Wochen später, hat aber ihre Nistplätze meist längst gefunden; spätere Bienenarten, etwa Scherenbienen oder Solitärwespen, benötigen deutlich engere Nistgänge, als die ALDI-Nisthilfen bieten.
- Die Bautiefe der "Hotels" ist mit nur 9 bzw. 10 cm immer noch unnötig gering, das Dach ebenfalls nicht tief genug, um ausreichenden Schutz gegen Regen zu bieten. Weiterhin gibt es einen überflüssigen Hohlraum mit einem oder drei senkrechten Schlitzen, der Schmetterlingen Unterschlupf bieten soll (aber erfahrungsgemäß nicht kann). Immerhin hat der Hersteller auf Fichtenzapfen verzichtet, nur wenige Stengel sind markhaltig, und ihre Ränder sind nicht faserig.
- Es sollte letztlich nicht darum gehen, "die Glyphosatgehalte in den an uns gelieferten Eigenmarken sukzessive zu reduzieren", sondern um die völlige Abschaffung von Glyphosat und anderen Giften in allen Marken bzw. Produkten unabhängig von windelweichen gesetzlichen Vorgaben des Staates.
- "Biologische Vielfalt" meint die Vielfalt von Pflanzen und Tieren, also auch von Bienen. Die Installation weiterer Bienenstöcke – also Honigbienenvölker – schafft den Wildbienen jedoch zusätzliche Konkurrenz durch Haustiere und macht so die Anstrengungen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt zunichte. Die in den ALDI-Filialen käuflichen Pflanzen (etwa "Ampelpflanzen" wie Lobelia oder Sanvitalia) sind ganz überwiegend Exoten. Versteht ALDI Biodiversität nicht?
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- 98. Das BAUHAUS propagiert Bienenschutz (April/Mai 2019)
Die bekannte Baumarktkette BAUHAUS AG möchte angesichts des Insektensterbens Engagement für den Bienenschutz zeigen. Ein pfiffiger Werbe-Fachmann hatte die Idee, das bekannte BAUHAUS-Logo zur Konstruktion eines überdimensionierten dreiteiligen Bienenhauses zu nutzen, das an der Einfahrt zum Parkplatz der Solinger Filiale steht: Die stilisierten drei Satteldach-Häuser wurden mit Heu, vielen Poroton-Steinen mit offenen (!) rechteckigen Löchern, gelochten Weichholzbalken, in seinen Stirnseiten aufgebohrtem Kaminspaltholz und einigen meist markhaltigen Stengeln gefüllt. Da viele Ränder der meist großen Löcher glatt sind, ist eine Besiedlung durch zwei große Mauerbienenarten möglich. Daneben verkündet auf einem Stand-Poster eine Biene Maja mit großen Kinderaugen, aber nur zwei Paar Beinen und einem Paar Flügel: "Hier fühle ich mich wohl! Zusammen für den Bienenschutz!" Kommentar:
Die Idee an sich ist nicht schlecht, das Design des Logos würde sich prinzipiell für die Konstruktion einer großen Insekten-Nisthilfe eignen. Die Realisierung allerdings ist katastrophal: Das allermeiste Füllmaterial ist völlig ungeeignet, und in den wenigen Löchern, die tatsächlich im Weichholz besiedelt werden, wird sich Bienenbrut mangels Regenschutz kaum entwickeln können. Unbesiedelte Nisthilfen bzw. ungenutzte Bestandteile darin sind zwar eigentlich unschädlich, schädlich werden sie aber in ihrer Wirkung auf Kunden, die der Firma gutgläubig eine – offenbar ungerechtfertigte – Kompetenz in Sachen Natur- und Artenschutz unterstellen und dem schlechten Vorbild folgen.
Nur wenig besser ist das Nisthilfen-Sortiment auf der Internet-Präsenz der Firma: Unter "Garten & Freizeit > Tierbedarf > "Insektenhotels" findet man gleich vier "Bienenhäuser", 20 "Insektenhotels", ein "Insektenhotel-Bastelset" und drei "Schmetterlingsunterschlüpfe"; die allermeisten fallen in den Kriterien Nützlichkeit, Material oder/und Ausführung durch. Doch es gibt Ausnahmen: Das beste Produkt ist der (übrigens von Heimwerkern leicht herstellbare) "Dobar Insektenhotel Buchen-Tower", dessen Lebensdauer sich allerdings durch ein breites witterungsbeständiges Regendach verbessern ließe. Eine nicht schlechte, aber im wörtlichen Sinne geteilte Bewertung verdient das "Dobar Bienenhaus Maja": Ein integrierter Buchholz-Block weist 26 saubere Bohrungen mit vier Durchmessern auf; eine herausziehbare Schublade darunter ermöglicht, die Entwicklung der Bienen-Larven zu beobachten; die Stengel unter dem Satteldach sind auf dem Foto zwar ganz überwiegend hohl, aber leider auch faserig. Der Hinweis, die Nisthilfe sei "ideal für Wildbienen und Grabwespen", mag allzu große Hoffnung schüren, eine Besiedlung auch durch Grabwespen (Spheciformes) ist allerdings tatsächlich nicht auszuschließen, da Arten einiger Gattungen (Ectemnius, Lestica, Nitela, Rhopalum, Trypoxylon) auch Nistgänge in Holz nutzen. Toll wäre, wenn das BAUHAUS unbrauchbare "Insektenhotels" aus dem Sortiment nähme und stattdessen eine naturnahe, artgerechte Gartengestaltung förderte: Die allermeisten Bienenarten nisten bekanntlich im Boden!
- 97. Honeybees disrupt the structure and fuctionality of plant-pollinator networks (18.03.2019)
Die Zeitschrift Scientific Reports veröffentlicht eine Studie zum Einfluß der Honigbienenhaltung auf wildlebende Bestäuber (Hautflügler, Fliegen, Käfer, Schmetterlinge) und Pflanzen. Die drei Autoren vergleichen über drei Jahre (2007–2009) den ökologischen Einfluß der Honigbienenhaltung im Teide Nationalpark (Tenerife, Kanarische Inseln), wo die Frühjahrsblüte mit bis zu 2.700 Völkern ausgebeutet wird, mit einer Honigbienen-freien Saison im Südwesten des Nationalparks 2007. Die Wissenschaftler erläutern im Einleitungstext: "Here we used a three-year field experiment in a natural ecosystem to compare the effects of pre- and post-establishment stages of beehives on the pollination network structure and plant reproductive success. Our results show that beekeeping reduces the diversity of wild pollinators and interaction links in the pollination networks. It disrupts their hierarchical structural organization causing the loss of interactions by generalist species, and also impairs pollination services by wild pollinators through reducing the reproductive success of those plant species highly visited by honeybees. High-density beekeeping in natural areas appears to have lasting, more serious negative impacts on biodiversity than was previously assumed." Kommentar:
Die Studie belegt erneut die negativen Folgen intensiver Honigbienenhaltung für die Biodiversität wildlebender Bestäuber und den Reproduktionserfolg von Pflanzen und begründet Handlungsbedarf. Der elfseitige Text ist allerdings recht abstrakt formuliert und daher leider auch für Behörden und Politiker nicht einfach zu verstehen.
Valido, Alfredo & María C. Rodríguez-Rodríguez & Pedro Jordano (2019): "Honeybees disrupt the structure and fuctionality of plant-pollinator networks" in: SCIENTIFIC REPORTS (2019) 9:4711 | https://doi.org/10.1038/s41598-019-41271-5.
- 96. Volksbegehren "Rettet die Bienen" zunächst erfolgreich (12.02.2019)
Das seit dem 31.01.2019 in Bayern laufende "Volksbegehren Artenvielfalt" hat unter dem Motto "Rettet die Bienen!" die Eine-Millionen-Marke geknackt und damit die benötigte Zahl von rund 950.000 Unterschriften (Zehn-Prozent-Hürde) überschritten. Somit muß sich der bayerische Landtag mit einem entsprechenden Gesetzesentwurf zum Artenschutz befassen. Das Volksbegehren war von der ödp initiiert und zahlreichen Umwelt-Organisationen unterstützt worden. Das Ziel ist eine Selbstverpflichtung Bayerns, "zur dauerhaften Sicherung und Entwicklung der Artenvielfalt in Flora und Fauna darauf hinzuwirken, deren Lebensräume zu erhalten und zu verbessern, um einen weiteren Verlust von Biodiversität zu verhindern." Die landwirtschaftlich genutzten Flächen seien "gemäß den Grundsätzen des ökologischen Landbaus" zu bewirtschaften etc. Kommentar:
Der Erfolg dokumentiert einen Bewußtseinswandel in der Bevölkerung und setzt den bayerischen Ministerpräsidenten unter Zugzwang: Wenn der Landtag das Volksbegehren nicht unverändert umsetzt (was die Koalition in München nicht will), muß ein Volksentscheid stattfinden, in dem alle Wahlberechtigten über die Initiative abstimmen dürfen. Der Landtag kann (und wird) aber dem Wahlvolk einen Alternativ-Entwurf zur Abstimmung vorzulegen. Dieser wird unter dem Vorwand, Befürworter und Gegner des Volksbegehrens zu versöhnen, dessen Ziele massiv abschwächen zugunsten der Forderungen des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), der dem Volksbegehren Stimmungsmache gegen die Landwirte vorwirft, vor größeren Mindestflächen für den ökologischen Anbau warnt und gar "Gefahren für Insekten wie der zunehmende Flugverkehr oder die Feinstaubbelastung" ausmacht ( ).
- 95. Rote-Liste-Zentrum in Bonn (06.02.2019)
Das im Dezember 2018 in Bonn gegründete Rote-Liste-Zentrum (RLZ) soll im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz (BfN) die Erstellung der bundesweiten Roten Listen koordinieren. Prof. Beate Jessel, Präsidentin des BfN, verweist in einer Presseerklärung auf die jetzt vermehrten finanziellen und personellen Ressourcen für die Erstellung der Roten Listen und ihre unverzichtbaren Funktionen für den Schutz der Artenvielfalt: Sie erfassen Gefährdungsgrade von über 30.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland. Zu den Aufgaben des Zentrums gehören Arbeitstreffen auch ehrenamtlicher Experten und die Kommunikation mit ihnen. Das Bundesumweltministerium fördert das RLZ mit jährlich 3,1 Millionen €.
- 94. Don-Bosco-Werkstatt baut ein "BeeMobil" (23.01.2019)
Die Fuldarer Zeitung berichtet über ein Projekt, das die Ökologische Forschungsstation Schlüchtern (ÖFS) e.V. leitet und in der Don-Bosco-Werkstatt in Sinntal-Sannerz realisiert: "Das BeeMobil – eine bewegliche Ansiedlungshilfe für solitäre Bienen und Insekten". Der Werkstattleiter erklärt in der Pressemitteilung, "Ziel sei es, ein leichtes Insektenhotel aus Schilf und Nadelholz zu bauen, das problemlos von Ort zu Ort transportiert werden könne", und: "Das Besondere am BeeMobil ist, dass es von einer abgeblühten Wiese dorthin gebracht
werden kann, wo es noch Nahrung gibt." An diesem Projekt ist nicht nur die Formulierung "solitäre Bienen und Insekten" kritikwürdig, wie der Kommentar zeigt:
- Auf ihrer Seite "Umweltschutz · Solitäre Insekten" schreibt die ÖFS von "Honigbienen, die zunehmend bedroht sind". Tatsache ist, daß die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) nie weniger gefährdet war als heute und weltweit auch dort verbreitet ist, wo sie gar nicht heimisch ist – oft auf Kosten anderer, wirklich gefährdeter Tierarten.
- Auf derselben Seite formuliert die ÖFS, das "Insektenhotel" werde auch genutzt von "nur 1mm großen parasitischen Erzwespen, solitären Wespenarten, die durch einen Stich gelähmte Spinnen oder Raupen eintragen oder die verschiedensten Schlupfwespenarten." Solche winzigen Erzwespen (Eulophidae) jagen jedoch keine Spinnen oder Raupen und tragen auch keine Schlupfwespenarten ein.
- Auf der nächsten Seite ("Unsere Insektennisthilfen") zeigt die ÖFS ihr großes "Insektenhotel" und auf Detailfotos dessen Füllung, u. a. Fichtenzapfen und unter dem Giebel Schneckenhäuser (allen Ernstes!). Unter einem Foto von ca. 10 vertikal montierten Stengeln liest man: "Brombeerranken, horizontal".
- Die folgende Seite ("Mitmachen – im eigenen Garten und auf dem Balkon") empfiehlt eine "Pflanzenliste für den insektenfreundlichen Garten (pdf)", die viele fremdländische Arten enthält und in Zusammenarbeit mit einer Baumschule erstellt wurde – honi soit qui mal y pense ('ein Schuft, wer Böses dabei denkt').
- Der in der Presse zitierte Zweck des "BeeMobils" ("Wildbienen und andere Insekten zur Streuobstwiese bringen, wieder ansiedeln und
die Bestäubungsleistung garantieren") ist problematisch: Nisthilfen werden nicht nur von den beiden wohl bekanntesten Solitärbienen (Osmia cornuta & O. bicornis) genutzt, sondern etlichen weiteren (laut ÖFS "30–40"). Die Lektüre der ÖFS-Website läßt nicht vermuten, daß diese Forschungsstation alle diese Arten und ihre Biologie kennt. Durch das Umsetzen eines "BeeMobils" werden solche Insektenarten nicht nur illegal (BNatSchG § 42) aus ihrem Habitat entführt, sondern einer Umgebung ausgesetzt, die sie nicht freiwillig gewählt haben und in der sie möglicherweise nicht alle Requisiten vorfinden: das benötigte Mikroklima, die für oligolektische Arten unverzichtbaren Pollenquellen, natürliche Neststrukturen, evtl. das nötige Nistmaterial.
- 93. Saisonauftakt bei "Bonn blüht und summt" (13.01.2019)
Bonn im Wandel e.V. läutet die zweite Runde der Initiative "Bonn blüht und summt" ein. Deren erstes Ziel ist die Verteilung von "Saatgut für insektenfreundliche Blühwiesen" und die Gewinnung weiterer "Blühpaten". Die Homepage schwärmt: "Schmetterlinge, Wild-und Honigbienen schaukeln und summen über die Blüten und finden reichlich Nahrung" und appelliert:
- Säe einen Blühquadratmeter: Ein Quadratmeter Insektenglück mit Kornblume, Ackerringelblume, Saatwucherblume, Klatschmohn und anderen Leckereien, ca 50 cm hoch, einjährig. Das Saatgut kommt vom Netzwerk Blühende Landschaften.
- Lege einen Blühstreifen an: Schaffe ein Insektenparadies auf 10m2 mit regional angepasstem Saatgut aus Buchweizen, Borretsch, Sonnenblume, Kornblume, Flockenblume, Margerite, Wiesensalbei und vielen anderen schönen Blüten (1-2 Meter hoch). Das gibt Futter und Lebensraum für mehrere Jahre!
Kooperationspartner sind Regionalwert AG Rheinland, Netzwerk Blühende Landschaft, Ermekeilkarree, Marktschwärmer, Slow Food Bonn; gefördert wird die Initiative vom Europe for Citizens Programme der Europäischen Union. Kommentar:
Borretsch (Borago officinalis), Koriander (Coriandrum sativum), Buchweizen (Fagopyrum esculentum), Saat-Wucherblume (Glebionis segetum), Sonnenblume (Helianthus annuus), Büschelschön bzw. Bienenfreund (Phacelia tanacetifolia) etc. sind keine heimischen Blütenpflanzen; es geht offenbar vorrangig darum, eine "schöne" Wohlfühl-Umwelt und Nektarquellen für domestizierte Honigbienen zu schaffen. Der Nutzen für Wildbienen und andere Insekten ist gering, wieder wurde eine Chance für den Naturschutz vertan.
- 92. Wildbiene des Jahres 2019: die "Blauschwarze Sandbiene" (Andrena agilissima) (03.12.2018)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" (Wildbienen-Kataster) bestimmt für 2019 Andrena agilissima unter dem sperrigen Namen "Senf-Blauschillersandbiene". Die 13–15 mm große Art ist an ihrem schwarzblau schillernden schlanken Körper und der dazu kontrastierenden weißen Behaarung um den Thorax, seitlich an den Tergiten sowie an den Tibien (der Scopae) zu erkennen. Die seltene oligolektische Biene ist auf Kreuzblütler (Brassicaceae) spezialisiert, kann aber von der oft zu frühen Rapsblüte nur wenig profitieren. Interessant ist die kommunale Nistweise: Mehrere Weibchen (meist Schwestern) leben im selben Nest! (Näheres in der Sektion "Artenportraits".)
Übrigens: Auch das "Insekt des Jahres" wird 2019 eine Biene sein: Osmia bicornis, die Bienenfreunden vertraute "Rostrote Mauerbiene". Der bekannte Entomologe Paul Westrich hat aus diesem Anlaß zu Osmia bicornis einen Steckbrief verfaßt.
- 91. Die Universität Freiburg startet das Projekt "Schulinsektenhaus" (20.11.2018)
Die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ruft in einer
Pressemitteilung bundesweit Schulen auf, sich am Projekt "Schulinsektenhaus" zu beteiligen, das ihre "Professur für Naturschutz und Landschaftsökologie" zusammen mit dem "
UWC Robert Bosch College" initiiert hat. Angesichts des dramatischen Insektensterbens wollen die Forscher "nach Ursachen für diesen Rückgang suchen", indem sie allen gewonnenen Partnerschulen je "zwei selbstgebaute Insektenhäuser" schicken und jeden Herbst eines davon gegen eine neue Nisthilfe austauschen; die zurückgesandte alte Nisthilfe wollen sie zusammen mit Schülern des UWC hinsichtlich der enthaltenen Arten und ihren Individuenzahlen untersuchen, "um langfristig die Artenvielfalt von Bienen, Wespen und ihren natürlichen Feinden in Nisthilfen zu erfassen" und die Ausbreitung neuer Arten zu beobachten.
Kommentar: Was sich nach einer erfolgversprechenden Integration der
citizen science in die etablierte Wissenschaft anhört, läßt dennoch Zweifel aufkommen:
- Etwa drei Viertel der Wildbienen nisten im Erdboden, andere in Schneckenhäusern, an Gestein, an Stengeln oder Baumstämmen; nur eine kleine Minderheit nutzt vorhandene Hohlräume in Totholz oder Stengeln, wie sie in klassischen Nisthilfen verwendet werden. Die angestrebten Untersuchungsergebnisse können also unmöglich repräsentativ sein.
- Exakte Wissenschaft erfordert standardisierte Untersuchungsbedingungen, also z. B. gleiche Innendurchmesser und Mengen der Niströhrchen in allen selbstgebauten "Insektenhäusern", eine gleichmäßige Verteilung der Standorte, vergleichbare Biotope, Mikroklimate und Floren etc. Kann das gesteuert und überprüft werden?
- Durch das Auszählen von Insektenarten und Individuen lassen sich keine Ursachen für ihren Rückgang ermitteln, und dies wird auch nicht wirklich versucht.
- Die Auswertung der zurückgesandten "Insektenhäuser" an einer Universität beinhaltet auch die Tötung der Insekten; wenn Schüler, wie angeregt, auch das an der Schule jeweils verbleibende "Insektenhaus" selbst öffnen und seinen Inhalt analysieren, führt das ebenfalls zum Tod vieler Insekten. Das gefährdet zwar häufige Arten nicht – aber ist es mit dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG, § 42) vereinbar? Und: Kann man Kindern die Tötung von Insekten als Insektenschutz plausibel machen?
- Eine Identifikation von Insektengattungen und -arten durch Schüler erscheint auch dann problematisch, wenn sie unter Anleitung versierter Wissenschaftler erfolgt: Eine zuverlässige Bestimmung gerade einander ähnlicher oder seltener (abnehmender oder neuer) Arten setzt umfangreiche Artenkenntnis und jahrelange Erfahrung voraus. Diese ist aber in Freiburg offenbar nicht einmal bei den beteiligten Biologen gewährleistet: In seiner PDF-Broschüre Insektenhaus · Wohn- und Überwinterungsstätten für solitäre Bienen und Wespen trägt ein Foto der Furchenbiene Halictus scabiosae die Bildunterschrift "Sandbiene (Andrena sp.)". Eine Detailaufnahme des "Insektenhauses" zeigt ein waagerechtes Bündel markhaltiger Stengel, die nur in seltenen Ausnahmen besiedelt werden.
- Der eigentliche Zweck des Projekts wird schließlich durch folgende Sätze in der Pressemitteilung sichtbar: "Zugleich befassen sich die beteiligten Schülerinnen und Schüler mit gesellschaftsrelevanten Themen und entwickeln ein ökologisches Problembewusstsein." "Für die Schulen stellt die Teilnahme eine Möglichkeit dar, ein Projekt zum Thema Insekten und deren Wert für Ökosysteme und damit den Menschen anzubieten." "Verständliche und pädagogisch aufbereitete Infomaterialien zu Insekten und Bienen, die von der Projektleitung zur Verfügung gestellt werden, begleiten das gesamte Projekt." Es geht also im Kern um ein Pädagogik-Projekt, das aber naturwissenschaftlich bemäntelt wird. So wichtig die (Jahrzehnte alte) Förderung des Naturschutzgedankens auch sein mag: Nur durch die Förderung des Naturschutzes selbst lassen sich unsere Hautflügler retten.
- 90. Dritter Deutscher Biodiversitätspreis für den Entomologischen Verein Krefeld e.V. (15.11.2018)
Die Heinz-Sielmann-Stiftung verleiht dem Entomologischen Verein Krefeld e.V. im Landesmuseum Hannover den mit 10.000 Euro dotierten Deutschen Biodiversitätspreis. Sie würdigt damit die langjährigen insektenkundlichen Untersuchungen der ehrenamtlichen Vereinsmitglieder, deren 2017 veröffentlichte und international beachtete Studie einen alarmierenden Insektenschwund belegte: In 27 Jahren war in Schutzgebieten die Zahl der fliegenden Insekten um 76 %
zurückgegangen.
- 89. Handbook of the Bees of the British Isles von George R. Else & Mike Edwards (06.10.2018)
Die
Ray Society veröffentlicht wissenschaftliche Bücher bzw. Monographien über Zoologie, Botanik und Paläontologie mit dem Schwerpunkt der Flora und Fauna Großbritanniens. Die kleine, aber rege Gesellschaft wurde 1844 gegrüdet und ist nach dem Naturforscher John Ray (1627–1705), dem "Vater der englischen Botanik", benannt. Die Nr. 180 ihrer Publikationen ist ein wertvolles zweibändiges Standardwerk über Wildbienen: Das
Handbook of the Bees of the British Isles präsentiert in Wort und Bild über 270 Bienenarten, deren Identifikation mit einem auch auf DVD verfügbaren Schlüssel ermöglicht wird. Für die wissenschaftliche Qualität bürgen zwei bekannte Experten: George R. Else & Mike Edwards.
- 88. Glyphosat stört die Darmflora der Honigbienen (24.09.2018 + 09.10.2018)
Die Wirkung bzw. Gefährlichkeit des Totalherbizids
Glyphosat war lange umstritten: Im März 2015 stufte die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) das Pflanzengift als "wahrscheinlich krebserregend" ein; gleichzeitig sah das deutsche
Bundesinstitut für Risikobewertung keine Krebsgefahr. Ein Argument für die Ungefährlichkeit von
Glyphosat war, es greife in einen Stoffwechselweg ein, den Tiere gar nicht hätten; in Konzentrationen, wie sie in Nahrung noch vorkommen können, sei das Herbizidals folglich ungiftig für Mensch und Tier.
Eine durch die
PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlichte Studie zeigt nun, daß
Glyphosat Honigbienen indirekt beeinträchtigen kann: "
Glyphosate perturbs the gut microbiota of honey bees". Viele der Darmbakterien, die Honigbienen für ihren Stoffwechsel (die Produktion von Aminosäuren) und die Abwehr von Krankheiten benötigen, arbeiten mit dem Enzym-Weg, den
Glyphosat angreift, und zeigen gegen dieses eine deutliche Empfindlichkeit; andere sind
Glyphosat-resistent.
Kommentar: Was die Haustiere des Imkers schädigt, kann auch Wildbienen und andere Insekten schädigen – gibt es einen plausiblen Grund, etwas anderes anzunehmen? Bei Regenwürmern wurde die Schädlichkeit von
Glyphosat bereits bewiesen. Gifte wie dieses sind allerdings nicht die Hauptursache
des Bienen- bzw. Insektensterbens.
- 87. Die Wildbienen Deutschlands von Paul Westrich (13.09.2018)
Nach fast drei Jahrzehnten finden
Die Wildbienen Baden-Württembergs endlich ihren bundesdeutschen Nachfolger: Mit 824 Seiten und 3,1 kg ist er auch im wörtlichen Sinne ein Schwergewicht, wie die Vorbesteller des neuen Standardwerks in diesen Tagen beeindruckt feststellen dürften. Ein Grund liegt in der hervorragenden Papier- und Druckqualität (Grammatur: 130 g/m²), die das Betrachten der rund 1700 Farbfotos zum Augenschmaus machen. Die Anzahl der Seiten wie der Fotos läßt zu Recht vermuten, daß dieses Werk das ganze aktuelle Wissen zu Bienen und speziell den Bienen Deutschlands zusammenfaßt. Es birgt einen wertvollen Erfahrungsschatz und krönt zugleich die Karriere des wohl bekanntesten deutschen Bienenforschers. In 565 Steckbriefen vermittelt Paul Westrich praktisch alles Wissenswerte zu Verbreitung, Biologie und Flugzeit der heimischen Bienenarten, und über 420 davon sind mit oft einzigartigen Lebendfotos und wichtigen Merkmalen zur Feldbestimmung dargestellt: ein Alleinstellungsmerkmal, das dieses Buch trotz seines (durch und durch gerechtfertigten) Preises von 99 € zur Empfehlung für alle Entomologen und Apidologen, Naturschutzbehörden und -vereine macht. Verlegt wurde das Werk vom renommierten
Ulmer-Verlag, der für seine vielen naturwissenschaftlichen Fachbücher, Naturführer und Bestimmungswerke bekannt ist.
Die Struktur des Buches im Überblick:
- Einleitung und Dank
- Die Lebensräume der Wildbienen
- Die Lebensweise der Bienen
- Nutznießer und Gegenspieler der Bienen
- Bienen und Blüten
- Die Gattungen und Arten
- Artenübersicht und Synonyme · Literatur · Register
- 86. Unzeitgemäße Wildbienen (August–September 2018)
Zur Zeit finden Experten vermehrt Pflanzen, die zur "falschen" Zeit blühen, sowie Bienen, die normalerweise im Frühjahr fliegen, nicht im Spätsommer, etwa Andrena scotica, Andrena cineraria, Andrena haemorrhoa, Nomada goodeniana. Offenbar stören die Temperaturen dieses ungewöhnlich langen und heißen Sommers die Jahresrhythmik ("innere Uhr") der Bienen.
- 85. Heriades rubicola Pérez 1890: neue Wildbienenart in Deutschland (14.06.2018)
In der Zeitschrift Eucera des Wildbienenforschers und -autors Dr. Paul Westrich melden in Heft 12|2018 Christoph Saure und Frank Wagner den Nachweis einer für Deutschland dritten Löcherbienen-Art und beschreiben u. a. Unterscheidungsmerkmale zu den größeren Gattungsgenossen H. truncorum und H. crenulatus. Die bisherigen Fundorte liegen in Berlin und Sachsen-Anhalt, Vorkommen der Art in Sachsen und Brandenburg seien damit sehr wahrscheinlich.
- 84. Medien: "Rettet die Bienen, aber nicht so!" (27.04.2018)
In ihrer Berichterstattung zum Freilandverbot der Neonikotinoide beleuchten deutsche Medien in ihren Online-Ausgaben das "Bienensterben" kritisch:
- Der SPIEGEL titelt "Das Verbot ist richtig, retten wird es die Bienen nicht" und meint: "Mit dem Bienensterben ist das so eine Sache. Global betrachtet existiert es gar nicht – zumindest nicht in Bezug auf die Westliche Honigbiene. Glaubt man den Schätzungen der Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO), ist die Zahl der Bienenstöcke zwischen 1961 und 2016 von ungefähr 50 auf gut 90 Millionen gestiegen. Das liegt vor allem daran, dass es in China und Indien deutlich mehr Bienen gibt als vor 55 Jahren. In Europa und Nordamerika, wo die Tiere neben ihrer wichtigen Rolle fürs Ökosystem auch in der Landwirtschaft dringend als Bestäuber für Obst und Früchte benötigt werden, ist die Zahl der Bienenstöcke im Vergleich zu 1961 dagegen gesunken. In Deutschland fiel sie von knapp zwei auf 0,7 Millionen, also auf fast ein Drittel. Hinzu kommt das allgemeine Insektensterben, von dem auch Wildbienen betroffen sind."
- Die ZEIT titelt "Rettet die Bienen, aber nicht so!" und führt aus: "Um Bienen nachhaltig zu schützen, muss den Experten zufolge bei der grundlegenden Ausrichtung der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelproduktion angesetzt werden. Wichtig dabei: Für Wild- und Honigbienen gelten unterschiedliche Rahmenbedingungen. Majas wilde Schwestern, etwa Hummeln, Mauerbienen, Sandbienen, Pelzbienen oder Hosenbienen, leiden am meisten unter dem Verlust der Vielfalt in unseren Landschaften. Sie leben einzeln oder in vergleichsweise kleinen Kolonien von höchstens einigen Hundert Tieren. Weltweit sind 20.000 Arten bekannt. Allein in Deutschland stehen mehr als die Hälfte der 569 Arten auf der Roten Liste. Die Bedrohung der Wildbienen ist menschengemacht: Wir verwandeln unsere Gärten in Steinwüsten oder legen eine grüne Ödnis aus Rasen und Thujahecken an. Wir flurbereinigen Feldgehölze, fällen Bäume, begradigen Bäche und Flüsse, legen Moore trocken und pflügen Ackerrandstreifen. Blütenreiche Wiesen düngen und mähen wir, bis sich außer Löwenzahn und Gänseblümchen nichts mehr aus dem Boden wagt. Daneben überziehen wir unser Land großflächig mit Straßen, Parkplätzen, Gewerbe- und Neubaugebieten."
Kommentar: Der SPIEGEL relativiert treffend das Imker-Schlagwort "Bienensterben", mit dem sich die Imkerschaft seit Jahren in den Medien Gehör verschafft. Wenn das Magazin allerdings mit Blick auf die Westliche Honigbiene von "ihrer wichtigen Rolle fürs Ökosystem" in Europa und Nordamerika spricht, hat es nicht gut recherchiert: Die Art wurde erst vom Menschen in die Neue Welt eingeführt, ist also kein natürlicher Bestandteil der amerikanischen Ökosysteme, und auch ihre Relevanz für unser heimisches Ökosystem ist nicht belegt.
Der Bewertung in der ZEIT ist hingegen uneingeschränkt zuzustimmen – besonders, wenn sie den britischen Entomologen Dave Goulson mit folgender Aussage im BBC-Radio zitiert: "In den 1940er Jahren hatten wir Organochlorpestizide wie das DDT. Nach deren Verbot gab es Pestizide auf Phosphorsäurebasis. Dann kamen die Neonikotinoide. Und als nächstes wird wieder etwas anderes, aber ähnlich Schädliches kommen. Wenn wir diesen Kreislauf nicht unterbrechen, sehe ich keine Hoffnung, daß sich etwas für die Umwelt verbessert."
- 83. Freilandverbot für drei bienenschädliche Insektengifte (27.04.2018)
Im zuständigen EU-Ausschuß in Brüssel unterstützt eine Mehrheit der 28 Mitgliedstaaten den Vorschlag der EU-Kommission, den Einsatz von drei Neonikotinoiden – Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam – auf Äckern zu verbieten und auf Gewächshäuser zu beschränken. Die EU unterband den Neonikotinoid-Einsatz bereits 2013 für Raps- und Mais-Saatgut. Auch Deutschland stimmt für das Verbot, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erklärt: "Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa."
Kommentar: Das Verbot ist halbherzig, solange nicht verhindert wird, daß Landwirte einfach auf ein anderes Neonikotinoid unsteigen können, etwa Thiacloprid. Auch ein vollständiges Verbot von Insektengiften würde allerdings das Insekten- bzw. Wildbienensterben nur verlangsamen, nicht stoppen: Entscheidend, aber erheblich schwieriger zu realisieren ist letztlich der Schutz der gefährdeten Lebensräume, also geeigneter Niststätten und der Vielfalt der heimischen Blütenpflanzen. Dazu gehört eine völlige Neuausrichtung der Landwirtschaft.
- 82. EFSA bestätigt die Giftigkeit von Neonikotinoiden für Bienen (28.02.2018)
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – European Food Safety Authority (EFSA) – mit Sitz in Parma (Italien) bestätigt die Gefährlichkeit von Neonikotinoiden für Bienen: "Die Mehrzahl der Anwendungen von Neonicotinoid-haltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar, so die EFSA in ihren heute veröffentlichten Bewertungen." Aktualisiert hat die EU-Behörde ihre Risikobewertungen für die drei Pestizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam, die u. a. zur Behandlung von Saatgut verwendet werden. Der Bericht bestätigt eine erste Studie von 2013, die damals mangels Daten insbesondere für Wildbienen nicht abgeschlossen werden konnte, aber die EU-Kommission bereits bewog, den Freiluft-Einsatz von Neonikotinoiden zu beschränken. Nun plädiert sie für eine weitere Einschränkung. Hersteller wie Bayer und Syngenta hingegen kritisieren den EFSA-Bericht.
Kommentar: Endlich haben die EU-Lebensmittelschützer auch die Wildbienen in den Blick genommen; zusammen mit vielen anderen Insekten würden sie von einem europaweiten Verbot aller Neonikotinoide profitieren. Honigbienen, die die Berichterstattung jahrelang beherrschten, sind hingegen am wenigsten vom "Bienensterben" betroffen: Vergiftungen ließen sich weitgehend durch "Flächenbindung" vermeiden – indem domestizierte Honigbienen nur auf dem Grund und Boden eines Imkers eingesetzt würden oder in den Kulturen von Landwirten, die einen Imker mit der Bestäubung beauftragen. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Christian Schmidt äußerte Anfang Dezember 2017 zu den Neonikotinoiden, ihre Verwendung müsse verboten werden, "sollte sich die Schädlichkeit dieser Stoffe bestätigen". Die Kritik der chemischen Industrie läßt Zweifel an diesem Versprechen aufkommen.
- 81. Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre verlängert (27.11.2017)
Die EU-Mitgliedstaaten verlängern die Zulassung des Total-Herbizids Glyphosat um fünf Jahre: 18 der 28 EU-Länder votieren für den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, neun Staaten dagegen, einer enthält sich. Anders als in früheren Abstimmungen stimmt auch Deutschland für die Verlängerung: auf eigenmächtige Veranlassung des Landwirtschaftsministers Christian Schmidt. Umweltministerin Barbara Hendricks, erklärte kurz zuvor ihre Ablehnung und kritisiert nun die deutsche Zustimmung als Vertrauensbruch, da die Geschäftsordnung der Bundesregierung bei Uneinigkeit die Enthaltung vorsieht. Schmidt verteidigt in den Medien seine Entscheidung als "sachgerecht" und "auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich entschieden" und erläutert auf der BMEL-Website: "Nach wie vor liegen keine wissenschaftlichen Gründe dafür vor, die weitere Nutzung von Glyphosat zu untersagen." Frankreich aber will das Herbizid auf seinem Markt spätestens in drei Jahren verbieten («au plus tard dans 3 ans»). Verkauft wurden nach Presseberichten 2016 in Deutschland 3780 Tonnen. Kommentar:
Eine Formulierung wie "sachgerecht" hat durchaus ihre Berechtigung, wenn man als "Sache" die Gewinninteressen der chemischen Industrie und industriellen Landwirtschaft versteht. "Wissenschaftliche Gründe" für ein Glyphosat-Verbot gibt es seit Jahren zuhauf, wissenschaftliche Arbeiten belegen den dramatischen Rückgang der Wildflora und als Konsequenz der Wildbienen. Der Agrarminister ist derselbe, der in einer Broschüre seines Hauses ernsthaft schreibt: "Rund 80 % der heimischen Pflanzen müssen von Honigbienen bestäubt werden."
- 80. Wildbiene des Jahres 2018: die "Gelbbindige Furchenbiene" (Halictus scabiosae) (24.11.2017)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" hat für 2018 Halictus scabiosae, die "Gelbbindige Furchenbiene", bestimmt (siehe Arbeitskreis Wildbienen-Kataster). Ihre Tergite weisen außer der langen, ockergelben (und Halictus-typischen) Behaarung der Endränder jeweils noch eine kürzere, weniger dichte Behaarung der Basis auf, wodurch bei frischen Exemplaren der Eindruck einer engen arttypischen Doppelbänderung entsteht. Die Weibchen erscheinen schon im April, die Drohnen erst ab Juni. Ungewöhnlich ist das primitiv-eusoziale Sozialverhalten: Mehrere Weibchen überwintern zusammen in ihrem Geburtsnest, aber nur eines legt Eier und bewacht das Nest, die anderen sammeln als "Hilfsweibchen" Pollen und Nektar zur Verproviantierung der Brutzellen. Halictus scabiosae ist zum Glück nicht gefährdet und zeigt seit Beginn des 21. Jahrhunderts sogar eine Ausbreitung vom Süden in den Norden Deutschlands.
- 79. Glyphosat ab Dezember 2022 verboten? (24.10.2017)
Das EU-Parlament beschließt, die Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat bis zum 15.12.2022 auslaufen zu lassen; die fünfjährige Frist soll der Landwirtschaft Zeit geben für die Entwicklung von Alternativen. Eine Verlängerung um 10 Jahre, von der EU-Kommission ursprünglich gefordert, wurde ebenso abgelehnt wie ein Vorschlag des Umweltausschusses, die Zulassung bereits in drei Jahren auslaufen zu lassen. Das Herbizid soll nach dem Willen des Europaparlaments auch auf Spielplätzen und in Parks EU-weit verboten werden. Das Votum ist allerdings nicht bindend, auch nicht, nachdem sich die Kommission ihm angeschlossen hat: Letztlich entscheidet jeder EU-Mitgliedstaat, ob er das Verbot umsetzt. Kommentar:
Diese fünfjährige Frist ist alles andere als sachlich begründet, sondern nur taktisch: ein Kompromiß zwischen den Interessen der Chemie-Industrie und des Bauernverbandes einerseits und den Forderungen von Naturschützern und Ökologen anderseits. Sachlich begründet wäre auch eine dreijährige Frist nicht: Der dramatische Rückgang der Insekten rechtfertigt nur den sofortigen Verzicht auf das Herbizid, und die ökologische Landwirtschaft hat bewährte Alternativen längst aufgezeigt.
- 78. Rückgang der Fluginsekten um drei Viertel (18.10.2017)
Die Online-Fachzeitschrift Plos One der Public Library of Science (San Fransisco, USA) veröffentlicht die Ergebnisse einer Langzeitstudie zum Insektenschwund: "More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas". Seit 1989 hatten Hobby-Entomologen des Entomologischen Vereins Krefeld (D) in 63 Schutzgebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg mit sogenannten Malaise-Fallen Fluginsekten gefangen und konserviert, insgesamt eine Biomasse von 53,54 kg. Die Auswertung durch Wissenschaftler aus den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien ergab einen Rückgang der jährlich gesammelten Insektenmasse um ca. 76 Prozent in 27 Jahren. Der Schwund sei somit noch größer als bisher angenommen, so der Biologe Caspar Hallmann von der Radboud University in Nijmegen (NL). Kommentar:
Die Ergebnisse der Studie sind im Prinzip überhaupt nicht neu: Der dramatische Insektenschwund der letzten Jahre und Jahrzehnte ist jedem Autofahrer durch eigene Anschauung – nämlich durch die klare Winschutzscheibe – bekannt. Auch über die Hauptgründe des Insektensterbens sind sich die meisten Wissenschaftler, Naturschützer und Laien ungeachtet noch zu klärender Detailfragen einig: die Intensivierung der Landwirtschaft durch zunehmenden Einsatz von Dünger und Pestiziden – nur 6% der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland werden ökologisch bewirtschaftet – und die Vernichtung naturnaher Landschaftselemente (Feldränder, Hecken, Gehölze, Kleinstgewässer, Ruderalflächen) im ländlichen wie auch Siedlungsraum. So plausibel solche Schlußfolgerungen auch sind, so hindern sie den deutschen Bauernverband nicht, ihnen zu widersprechen und weitere Untersuchungen zu fordern, weil der Rückgang der Insekten ja nur in Schutzgebieten ermittelt worden sei. So läßt sich Zeit gewinnen: Zeit für bequemes, unverantwortliches Nichtstun ... und Profit.
- 77. WDR: schlampige Insektizid-Beratung in Baumärkten (30.08.2017)
Pflanzenschutzmittel sind Gifte, die gemäß Pflanzenschutzgesetz in Baumärkten hinter speziellen Tresen, in verschlossenen Glasschränken oder abgetrennten Verkaufsbereichen zu lagern sind; Selbstbedienung ist untersagt, eine Beratung der Kunden vorgeschrieben. Zu beraten ist zur Lagerung, Anwendung, Entsorgung und zu alternativem Pflanzenschutz.
Der WDR hat, wie er heute meldet, in 32 Baumärkten nach wirksamen Mitteln gegen den Buchsbaumzünsler (Cydalima perspectalis) gefragt und Testkäufe durchgeführt. Das Ergebnis: "In nur einem Baumarkt wurde tatsächlich vorschriftsmäßig beraten – in allen anderen gar nicht oder nur lückenhaft. In immerhin vier Baumärkten erübrigte sich eine Beratung, weil dort von Anfang an ökologisch unbedenkliche Maßnahmen empfohlen wurden oder weil wegen fehlendem Fachpersonal kein Verkauf stattfand." Kommentar:
Diese Verkaufspraxis mag schockieren, ist aber seit vielen Jahren bekannt und trägt (etwa durch das Insektizid Thiacloprid) zum Insekten- bzw. Bienensterben bei. Auch versprochene bessere Schulungen des Verkaufspersonals werden daran nichts ändern, da sie auch früher nichts geändert haben. Der eigentliche Umweltschädling ist nicht der Zünsler, sondern der globalisierte Handel, durch den dieser Falter nach Europa gelangte, und der Gärtner, der das Gift versprüht.
- 76. Start des Verbundprojekts "BienABest" mit eigener Website (28.07.2017)
Die Website INGENIEUR.de des VDI-Verlages berichtet unter der Überschrift "Deutsche Wissenschaftler wollen Bienensterben stoppen" über das unten (29.5.2017) vorgestellte Projekt "BienABest". Der Bericht beginnt allgemein mit der Situation der Insekten: "Die Welt leidet an einem großen Insektensterben. Kürzlich warnte das Umweltbundesministerium davor – und das, obwohl das Phänomen schon lange andauert. Die Zahl der Insekten in Deutschland hat von 1982 bis heute um 80% abgenommen." Es folgt eine Beschreibung des Verbundprojekts zum Rückgang der Wildbienen, das nun auch auf einer eigenen Website des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und der Universität Ulm vorgestellt wird: "BienABest.de" (im Aufbau).
- 75. Deutsch-niederländisches Projekt: "Bienen kennen und verstehen lernen" (15.06.2017)
Der Botanische Garten der Universität Oldenburg stellt zusammen mit der niederländischen Stadt Leeuwarden und anderen Partnern in Oldenburg ein Schulprojekt vor: Ca. 30 Schulen im Raum Oldenburg und Emden sowie 30 weitere Schulen in den Niederlanden sollen im Frühjahr 2018 zum Thema Bienen forschen. Die Website News4techaers zitiert unter der Überschrift "Forschungsprojekt: Tausende Schüler kämpfen gegen das Bienensterben" den Direktor des Botanischen Gartens, Dirk Albach: "Wir hoffen, mehr Bewusstsein für die Vielfalt der Bienen zu schaffen" und ergänzt, "neben der Honigbiene gebe es rund 350 verschiedene Arten von Wildbienen". Die von den Kindern gesammelten Daten sollen angeblich von Wissenschaftlern zur "Erforschung des Bienensterbens" genutzt werden. Das Projekt solle drei Jahre laufen und werde von der EU mit rund 860.000 € gefördert. Kommentar:
- Die Artenzahl 350 mag für die Niederlande bzw. Niedersachsen in etwa zutreffen, in Deutschland allerdings sind insgesamt ca. 560 Arten nachgewiesen.
- Mit "Bienensterben" ist, wie ein Foto nebst Bildunterschrift zeigt, wieder einmal das angebliche Aussterben der Honigbienen gemeint; die Probleme in der Haltung dieser (übrigens nicht-heimischen) Haustiere wurden jedoch von den Imkern selbst verursacht und haben mit dem Aussterben unserer Wildbienen-Fauna nichts zu tun. Von Kindern gesammelte Daten werden zur "Erforschung des Bienensterbens" (welcher Bienen?) wohl kaum beitragen.
- Mit 860.000 € könnte man tatsächlich etwas bewirken, wenn das Geld in konsequenten wissenschaftsgestützten Naturschutz gesteckt würde statt in Erlebnisunterricht.
- 74. Neues Projekt "BienABest" gegen das Bienensterben (29.05.2017)
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) stellt in einer gemeinsamen Presserklärung mit dem Bundesumweltministerium (BMUB) das Projekt "BienABest" vor; das kryptische Kürzel steht für 'Standardisierte Erfassung von Wildbienen zur Evaluierung des Bestäuberpotentials in der Agrarlandschaft'. Es wird aus Mitteln des Bundesprogramms "Biologische Vielfalt" gefördert und soll dem Bienensterben Einhalt gebieten und die Bestäubungsleistung nachhaltig sichern. BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel erläutert: "Heute sind mehr als die Hälfte der 561 Wildbienenarten in ihrem Bestand bedroht und werden deshalb in der Roten Liste Deutschlands geführt, mit steigender Tendenz. Hier muss dringend etwas geschehen. Deshalb freue ich mich, dass das neue Projekt beispielsweise mit der Entwicklung von Saatgutmischungen und der Erprobung und Anlage von Nahrungshabitaten – speziell für Wildbienen – versucht, wichtigen Ursachen für den Rückgang der Bienen entgegenzuwirken." Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks: "Unser Umgang mit der Natur hat massive Auswirkungen auf die Wildbienen: Es wird viel zu viel gemäht, gedüngt und gespritzt, ganze Lebensräume verschwinden. [...]". Ein "Kernstück" des sechsjährigen Projekts ist die Entwicklung eines Bestimmungsschlüssels. Wörtlich erläutert die Presseerklärung: "Dieser ermöglicht die Artbestimmung der Mehrzahl der Wildbienenarten direkt im Gelände. Das Besondere: Die Wildbienen können lebend bestimmt und anschließend wieder freigelassen werden. [...]" Kommentar:
- Das 'Bestäuberpotential in der Agrarlandschaft' ist unklar: Ist die Anzahl in unseren Agrarsteppen überlebender Wildbienen gemeint – oder ihr Potential, noch vorhandene Wildpflanzen-Bestände zu bestäuben, oder gar jene wenigen Kulturpflanzen, die tatsächlich für die menschliche Ernährung eine nennenswerte Rolle spielen?
- "Saatgutmischungen" erinnern an jene Mischungen aus heimischen wie fremdländischen Blütenpflanzen, die Feld- und Wegsäume in fürs Auge attraktive bunte "Blühstreifen" oder/und in ergiebige Flächen für Honigbienen verwandeln sollen. Ökologisch sinnvoll ist aber der Schutz an den jeweiligen Standort angepaßter Wildpflanzen.
- "Erprobung und Anlage von Nahrungshabitaten" klingt wie eine Forderung aus einem Imker-Projekt mit dem Ziel der Trachtoptimierung. Vorrang sollten aber – unabhängig von landwirtschaftlichem Nutzen – Schutz und Pflege vorhandener natürlicher Habitate haben, deren "Erprobung" die Natur in Millionen von Jahren längst geleistet hat.
- Ein "Bestimmungsschlüssel" für die "Mehrzahl der Wildbienenarten" ist Illusion und wird immer Illusion bleiben: Selbst spezialisierte Entomologen mit jahrelanger Erfahrung können – unter Nutzung aller Kriterien inklusive Flugzeiten, Pollenpräferenzen, Nistplätze etc. – "nur" ca. ein gutes Drittel der Bienenarten sicher im Gelände bestimmen; für engagierte Laien ist entsprechend kaum ein Viertel realistisch.
- Was gegen das Artensterben insbesondere in der Landwirtschaft unternommen werden müßte, ist seit Jahrzehnten bekannt. Offenbar scheut die Bundesumweltministerin den Konflikt mit mächtigen Gegnern: der Landwirtschaftslobby, dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), der chemischen Industrie ...
- 73. Dasypoda morawitzi (Radschenko, 2016): neue Wildbienenart in Deutschland (09.05.2017)
In der "Zeitschrift für Aculeaten Hymenopteren" AMPULEX, Heft 9|2017, melden Christian Schmid-Egger und Andreas Dubitzky den Nachweis einer für Deutschland vierten Hosenbienen-Art und beschreiben Unterscheidungsmerkmale zur nahe verwandten und viel häufigeren Dasypoda hirtipes. Der einzige in Deutschland bekannte Fundort ist Mallnow in Ostbrandenburg, der einzige österreichische bislang Seewinkel bei Illmitz (Neusiedlersee). Zuvor war Dasypoda morawitzi vor allem in der Ukraine, Bulgarien und Rußland nachgewiesen worden.
- 72. Der BUND fordert einen "Bienenaktionsplan" (26.04.2017)
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) fordert von der Bundesregierung die Entwicklung und zügige Umsetzung eines "nationalen Bienenaktionsplans" und bewirbt diesen auf seiner Website auch mit einer gleichnamigen PDF-Broschüre. Kommentar: Viele der zur Begründung gemachten Aussagen sind allerdings problematisch:
- "Zwei Drittel unserer Nahrungspflanzen sind auf Bestäubung angewiesen." ⇒ Diese Bruchzahl mag zustande kommen, wenn man die Nahrungspflanzen weltweit zählt und dabei auch jene, die nur minimal als Nahrungs- oder Genußmittel genutzt werden. Seriös wäre die Ermittlung der quantitativen Anteile an unserer Ernährung: Kartoffeln, Kulturgräser (Weizen, Roggen, Mais, Reis etc.), viele Gemüse, Fisch und Fleisch machen den größten Anteil an unserer Nahrung aus, werden aber gar nicht von Insekten bestäubt.
- "Mit dem Bienensterben ist das Funktionieren des Ökosystems in Gefahr." ⇒ Ein Klick auf "Bienensterben" erweist, welche Bienen gemeint sind: die Honigbienen. Das würde bedeuten, die Imker sorgten für das Funktionieren des Ökosystems. Sollte das amerikanische Ökosystem erst nach der Einführung der Honigbiene dort funktioniert haben?
- "Die Bienen sind in Gefahr. Vor allem in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gegenden sind Verluste von Honigbienen-Völkern und eine Schwächung der Bienen zu beklagen." ⇒ Domestizierte Honigbienen sind nicht in Gefahr – auch nicht durch gemeldete "Verluste von bis zu 50 Prozent": Seit ihrer Domestizierung bevölkern sie in größerer Anzahl die Erde als jemals zuvor. Vom Aussterben bedroht ist in Europa allerdings die wildlebende Dunkle Honigbiene (Apis m. mellifera) – auch durch die von Imkern verbreiterte Varroa-Milbe.
- "Nicht nur für Bienen und Wildbienen sind diese Maßnahmen vorteilhaft, [...]" ⇒ Das stützt die Monopolisierung des Begriffs Bienen für 'Honigbienen' durch die Imker und ist ebenso widersinnig wie "Menschen und Frauen" – und ein Formulierungsfehler, der einem Naturschutzbund nicht unterlaufen sollte.
- "Die Gründe für das Sterben von Wildbienen und Bienenvölkern liegen hauptsächlich in der industriellen Landwirtschaft. Diese ist von Überdüngung, dem Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide sowie dem Verlust von vielfältigen Strukturen wie Hecken, Feldrainen und Blühflächen gekennzeichnet." ⇒ Die industrialisierte Landwirtschaft ist in der Tat der Hauptgrund für das Wildbienensterben – und für das Ausweichen der Imker in die Städte, wo ihre Hausbienen dort noch lebende (teilweise hochspezialisierte) Wildbienen aus letzten Refugien verdrängen können. Erklärungsbedürftig wäre aber, warum Honigbienen offenbar für Naturschützer wichtiger sind als für Landwirte, die von Nahrungspflanzen leben.
- 71. Französisches Bienenbuch aus Belgien (26.04.2017)
Nicolas Vereecken, Doktor und Professor an der Université libre de Bruxelles mit einem international bekannten Namen in der Wildbienenforschung, legt ein reich bebildertes informatives Buch über Wildbienen in französischer Sprache vor: Vereecken, Nicolas (2017): Découvrir & protéger nos abeilles sauvages. Glénat, Grenoble. [Rezension ]
- 70. Pestizidverbot in Frankreich (01.01.2017)
Radio-Nachrichten melden Ende 2016 einen Parlamentsbeschluß in Frankreich: Dort dürfen, um die Umwelt und Insekten zu schützen, ab 2017 in Parks und öffentlichen Gärten sowie auf Straßenbeeten keine Pestizide mehr gespritzt werden. Zwei Jahre später sollen Privatleute für ihre Gärten keine Pestizide mehr kaufen können. In der Landwirtschaft allerdings, wo die meisten Pestizide versprüht werden, bleiben Pflanzenschutzmittel vorerst erlaubt. Auch in Deutschland dürfen in Parks und an Spielplätzen Pestizide nur ausnahmsweise bzw. mit Genehmigung gespritzt werden.
Kommentar: Ein spürbarer Effekt für den Arten- und Naturschutz ist von einem Pestizid-Verbot erst zu erwarten, wenn es gemäß der Sozialpflichtigkeit des Eigentums auch in privaten Gärten durchgesetzt wird: Deren Gesamtfläche ist bekanntlich weitaus größer als die aller Naturschutzgebiete zusammen. Beenden ließe sich das Artensterben allerdings erst durch die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft und von der (ganz wörtlich) flächendeckenden Versiegelung unserer Landschaften.
- 69. Wildbiene des Jahres 2017: die "Knautien-Sandbiene" (Andrena hattorfiana) (28.11.2016)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" hat für 2017 die Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana) ausgewählt (siehe: Arbeitskreis Wildbienen-Kataster im Entomologischen Verein Stuttgart 1869 e. V.). Der Untertitel "Markenzeichen: Rote Hosen" auf dem Faltblatt verweist auf den roten Pollen der Acker- bzw. Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis), auch "Wiesen-Knautie" genannt. Wenn diese verschwindet, kann die auf sie spezialisierte (oligolektische) Bienenart nicht auf anderen Pollen ausweichen und verschwindet ebenfalls. Häufige Mahd und Düngung blütenreicher Wiesen oder ihre Umwandlung in Ackerland sind die Ursachen für die Gefährdung der Nahrungsspezialisten, die fast ein Viertel aller Bienenarten ausmachen.
- 68. "Deutsche Bahn macht Flächen für Bienen frei" (27.10.2016)
Unter dieser Überschrift berichtet das Magazin Focus über eine Aktion der Deutsche Bahn. Der Leiter der Abteilung DB Umwelt, Andreas Gehlhaar, wird mit der Behauptung zitiert: "Honigbienen sind ein Rückgrat für eine intakte Natur. Dieses Rückgrat droht zu brechen, weil die Zahl der Bienen dramatisch zurückgeht." Die Bahn gebe Hobby-Imkern die Möglichkeit, auf ihren Flächen (in Deutschland ca. 1,3 Milliarden m²) zu imkern. Der Focus begründet: "Auf den zum Teil brachliegenden Bahn-Flächen haben sich viele Blütenpflanzen angesiedelt – eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen."
Kommentar: Solchen Brachen, im Fachjargon Ruderalflächen, weisen tatsächlich (oft seltene) Pflanzen auf, die in der industrialisierten Landwirtschaft wie in Privatgärten nicht mehr zu finden sind. Besonders die seltenen Pollenspezialisten unter der Wildbienen, sog. oligolektische Arten, finden dort oft letzte Refugien, die sie vor dem Aussterben bewahren. Gerade das Aussterben aber ist zu befürchten, wenn Ruderalflächen dieser Größenordnung von den Haustieren der Imker überschwemmt und kleine Wildbienen-Populationen verdrängt werden. Das Projekt der Deutschen Bahn fördert also de facto die großflächige Vernichtung unserer Wildbienenfauna. Gerade die ca. 570 in Deutschland heimischen Wildbienenarten aber sind "ein Rückgrat für eine intakte Natur" – nicht die Hausbienen des Menschen. Eigentlich müßte der Beitrag des Focus lauten: "Deutsche Bahn sperrt Flächen für Wildbienen".
- 67. Neuerscheinung: Nisthilfen-Buch von Werner David (17.10.2016)
Fertig zum Einzug: Nisthilfen für Wildbienen · Leitfaden für Bau und Praxis – so gelingt's. Der Titel des 160 Seiten langen Buch aus dem pala-verlag (Darmstadt) ist ebenso lang wie treffend: Werner David, begeisterter Wildbienenfreund und -experte, Fotograf und Praktiker mit jahrelanger Erfahrung, läßt keinen Nisthilfentyp und keinen Aspekt unberücksichtigt, wie schon die ersten 7 Kapitelüberschriften zeigen:
Unbekannte Welt der Wildbienen · Gärten für Wildbienen · Nisten im Hohlraum · Nagen · Graben · Antworten auf wichtige Fragen · So bitte nicht!. Nur Hummelkästen und -haltung werden nicht erörtert. Wer die vielen Anleitungen und Ratschläge umsetzt, ist vor Mißerfolgen und Enttäuschungen gefeit. [Rezension
]
- 66. Epeolus fallax Morawitz 1872: neue Wildbienenart in Deutschland (13.09.2016)
Am 8. September 2016 entdeckte und identifizierte der bekannte Wildbienen-Experte Paul Westrich während einer Exkursion am Tuniberg (bei Freiburg, südlich des Kaiserstuhls) eine für Deutschland neue Bienenart: die Filzbiene Epeolus fallax. Einer der Wirte dieses Kuckucks ist Colletes hederae Schmidt & Westrich 1993, also die Efeu-Seidenbiene, die Dr. Westrich 1993 zusammen mit seinem Kollegen Schmidt als neue Art bestimmen konnte. Näheres ist nachzulesen auf Paul Westrichs Website unter "Beobachtungen im Jahr 2016".
- 65. FOCUS-Kampagne: "Unsere Bienen – Vom Aussterben bedroht" (05.08.2016)
Die Biene schafft es auf das Titelblatt des FOCUS, dort ist heute, umschwärmt von 10 Honigbienen, zu lesen: "Unsere Bienen – Vom Aussterben bedroht. Warum das wichtige Nutztier gefährdet ist und was wir unternehmen müssen, um es zu retten". Auf der Web-Seite des Magazins erfährt der Leser unter anderem: "Würden die Bienen für immer verschwinden, hätte das auch für den Menschen dramatische Auswirkungen. Drei Viertel aller Nutzpflanzen sind auf die Bestäubung durch die Insekten angewiesen, ohne sie gäbe es beispielsweise kaum noch Äpfel, Mandeln oder Kürbisse. Doch es gibt auch Hoffnung: Immer mehr Bundesbürger haben die Imkerei als Hobby für sich entdeckt und bevölkern die Städte mit ihren Bienen."
Kommentar: Aussagen dieser Art sind nicht neu und vor allem aus Imker-Kreisen wohlbekannt. Nicht erläutert wird z. B.
- wieso ausgerechnet jene Biene (nämlich die Honigbiene) "vom Aussterben bedroht" sein soll, die seit ihrer Domestizierung in größerer Anzahl die Erde bevölkert als jemals zuvor;
- warum nicht statt dessen die auch von Imkern im letzten Jahrhundert betriebene Ausrottung "unserer" heimischen Dunklen Honigbiene (Apis mellifera mellifera) angeprangert wird;
- welchen Nutzen Honigbienen, mit denen Hobby-Imker unsere Städte bevölkern, für Nutzpflanzen auf dem Land haben sollen (fliegen sie jeden Morgen aufs Land?);
- welche Auswirkung die Stadtimkerei auf jene Wildbienen hat, die ihre ehemaligen Lebensräume verloren und in unseren Siedlungen letzte Refugien gefunden haben;
- welche "drei Viertel aller Nutzpflanzen" angeblich weltweit auf "die Insekten" (nur Honigbienen?) angewiesen sind, wie hoch der von (Honig-) Bienen bestäubte Anteil an unserer Nahrung wirklich ist bzw. daß der größte Anteil (Kartoffeln, Mehlprodukte, Reis, Fisch und Fleisch, viele Gemüse etc.) gar nicht von Insekten bestäubt wird.
- 64. Wildbiene des Jahres 2016: die "Bunthummel" (Bombus sylvarum) (22.12.2015)
Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" stellt als Titelträger für 2016 Bombus sylvarum (die "Bunthummel") vor – leider unter dem Namen Bunte Hummel, der ähnlich unglücklich gewählt ist, wie es Rotes Schwänzchen für Rotschwänzchen wäre (siehe: Arbeitskreis Wildbienen-Kataster im Entomologischen Verein Stuttgart 1869 e. V.). Die Art ist im Norden und Nordwesten Deutschland selten, in den anderen, vor allem wärmeren Regionen aber vielerorts zu finden; nur in Wäldern, wie der ältere Name Waldhummel suggerierte, kommt sie nicht vor. Ihren aktuellen deutschen Namen trägt diese hübsche Hummel zu Recht: Ihr gelblich-weißer Pelz kontrastiert auffällig mit dem breiten schwarzen Streifen auf der Thorax-Oberseite und dem orangeroten Abdomen-Ende.
- 63. Fossile Bienen waren Pollenspezialisten (07.12.2015)
Eine unter Federführung der Universität Bonn erstellte Studie liefert Erkenntnisse zum Pollensammelverhalten der Bienen des Eozäns, deren fossile Überreste in der berühmten Grube Messel nahe Darmstadt und im Eckfelder Maar in der Vulkaneifel im Ölschiefer ehemaliger Seen entdeckt wurden. Der für den Nachwuchs in den Sammelbürsten der Hinterbeine gespeicherte Pollen stammte stets von denselben Pflanzen: überwiegend immergrünen Büschen, die zudem sehr ähnliche Blüten ausbildeten. Der im Kopfbereich, an Brust und Hinterleib gefundene Pollen hingegen stammten von ganz unterschiedlichen Pflanzen, die zur Nektaraufnahme besucht wurden. Obwohl die beiden Funde mit 48 (Messel) und 44 Millionen Jahren (Eckfelder Maar) unterschiedlich alt sind, blieb das Verteilungsmuster der Pollenkörner an Beinen und Körper offenbar vier Mio. Jahre lang sehr ähnlich. Da 100 Millionen Jahre alte Bienenfossilien noch nicht gefunden wurden, läßt sich über das Sammelverhalten der ersten Bienen (noch) nichts sagen.
Quelle: Wappler, Torsten & Conrad C. Labandeira, Michael S. Engel, Reinhard Zetter & Friðgeir Grímsson: "Specialized and generalized pollen-collection strategies in an ancient bee lineage" in Current Biologie, Volume 25, Issue 23, pp. 3092–3098. (DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2015.09.021)
- 62. Feldführer über die Bienen Großbritanniens und Irlands (02.11.2015)
Der englische Wildbienen-Experte Steven Falk, deutschen Bienenfreunden bekannt durch seine flickr-Bilder-Galerie, veröffentlicht zusammen mit dem Illustrator Richard Lewington den Field Guide to the Bees of Great Britain and Ireland. Mit über 700 Fotos meist beider Geschlechter und über 1.000 hervorragenden Illustrationen sowie umfassenden Informationen zur Bienen-Biologie und Steckbriefen aller 275 britischen und irischen Bienenarten empfiehlt sich das Werk allen Naturfreunden, die des Englischen mächtig sind. [Rezension ]
- 61. Megachile sculpturalis: neue Wildbienenart in Deutschland (25.09.2015)
Am 23. August 2015 entdeckte Andreas Knapp in Langenargen (am nördlichen Ufer des Bodensees) an Nisthilfen für Solitärbienen ein Neozoon: die Asiatische Riesen-Mörtelbiene (Megachile sculpturalis). Es ist der erste Nachweis nördlich der Alpen und in Deutschland. Näheres ist nachzulesen auf Paul Westrichs Website unter "Megachile sculpturalis 5".
- 60. Kanadische Studie zum Nutzen sogenannter Bienenhotels (18.03.2015)
Zwei Biologen, J. Scott MacIvor und Laurence Packer, veröffentlichen am Biology Department der York University in Toronto (Ontario, Kanada) eine Studie mit der Fragestellung ‘Bee Hotels’ as Tools for Native Pollinator Conservation: A Premature Verdict? (Im Web: ). Die folgenden Hypothesen wurden untersucht, die Ergebnisse sind fettgedruckt:
- Im Vergleich zu heimischen Bienenarten seien eingeführte in "Bienenhotels" häufiger. Eingeführte Arten seien in ihren Anforderungen ans Habitat flexibler und könnten deshalb neue Lebensräume besiedeln, inklusive Bienennisthilfen. Erkenntnis ⇒ Eingeführte Bienen nutzen Nisthilfen nicht häufiger als heimische.
- Solitärwespen, die dieselben Nesthöhlungen nutzen, seien in Nisthilfen häufiger als heimische Bienen, weil Wespen überall verfügbares Nistmaterial (Erde, Gras) zum Bau ihrer Brutzellen nutzten, Bienen aber eher lokal verfügbares Material (Harz und Blätter bestimmter Pflanzen). ⇒ Wespen können tatsächlich (heimische wie eingeführte) Bienen an Nisthilfen überflügeln.
- Eingeführte Arten in Bienen-Nisthilfen seien häufiger in stark menschlich überformten Gegenden; zu erwarten sei dies, weil Studien der städtischen Insektenvielfalt eine Dominanz eingeführter Arten ergeben hätten. ⇒ In Hausgärten sind heimische Bienen häufiger, in künstlicherem Umfeld (z. B. auf begrünten Dächern) eingeführte Arten.
- Im Vergleich zu heimischen Bienenarten würden eingeführte weniger parasitiert. Parasiten kämen in "Bienenhotels" häufiger vor als in natürlichen Niststrukturen, auch weil sie in einer großen Nesteranzahl leichtere Ziele fänden – was die Parasitierung heimischer Arten verschärfen könne. ⇒ Eingeführte Arten werden langfristig weniger parasitiert.
Falls die Hypothesen 1, 3 und 4 bestätigt würden, könnten die Autoren zwei zusätzliche Hypothesen vorschlagen:
- Eingeführte Bienenarten nutzten Bienennisthilfen von Jahr zu Jahr mehr. ⇒ Eine allmähliche Zunahme heimischer oder eingeführter Bienen war nicht nachzuweisen.
- Eingeführte Bienen brächten in den Nistgängen künstlicher Nisthilfen mehr Weibchen hervor. ⇒ Dies traf zu; umgekehrt brachte die heimische (kanadische) Osmia pumila signifikant weniger weiblichen Nachwuchs hervor als jede der zwei eingegführten Arten.
- 59. Der BUND gewinnt einen Rechtsstreit gegen Bayer (11.03.2015)
Die Bayer CropScience Deutschland GmbH, eine Tochter der Bayer AG (Leverkusen), verliert einen Rechtsstreit gegen den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND). Dieser darf nach dem heute verkündeten Urteil des Landgerichts Düsseldorf wieder uneingeschränkt sagen, zwei von Bayer hergestellte Pestizidprodukte seien für Bienen gefährlich und bei dem darauf abgebildeten Logo mit dem Aufdruck nicht bienengefährlich handele es sich um eine Irreführung von Verbrauchern.
Der BUND hatte Anfang Dezember 2014 einen "Einkaufscheck" zum Verkauf von Pestiziden in Bau- und Gartenmärkten veröffentlicht, in dem er zwei Bayer-Cropscience-Produkte kritisierte, die den Wirkstoff Thiacloprid enthalten: ein sogenanntes Neonikotinoid, welches nach neueren Forschungen Navigationsgedächtnis, Kommunikation und Sammelaktivität von Honigbienen beeinträchtigt. Bayer Cropscience erwirkte daraufhin gegen den BUND am 23.12.2014 eine einstweilige Verfügung, in der die Richterin "ohne vorangegangene mündliche Verhandlung" dem BUND die Behauptung untersagte, die Bayer-CropScience-Produkte Calypso und Lizetan enthielten "das für Bienen gefährliche Neonikotinoid Thiacloprid" bzw. seien "ein bienengefährliches Pesitizid", "ohne dass dabei zugleich auf die gesetzliche Zulassung von [Calypso bzw. Lizetan] und die behördliche Einstufung als 'nicht bienengefährlich' hingewiesen wird." Dem Antragsgegner wurde "im Fall der Zuwiderhandlung angedroht: die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 25.000.00 EUR [...]".
Kommentar: Der Begriff bienengefährlich bzw. bienenungefährlich stellt einen behördlichen Kompromiß zwischen den Interessen der Landwirtschaft, Agrarindustrie und Imkerei dar; die angewandten Kriterien (vor allem die Mortalität der adulten Honigbienen) wäre auf wertvolles Nutzvieh nicht anwendbar – und erst recht nicht auf die menschliche Gesundheit. Die Auswirkungen der Agrarchemie auf Wildbienen werden nicht einmal untersucht. Das Ansinnen der Bayer CropScience Deutschland GmbH, man dürfe ihre Pestizide gar nicht bzw. nur dann kritisieren, wenn man zugleich auf die behördliche Einstufung hinweise, stellt – auch unabhängig von der tatsächlichen Gefährlichkeit – einen nicht hinnehmbaren Versuch dar, vermeintliche wissenschaftliche Wahrheit behördlich zu verordnen und freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Der BUND andererseits sollte sich fragen, ob ein Naturschutzverein für den Schutz von Nutztierrassen (domestizierte Honigbienen) und -haltern (Imker) zuständig ist, die selbst ein Gefährdungspotential für Wildbienen darstellen.
- 58. LIDL verkauft ein "Insektenhotel" für 9,99 € (09.03.2015)
Die Supermarkt-Kette LIDL zieht mit dem "FLORABEST® Insektenhotel" nach und bietet gleich drei Modelle an: ein Hexagon (ca. B28 x T10 x H33,5 cm), ein Dreieck (ca. B28 x T8,5 x H40 cm) und ein Haus mit Satteldach (ca. B27,5 x T9 x 39,5 cm). "Mit Tannenzapfen, Holzstückchen und Bambusröhrchen für optimale Unterschlupfmöglichkeiten" sei das Produkt, so die LIDL-Internetseite, eine "Nist- und Überwinterungshilfe für viele nützliche Insekten". Auf den Fotos der drei Modelle sind jeweils drei (augenscheinlich hineinkopierte) Mauerbienen und Honigbienen zu sehen. Honigbienen finden jedoch hier niemals ein Zuhause, und für Mauerbienen eignen sich die drei "Insektenhotels" noch weniger als die zwei Konkurrenzprodukte von ALDI: Den größten Anteil der Fronten nehmen billig mit Holzstücken, Tannenzapfen und Stroh gefüllte Fächer ein, die unbesiedelt bleiben. Eine Stichprobe in Düsseldorf ergibt: Etliche der Niströhrchen sind entweder viel zu weit oder verschlossen; andere sind nur 1,5–2,5 cm tief aufgebohrt. Im Vergleich zur Größe der "Nist- und Überwinterungshilfe" lassen relativ wenige Röhren aufgrund geeigneter Durchmesser und Längen eine erfolgreiche Besiedlung erwarten. Positiv ist nur die "Aufhängebohrung" statt Kordel. Schlimmer als der Wind wäre allerdings der Regen: Ein feuchte Nisthilfe verrottet schnell und wird unansehnlich und spätestens beim nächsten Frühjahrsgartenputz "entsorgt" – zusammen mit wenigen Brutzellen, die sich evtl. doch in einigen Röhren entwickeln konnten. ( Wildbienen-Schutz: Seite "So nicht!")
- 57. ALDI Süd verkauft ein "Bienenhotel" für 9,99 € (05.03.2015)
Der Supermarkt-Riese ALDI Süd bietet ein "GARDENLINE® Bienenhotel" in zwei Versionen für je 9,99 € an. Der Konzern zeigt beide in seinem Prospekt und auf seiner Website an einem dünnen Baumstamm baumelnd und bewirbt sie u. a. mit diesen Worten: "Dient als Bleibe für die Nacht, zum Brüten oder als Überwinterungshilfe. Auch für Insekten geeignet." Der Lieferant des "Bienenhotels" ist die Bergland Creation GmbH in A-5020 Salzburg, die auf ihrer Website mit den Worten bewirbt: "Für die Saisonen Weihnachten, Frühjahr/Ostern, Sommer, Herbst/Halloween aber auch für das ganze Jahr bieten wir hochwertige Dekorationsartikel an." Leider weisen Produkt und Text fachliche Mängel auf:
- Der Begriff "Bienenhotel", angelehnt an menschliche Übernachtungshäuser, ist irreführend: Bienen besiedeln eine "Bienen-Nisthilfe" nur zwecks Anlage ihrer Brutzellen.
- Die Aussage "Auch für Insekten geeignet" ist unsinnig: Hält ALDI etwa Bienen nicht für Insekten – und für welche Insekten eignet sich die Nisthilfe "auch"?
- Beide Modelle schwingen im Wind hin und her, beide besitzen kein breit überstehendes Dach; sie werden folglich bei Wind und Regen kaum oder gar nicht besiedelt.
- Die Bautiefe ist mit nur 9 bzw. 10 cm unnötig gering: Die Nistgänge sollten mind. 12 cm tief sein und das Dach zum Schutz gegen Regen mindestens 20 cm.
- Die Stengel sind überwiegend nicht hohl, schon die erste Stichprobe in einer ALDI-Filiale ergibt im ersten Fach des Flachdach-Modells 40 noch markhaltige Stengel.
- Die Bohrungen in den Weichholz-Aststücken (dort leider im Hirnholz) zeigen durchweg Fasern, die Bienen den Zugang erschweren oder verwehren.
- Der zentrale Hohlraum mit senkrechtem Schlitz soll wohl Schmetterlinge anlocken, tut dies aber erfahrungsgemäß nicht.
- Die vergitterte, mit Holzstückchen, Spänen etc. gefüllte Kammer unter dem Dach soll Marienkäfer oder Florfliegen anlocken, was ebenfalls nicht funktioniert.
Das "Bienenhotel" hat – übrigens wie ähnliche "Insektenhotels" anderer Supermarkt-Ketten – auch einen Vorteil: Mit 9,99 € ist es geeignet, denen das Geschäft zu verderben, die 40 € oder mehr für ein solches untaugliches Produkt verlangen. Außerdem läßt es sich nachträglich mit einigem Aufwand durchaus – wenn auch nicht optimal – bienentauglich machen:
- Wenn die Nisthilfe nicht gerade regen- und windsicher unter einem Balkon an einer Wand hängen soll, sollte ein geschickter Bastler die Kordel durch eine Metallschiene oder Holzleiste zum Andübeln ersetzen, das Holz ungiftig lasieren und ein breites (Aluminium- oder Kunststoff-) Dach aufschrauben.
- Die Eingänge und Innenwände der Stengel und Aststücke sollte der Bienenfreund sorgfältig mit einem Akku-Bohrer und einer Rundfeile von Fasern befreien und glätten.
- Die Abdeckung mit Schlitz und das Gitter sollte er entfernen und die frei gewordenen Hohlräume mit einem Hartholzblock und hohlen Stengeln füllen.
- 56. Das Genom von 561 Bienenarten entschlüsselt (15.01.2015)
- Seit 2009 verfolgt das Projekt "Barcoding Fauna Bavarica" an der Zoologischen Staatssammlung München (ZSM) das Ziel, die artspezifischen DNA-Barcodes jeder Tierart in Bayern und Deutschland zu erstellen. Die ZSM kooperiert dabei mit dem International Barcode of Life-Projekt (IBOL) des Canadian Centre for DNA Barcoding (CCDB). Die DNA-Datenbank soll es ermöglichen, alle deutschen Tierarten zuverlässig, schnell und kostengünstig zu bestimmen. In über fünf Jahren wurden nun 561 Bienenarten aus Zentraleuropa (503 aus Deutschland) genetisch analysiert. Die Ergebnisse bestätigen weitgehend die Erkenntnisse der letzten 250 Jahre klassischer Taxonomie – aber nicht vollständig: Es gibt weiterhin distinkte Arten mit gleichen DNA-Sequenzen, z. B.: "Colletes hederae and C. succinctus are well-established species (Kuhlmann et al. 2007), but a single full-length barcode sequences for C. succinctus was identical to two sequences for C. hederae." Der Weisheit letzter Schluß ist Barcoding offenbar nicht.
(Quelle: Schmidt, Stefan et al.: "DNA barcoding largely supports 250 years of classical taxonomy: identifications for Central European bees (Hymenoptera, Apoidea partim)" in: MOLECULAR ECOLOGY RESOURCES, 2015 · onlinelibrary.wiley.com/ & early view & Appendix S6 · science.apa.at/ · www.uni.at/)
- 55. Wildbiene des Jahres 2015: die "Zaunrüben-Sandbiene" (Andrena florea) (23.12.2014)
- Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" wählt am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart auf Vorschlag von Dr. Heiko Bellmann † die "Wildbiene des Jahres 2015": Andrena florea (die "Zaunrüben-Sandbiene"). Diese streng oligolektische Art ist auf den Pollen der Zaunrübe (Bryonia spec.) spezialisiert, einer krautigen Kletterpflanze aus der Familie der Kürbisgewächse (Cucurbitaceae), die mit ihren spiralförmigen Ranken an Sträuchern und Zäunen hochwächst. Die Beeren der zweihäusigen Rotfrüchtigen Zaunrübe (Bryonia dioica) sind rot, die Beeren der einhäusigen Weißen Zaunrübe (Bryonia alba) schwarz. Obwohl die reifen Früchte beider Arten giftig sind, sollte man sie statt rankender exotischer Zierpflanzen im eigenen Garten ansiedeln, um einen Beitrag zum Schutz der Zaunrüben-Sandbiene zu leisten und sich an ihren Blütenbesuchen zu erfreuen ( Wildbienen-Kataster · LNV BW).
Die Erd- bzw. Sandbiene Andrena florea ähnelt einer Honigbiene, wenn diese rote Ringe auf dem Thorax-nahen Hinterleib zeigt, ist aber schlanker, hat vollständig behaarte Beine sowie die übrigen Merkmale der Gattung Andrena. Als typische Solitärbiene nistet die Art einzeln in vegetationsarmen Bodenstellen. Ein ausführliches Artenportrait findet sich in der Sektion "Wildbienen-Portraits".
- 54. EU-Verordnung zu invasiven gebietsfremden Arten (04.11.2014)
- Die unten zitierte "Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten" (PDF) ist im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht, sie tritt somit am 01.01.2015 in Kraft.
- 53. Blütenpflanzen und ihre Gäste – Teil 4 (03.11.2014)
- Helmut & Margrit Hintermeier legen den vierten und letzten Teil Ihres Titels Blütenpflanzen und ihre Gäste vor. Das Taschenbuch im Format 21 x 20 x 1,6 cm enthält auf 276 Seiten 689 Farbfotos, kostet 19,80 € und erscheint wie der 3. Teil im Selbstverlag in Gallmersgarten (ISBN: 978-3-7689-0286-1).
- 52. Projekt „Smartbees“ bekommt sechs Millionen Euro von der Europäischen Kommission (03.11.2014)
Die Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Humboldt-Universität zu Berlin informiert unter der Überschrift "Damit es Europas Bienen wieder besser geht" über ein 6.000.000-€-Geschenk der Europäischen Kommission an das Projekt „Smartbees“ zur Erforschung der genetischen Vielfalt. Koordiniert wird dieses von Dr. Kaspar Bienefeld, der die Abteilung Zucht und Genetik am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf leitet und Honorarprofessor am Albrecht-Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin ist. Leider führt bereits die zitierte Überschrift in die Irre: Es geht nicht um das Wohlergehen von "Europas Bienen", sondern ausschließlich um die genetische Vielfalt und den Nutzen von Europas Honigbienen für die Imkerschaft. Kommentar: Die (zufällige?) Falschmeldung setzt sich in weiteren Textstellen fort:
Die Vielfalt der Bienenarten in Europa ist in Gefahr. Früher gab es zahlreiche Bienenrassen. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Situation dramatisch verändert. [...]
Die Unzufriedenheit der Imker mit den einheimischen Bienenrassen war der zentrale Grund für deren Austausch durch züchterisch verbesserte Rassen. Daher sollen Zuchtstrategien, die sich als sehr erfolgreich erwiesen haben, für die bislang züchterisch vernachlässigten Bienenrassen so modifiziert werden, dass diese Rassen an die Bedürfnisse der lokalen Imkerschaft angepasst werden.
- Die "Vielfalt der Bienenarten", also der Wildbienen, ist in der Tat gefährdet; es geht in diesem Projekt aber nur um eine einzige, ungefährdete Art, eben die Honigbiene.
- Arten sind nicht Rassen, letztere sind Zuchtformen einer Art (also künstliche Unterarten), das weiß jeder Taxonom – und das sollte daher auch eine Universität wissen.
- Was verharmlosend als "Austausch durch züchterisch verbesserte Rassen" bezeichnet wird, war de facto die vorsätzliche Ausrottung der heimischen wilden Dunklen Honigbiene.
- Ein wichtiges Ziel des Artenschutzes ist es, an die lokalen Verhältnisse angepaßte Populationen bzw. Unterarten einer Tier- oder Pflanzenart vor dem Aussterben zu bewahren; Aufgabe einer verantwortungsbewußten Imkerschaft ist demnach die Erhaltung und Verbreitung der Restpopulationen der heimischen Dunklen Honigbiene (Apis mellifera mellifera). Das mit Steuergeld finanzierte EU-Projekt beabsichtigt jedoch das genaue Gegenteil: Durch modifizierte Zuchtstrategien sollen "die bislang züchterisch vernachlässigten Bienenrassen [...] an die Wünsche der Imker angepasst werden." Damit es Europas heimischer Honigbiene noch schlechter geht ...
- Den über 500 allein in Deutschland noch lebenden Wildbienenarten geht es erst recht nicht besser, da sie weder gemeint sind noch unterstützt werden: Die 6 Millionen € sollen nur der Erforschung der Zuchtrassen einer einzigen, ohnehin von vielen Seiten praktisch und finanziell geförderten Art dienen; über keine Insektenart ist jedoch so viel bekannt und keine ist so gut untersucht wie Apis mellifera.
- 51. Crowdfunding-Kampagne "gegen das Bienensterben" (08.10.2014)
- Ein Berliner Verein startet eine "Crowdfunding-Kampagne" für eine "BienenBox". Mit dieser 'Schwarmfinanzierung' aus privatem (von Unterstützern im Internet akquirierten) Eigenkapital soll allerdings keine Nisthilfe für bedrohte Wildbienen zur Serienreife gebracht werden, sondern eine neuentwickelte "Bienenbehausung" für die Haltung von Honigbienen auf städtischen Balkonen oder in Gärten. Die Kampagne nutzt den bekannten Trick, die Begriffe Bienen mit domestizierten Honigbienen gleichzusetzen, denn im Aufruf auf der Plattform Social Impact Finance heißt es: "Schon Einstein wusste: Stirbt die Biene, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben. Wir fördern eigenständige Bienenhaltung in der Stadt, um einem der drängenden ökologischen Probleme unserer Zeit entgegenzuwirken: dem Bienensterben." Von der katastrophalen Situation der Wildbienen, die zu 52% in den Gefährdungskategorien der Roten Liste der Bienen stehen, ist allerdings nicht die Rede.
Die Auswirkungen des "Bienensterbens" werden wahrheitswidrig dramatisiert: "Ohne Biene, keine Bestäubung von Tomaten, Äpfeln, Erdbeeren, Nüssen [...]" Tomaten jedoch sind in Mittel- und Südamerika entstanden und von den Indianern schon in der Antike kultiviert worden – lange bevor mit den Europäern erstmals Honigbienen in die Neue Welt gelangten. (In Gewächshäusern werden Tomaten durch die Dunkle Erdhummel, Bombus terrestris bestäubt.) Wenn mit Bienen alle über 500 in Deutschland lebenden Bienenarten gemeint wären, träfe wenigstens eine Aussage des Initiators auf der kommerziellen Website eco-world.de zu: "Gerade die Stadt ist heutzutage ein wichtiger Rückzugsort für die Bienen, da sie auf dem Land mit Monokultur und Pestizidbelastung zu kämpfen haben." Auch an diesem letzten Rückzugsort sollen Wildbienen und andere Bestäuber also jetzt Konkurrenz bekommen: "Wir wollen die BienenBox in alle deutschen Städte bringen, um die Zahl der Bienenhalter*innen und somit auch der Bienenvölkerzahlen langfristig wieder steigen zu lassen." Wie in der Stadt wohnende Honigbienen die Obst- und Gemüsesorten auf dem Land bestäuben sollen, verrät der geschäftstüchtige Erfinder nicht ...
- 50. Neufassung der Roten Liste der Bienen (05.10.2014)
- Dr. Paul Westrich, Wildbienen-Experte, Verfasser des Grundlagenwerkes Die Wildbienen Baden Württembergs und Mitverfasser der bundesweiten Roten Liste der Bienen, veröffentlicht auf seiner Website www.wildbienen.info die aktuelle "Rote Liste der Bienen" (5. Fassung, Stand Februar 2011). Sie ist zugleich eine Gesamtartenliste der Bienen Deutschlands und Bestandteil (Seiten 373–416) des Werks Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1), herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz im Landwirtschaftsverlag, Münster.
- 49. EU-Verordnung über invasive gebietsfremde Arten (29.09.2014)
- In seiner "Rundmail zu gebietsfremden Arten Nr. 17 vom 30.09.2014" teilt das Bundesamt für Naturschutz mit, der EU Ministerrat habe am Vortag den Vorschlag für eine "Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten" gebilligt. Vermutlich wird die Verordnung noch dieses Jahr im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht und tritt dann am 1.1.2015 in Kraft.
Der Vorschlag stellt in seiner deutschen Fassung fest: "In der Union und in anderen europäischen Ländern kommen in der Umwelt rund 12 000 gebietsfremde Arten vor, von denen schätzungsweise 10 bis 15 % als invasiv angesehen werden." Er beinhaltet eine Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung und legt Maßnahmen zum künftigen Umgang mit ihnen fest. Vorrangig sollten in die EU-Liste noch nicht oder in einer frühen Invasionsphase in der Union vorkommende Arten aufgenommen werden, außerdem die wahrscheinlich schädlichsten Arten. Von den Mitgliedstaaten eingereichte Vorschläge für die Verbotsliste sollen durch ein wissenschaftliches Forum geprüft und durch einen Ausschuß beschlossen werden. Für die betroffenen Arten gelte dann ein EU-weites Verbot von Einfuhr, Erwerb, Verwendung, Freisetzung und Verkauf.
- 48. Zulassung von Pestiziden ohne unabhängige Studien (25.09.2014)
- Das europäische Pesticide Action Network (PAN Europe) hat in einer Studie die Zulassung von sieben Pestiziden untersucht und kritisiert nun das Zulassungsverfahren für Pestizide in der EU: Die Mitgliedstaaten haben demnach zahlreiche unabhängige Studien über die Giftigkeit der Pestizide aus administrativen Gründen nicht berücksichtigt – "generally because they were not performed according to OECD-test protocols (including Good Laboratories Practice, GLP)" – und statt dessen überwiegend Analysen zu Rate gezogen, die die Industrie in Auftrag gegeben hatte. Die Pestizidverordnung sehe vor, daß alle wissenschaftlichen Publikationen in die Entscheidungsfindung einfließen sollen. Im Original heißt es: "All literature, including independent studies (i.e. science financially independent of private interests), now need to be taken into account when the EU Commission and EU member states (MS) discuss whether to approve a pesticide for sale. This is what politicians decided in the 2009 pesticide Regulation 1107/2009. [...] tens of thousands of peer-reviewed very reliable toxicity findings from many thousands of independent scientists are effectively thrown into the trash by RA. This, despite decades of the EU law saying that current scientific and technological knowledge must be the basis of any EU decision taking". (Quelle: PAN-Europe-Studie, nicht leicht lesbar)
- 47. Minister empfiehlt "Bienen füttern" (15.04.2014 & 23.05.2014)
- Der Bundeslandwirtschaftsminister startet die Initiative "Bienen füttern". In der Pressemitteilung Nr. 93 empfiehlt Christian Schmidt, "mehr bienenfreundliche Blühpflanzen auf Balkone, Terrassen oder in die Gärten zu bringen." Grund der Initiative: "Bienen sind nicht nur wichtig für die Honigproduktion, sondern auch für Ernteerträge und Artenvielfalt." In einer Broschüre zur Initiative sagt das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): "Ohne Bienen können wir nicht leben und uns nicht ernähren." (Kommentar: Getreide, Kartoffeln und andere wichtige Hauptnahrungsmittel werden gar nicht von Insekten bestäubt.) "'Fleißig wie eine Biene' – was ist dran an diesem Sprichwort?!" fragt der Minister und antwortet: "Es stimmt. Für ein Kilogramm Honig fliegt eine Biene insgesamt 250.000 Kilometer!" (Natürlich stimmt es nicht: Fleiß ist eine menschliche Kategorie, Bienen tun instinktgesteuert, was fürs Überleben nötig ist.) Fast immer ist mit "Biene" die domestizierte Honigbiene gemeint; nur in einem Satz werden auch Wildbienen erwähnt. Immerhin offeriert das BMEL als "Bienen-App" ein Pflanzenlexikon, das dem Laien bei der Bestimmung von Blütenpflanzen hilft – aber auch fremdländische Arten aufführt. Unterstützt wird die Initiative vom Verband Deutscher Garten-Center (VDG), von der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. (DGG) und dem Deutschen Imkerbund e.V.; nach Naturschutz sieht das nicht aus.
Leider rückt auch die renommierte, für ihre objektiven Tests bekannte Stiftung Warentest dieses Bild nicht zurecht: Im test-Heft 6/2014 (Seite 18) übernimmt sie die Aussagen des BMEL ungeprüft und unkommentiert. Ein kompetenter Biologe im Team der Stiftung hätte sicherlich angemerkt, daß die Besitzer von Gärten und Balkonen in den Städten nicht den zunehmenden Mangel an pflanzlicher und tierischer Artenvielfalt auf dem Land ausgleichen können, den gerade die industrialisierte Landwirtschaft dort verschuldet.
- 46. Wildbienen stecken sich bei Honigbienen an (19.02.2014)
- Die Zeitschrift Nature veröffentlicht eine epidemiologische Studie britischer Wissenschaftler, die unter Beteiligung deutscher Kollegen klären wollen, ob aus der Honigbienenzucht bekannte Krankheiten auch Wildbienen befallen. Die Untersuchungen in 26 britischen Orten ergaben, daß das "Krüppelflügelvirus" (DWV = Deformed Wing Virus) wie auch der parasitäre Pilz Nosema ceranae, die beide unter Honigbienen weit verbreitet sind, landesweit auch Hummel-Arbeiterinnen infizieren. Das für Honigbienen tödliche Virus repliziert sich sogar in Hummeln und tötet sie. Drei Faktoren legen den Schluß nahe, daß die Infektion von Honigbienen ausgeht:
- Honigbienen waren durch Virus und Pilz stärker infiziert als Hummeln.
- Die Infektion der Hummeln ließ sich anhand von Mustern der Honigbienen-Infektion prognostizieren.
- Die Virus-Stämme waren bei Honigbienen und Hummeln am selben Ort jeweils genetisch identisch.
Quellen: Pressemitteilung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bzw. Originalstudie: Fürst et al. (2014): "Disease associations between honeybees and bumblebees as a threat to wild pollinators" in: Nature 506, pp: 364–366. (DOI: 10.1038/nature12977)
- 45. Genmais "Pioneer 1507" vor Zulassung in Europa (11.02.2014)
- Im EU-Ministerrat findet sich keine ausreichende Mehrheit für oder gegen ein Verbot der gentechnisch veränderten Maissorte "Pioneer 1507" (s. u.) der US-Saatgutfirma Dupont Pioneer: Zwar stimmten 19 der 28 EU-Mitgliedsländer für ein Verbot, doch in diesen 19 Ländern lebt nicht die Mehrheit der EU-Bevölkerung. Die Bundesrepublik Deutschland hätte mit ihren 29 Stimmen ein Verbot unterstützen und so ein Zeichen setzen können, torpedierte dieses jedoch durch Enthaltung. Grund: das SPD-geführte Wirtschaftsministerium und das CSU-geführte Landwirtschaftsressort lehnen (ebenso wie die große Mehrheit der Verbraucher und Bauern) die Zulassung der umstrittenen Maissorte zwar ab, das CDU-geführte Forschungsministerium aber und das Kanzleramt sind dafür. Nun muß über die Zulassung die EU-Kommission bzw. Gesundheitskommissar Tonio Borg entscheiden, der aber bereits seine Zustimmung zum "Genmais" angekündigt hat. Immerhin kann jeder Staat dessen Anbau auch im Alleingang unterbinden, wenn er ein Risiko durch die Maissorte wissenschaftlich belegt.
- 44. Wildbiene des Jahres 2014: die "Garten-Wollbiene" (Anthidium manicatum) (15.01.2014)
- Das Kuratorium "Wildbiene des Jahres" stellt am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart die "Wildbiene des Jahres 2014" vor: Anthidium manicatum ("Garten-Wollbiene"). Ein Laie kann diese stattliche Solitärbiene aufgrund ihrer Schwarz-gelb-Zeichnung durchaus mit einer Wespe verwechseln, sie ist aber deutlich gedrungener und zeigt dem Beobachter einige interessante Besonderheiten: Die territorialen Männchen sind ausnahmsweise deutlich größer als die Weibchen und versuchen an deren Futterpflanzen unermüdlich, Honigbienen, Hummeln und andere Insekten mit einem Dreizack am Hinterleib zu rammen, um sie zu vertreiben. Beanspruchen zwei Drohnen ein Revier, kommt es zum Kampf. Zwischendurch tanken sie immer wieder Nektar und begatten die Pollen und Nektar sammelnden Weibchen. Diese schaben an geeigneten Pflanzen (Wollziest, Deutscher Ziest, Kronen-Lichtnelke, Strohblume etc.) Pflanzenwolle ab, mit der sie in den Hohlräumen etwa einer Trockenmauer ihre Nester bauen. Ein ausführliches Artenportrait findet sich in der Sektion "Wildbienen-Portraits".
Anthidium manicatum ist die zweite "Wildbiene des Jahres"; die erste war 2013 Osmia bicolor, die "Zweifarbige Schneckenhausbiene".
- 43. Neues Mähregime fördert u. a. Wildbienen (09.01.2014)
- Ca. 13 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz sind Ökologische Ausgleichsflächen (ÖAF), etwa die Hälfte davon extensiv genutzte Wiesen, die mit Millionenbeträgen gefördert werden. Forscher am Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern um den Doktoranden Pierrick Buri veröffentlichen nun eine Studie ("Delaying mowing and leaving uncut refuges boosts orthopterans in extensively managed meadows: Evidence drawn from field-scale experimentation" in: Agriculture, Ecosystems and Environment 181: 22–30, Literatur zu Biotopen & Naturschutz), die die Auswirkungen von vier verschiedenen Mähregimes auf die Biodiversität vergleicht. Die Ergebnisse empfehlen zur Nachahmung:
- Wurden bei der ersten Mahd 10–20% einer Wiese als begrüntes Rückzugsgebiet stehen gelassen, stieg die Anzahl der aufgefundenen Wildbienen nach einem Jahr um 36%.
- Nach zwei Jahren führte dieses Mähregime zu einer Verdoppelung der Heuschrecken-Population und der Steigerung ihrer Artenzahl um 23%.
- Erfolgte erste Mahd einen ganzen Monat später als sonst üblich (15. Juli anstatt 15. Juni), verfünffachte sich die Heuschrecken-Populationen im Vergleich zu herkömmlich genutzten Flächen. Dies wiederum begünstigt weitere Tierarten, die sich von Heuschrecken ernähren.
Die Studie zeigt deutlich, daß die oft empfohlene Reduktion der Mahden auf maximal 2 Schnitte pro Jahr mit einem Abstand von mindestens 8 Wochen keinen positiven Effekt auf die Biodiversität hat. Gemäht werden sollte vielmehr erst Mitte Juli und dabei ein ungemähter Rückzugsraum von ca. 15% ausgespart werden.
- 42. EU-Kommission: Grünes Licht für Gen-Mais 1507 (06.11.2013)
- Die Kommission der Europäischen Union empfiehlt, den "Genmais" 1507 des Konzerns Pioneer-DuPont zum Anbau zuzulassen. Wenn vor allem Deutschland im EU-Ministerrat nicht gegen die Empfehlung der EU-Kommission stimmt, wird der "Genmais" wohl zugelassen. Fällt der Ministerrat keine Entscheidung, darf die Kommission alleine entscheiden. Wird der Anbau zugelassen, müssen die Mitgliedsstaaten entscheiden, ob sie jeweils der Kommissions-Empfehlung folgen und den "Genmais" nach nationalem Recht zulassen.
Ende Oktober wies das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig die Revisionen mehrerer Imker, die Schutzmaßnahmen gegen gentechnische Verunreinigungen von Honig erstreiten wollten, mit dem Argument zurück, es bestehe kein "Feststellungsinteresse" mehr, da der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland nicht zugelassen sei, ein Fall wie der verhandelte sich also nicht mehr wiederholen könne. Keine zwei Wochen später wird es nun allerdings wieder fraglich, ob sich eine Kontamination von Honig wie 2005 durch den "Genmais" Mon810 wirklich nicht wiederholen kann.
- 41. Colletes hederae auch an Hedera colchica (14.–24.10.2013)
- Ein Bonner Bienenfreund, Markus Menke, findet an drei Oktobertagen in den Botanischen Gärten der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mehrere Weibchen der Efeu-Seidenbiene an Hedera colchica. Diese nicht-einheimische Efeu-Art ist am Schwarzen Meer (Nord-Anatolien) und am Kaspischen Meer sowie im Kaukasus, in Syrien und Zypern verbreitet. Die Nutzung auch anderer Efeu-Arten als Hedera helix durch Colletes hederae war zu erwarten: Oligolektischen Bienenarten sind in ihrem Verbreitungsgebiet in der Regel auf viele oder alle Arten einer Pflanzengattung spezialisiert, da deren (das Sammelverhalten bestimmende) Blütenbau in der Regel ähnlich ist.
- 40. Schutzgebiet für Apis mellifera mellifera in Schottland (06.10.2013)
- Zwei schottische Inseln in den westlichen Hebriden, werden Schutzgebiet für die Dunkle Europäische Honigbiene. Die richtungsweisende Verordnung der schottischen Regierung tritt am 1. Januar 2014 in Kraft und schließt andere Honigbienenrassen auf den Inseln aus. Sie ist der Erfolg jahrelanger Bemühungen des Imkers Andrew Abrahams, die heimische Honigbiene reinrassig und geschützt vor Krankheiten zu erhalten. Die Tageszeitung THE SCOTSMAN berichtet heute unter der Überschrift Colonsay and Oronsay to become honeybee havens:
"There are around 250 native species of bee in Britain but just a single honeybee – the Apis mellifera mellifera. The isles of Colonsay and Oronsay are currently home to around 50 colonies and have now been named in a new Scottish Government order to protect the species from cross-breeding and disease. The Bee Keeping (Colonsay and Oronsay) Order 2013 comes into force on 1 January and will make it an offence to keep any honeybees on the islands except Apis mellifera mellifera, whose hardiness allows them to survive the harsh climate of Scotland’s west coast."
- 39. Seidenbiene Colletes hederae erstmals auch in Solingen (06.10.2013)
- Eine Woche nach dem Fund in Oberhausen findet der Autor dieser Website die Efeu-Seidenbiene auch in seiner Heimatstadt, Solingen: etwa 30 Weibchen sammeln Efeu-Pollen an einer nach Westen ausgerichteten Hecke ca. 600 m Luftlinie von seiner Haustür entfernt; auf einer benachbarten Ruderalfläche saugen sie außerdem Nektar an der Kanadischen Goldrute (Solidago canadensis). Die Anzahl der Individuen läßt eine Erstbesiedlung Solingens 2011, spätestens aber 2012 vermuten.
- 38. Seidenbiene Colletes hederae in Oberhausen gefunden (30.09.2013)
- Der Bienenspezialist und -fotograf Bernhard Jacobi entdeckt am Efeu seines Gartens in Oberhausen drei Weibchen der "Efeu-Seidenbiene". Diese sich von Süden und Westen her ausbreitende Art wurde erst 1993 von Konrad Schmidt und Paul Westrich als eigene Art beschrieben und in NRW erstmals 2007 in Dortmund und dann 2008 in Rhöndorf (Bad Honnef bei Bonn) entdeckt. (Eine intensive Suche in den folgenden Tagen ergibt zwei weitere Standorte in Oberhausen.) Dr. Westrich prognostizierte kürzlich, Colletes hederae werde bald in den niederen Lagen Deutschlands (bis ca. 500 m) die hinsichtlich Individuenzahl und Vorkommen häufigste Bienenart sein; er sollte recht behalten. Interessant ist die Beobachtung, daß Colletes hederae tendenziell weniger an sonnenexponierten Efeublüten zwischen Nektar-saugenden Fliegen und Wespen sammelt als vielmehr an beschatteten Efeupflanzen. Dieses Verhalten wurde genau ein Jahr zuvor, am 30.09.2012, auch an den Efeu-bewachsenen Mauern neben dem Nelly-Pütz-Berufskolleg in Düren festgestellt, auf dessen Gelände die Art nistet.
- 37. Sandbiene Andrena rosae in NRW wiederentdeckt (11.08.2013)
- Während einer Exkursion zum NSG Heintjeshammer im Eschbachtal an der Grenze zwischen Remscheid und Wermelskirchen (n.Br. 51.154202, ö.L. 7.189595) entdeckt der Autor auf einem Bestand des Wald-Engelwurzes (Angelica sylvestris) ein Pollen-sammelndes Weibchen der auf Apiaceae spezialisierten Sandbiene Andrena rosae. In der aktuellen Rote Liste der Wildbienen Nordrhein-Westfalens wird diese Art als "ausgestorben bzw. verschollen" (Kategorie 0) geführt; der letzte Nachweis datiert danach aus dem Jahr 1954, ist also 59 Jahre alt. Wiedererkannt wirde die Biene durch ihr typisches Merkmal: den fast kahlen schwarzen Abdomen mit Rot auf dem 1. und vor allem 2. Tergiten; der Autor sah und fotografierte beide Geschlechter zum ersten und letzten Male am 03.07.2011 während einer bienenkundlichen Foto-Exkursion ins niederländische NSG De Biesbosch.
- 36. Die EU bekämpft das Bienensterben (29.04.2013)
- Zum Schutz von Honigbienen sprechen sich die EU-Mitgliedsstaaten mehrheitlich (einschließlich Deutschlands) für ein Teilverbot dreier umstrittener Pestizide aus. Die erforderliche "qualifizierte Mehrheit" wurde allerdings nicht erreicht, somit liegt die Entscheidung nun bei der EU-Kommission, die im Januar vorschlug, die synthetisch hergestellten nikotinartigen Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid (beides Bayer-Produkte) sowie Thiamethoxam (vom Schweizer Konzern Syngenta) zu verbieten. Das Verbot soll vom 1. Dezember an für zwei Jahre gültig sein und dann überprüft werden. Die konventionelle Landwirtschaft nutzt die Pestizide als Beizmittel, um Saaten (Sonnenblume, Mais, Raps, Baumwolle) vor Schädlingen zu schützen. Studien haben aber gezeigt, daß Neonikotinoide die Signalübertragung durch die "Neurotransmitter" der Bienen stören und ihre Orientierungs- und Lernfähigkeit beeinträchtigen können, was zum gefürchteten "Bienensterben" beiträgt. Gemeint damit sind, wie üblich, die Honigbienen; Wildbienen sind meist nicht im Fokus der Politik.
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- 35. Wildblumen-Mischungen für Wildbienen (21.04.2013)
- Um dem zunehmenden Nahrungsmangel bei Wildbienen zumindest im Siedlungsbereich etwas abzuhelfen, hat der bekannte Bienenexperte Dr. Paul Westrich in Zusammenarbeit mit dem Diplombiologen Bernd Dittrich (Kräutergärtnerei Syringa, Binningen im Hegau) zwei farblich attraktive Wildblumen-Mischungen entwickelt, die in hohem Maße die Ansprüche vieler Wildbienenarten – vor allem der Pollenspezialisten – an ihre Futterpflanzen berücksichtigen: Die erste Saatgutmischung enthält einjährige Wildblumen, die zweite Mischung ein-, zwei- und mehrjährige. Ganz überwiegend sind es einheimische Pflanzenarten, einige sind eingebürt, aber nicht invasiv. Bezugsadresse: www.wildbienen-futterpflanzen.de; Info: Zusammenstellung der Pflanzenarten.
- 34. Planet Wissen zum Thema Bienen (27.03.2013)
- Planet Wissen, ein Fernsehmagazin des Westdeutschen Rundfunks (WDR), Südwestfunks (SWR) und des Bayerischen Rundfunks (BR alpha), strahlt eine Sendung zum Thema "Bienen" aus, die auch auf You Tube in voller Länge angeschaut werden kann. Gemeint ist mit "Bienen", wie üblich, die Honigbiene, und in erster Linie geht es um einen von Imkern aus Fernost eingeschleppten Parasiten: die Varroa-Milbe. Daß es auch (und vor allem) andere Bienen, nämlich sogenannte Wildbienen, gibt, erfährt der Zuschauer erst am Ende. Dort hört er ein Dutzend Sätze, die allesamt unsinnige Imkerpropaganda enthalten, die aber vom Studiogast, einer Imkerin und Biologin der Ruhr-Universität Bochum, leider nicht richtiggestellt wird:
Und wenn Bienen dann bei der Futtersuche erfolgreich sind, dann profitiert die ganze Natur davon. Wenn Bienen Nektar sammeln, bestäuben sie gleichzeitig auch viele Obst-, Gemüse und Feldfrüchte. In Deutschland sind rund 80% der Nutzpflanzen auf Bienenbestäubung angewiesen. Andere Insekten können diese wichtige Aufgabe nicht übernehmen. Die Wildbiene, die nicht so zahlreich vorkommt, könnte zwar theoretisch einspringen, aber sie kämpft selbst ums Überleben. Ohne solch künstliche Brutkästen wäre ihr Fortbestand gefährdet. Auch Hummeln können die Honigbiene nicht ersetzen, da sie Pflanzen nicht so effektiv bestäuben wie die Honigbiene. Das Szenario einer Natur ganz ohne Honigbienen ist beängstigend: Gelbe Rapsfelder würden ebenso verschwinden wie blühende Obst- und Gemüsegärten oder Kartoffeläcker. Von den 50 wichtigsten Nutzpflanzen in Deutschland wären rund 30 direkt vom Bienensterben betroffen. Die Liste der Pflanzen, die verschwinden oder kaum noch Erträge bringen würden, ist lang. Auch andere Tiere würden unter dem Bienensterben stark leiden, wenn sich Lebensräume mit ihren Nahrungsquellen drastisch verändern.
- Die "ganze Natur": Sind damit die von Menschen gezüchteten und geernteten "Obst-, Gemüse und Feldfrüchte" gemeint? Auch der 8. und 9. Satz bestätigt: In einer "Natur ganz ohne Honigbienen" würden "gelbe Rapsfelder [...] ebenso verschwinden wie blühende Obst- und Gemüsegärten oder Kartoffeläcker". Für die Redaktion sind Natur und moderne Landwirtschaft offenbar dasselbe – was nicht für Professionalität spricht. Kartoffeln sind übrigens nicht von (Honig-) Bienen abhängig – auch nicht in Amerika, wo sie herstammen.
- Daß "rund 80% der Nutzpflanzen auf Bienenbestäubung angewiesen" seien, stimmt nicht einmal bezogen auf alle Bienenarten zusammen – auch Käfer, Fliegen, Wespen, Schmetterlinge, Vögel und Fledertiere bestäuben weltweit Nutzpflanzen. Die wichtigsten Nutzpflanzen in Deutschland sind die mengenmäßig wichtigsten Grundnahrungsmittel: Süßgräser bzw. Getreide wie Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Hirse etc. sind Windbestäuber, Kartoffeln vermehren sich vegetativ oder durch Selbstbefruchtung (ihre Blüten bilden keinen Nektar), hinzu kommen je nach Präferenz Milch und Eier, Fleisch und Fisch. Erbsen, Kicher- und Straucherbsen, Gartenbohnen und Linsen vermehren sich hauptsächlich durch Selbstbefruchtung. Erst Luzerne, Raps, Tomaten, Zucchini sowie die vielen Obstsorten sind auf Fremdbestäubung bzw. Insekten (aber nicht unbedingt Honigbienen) angewiesen. In Amerika haben sich die Blütenpflanzen ganz ohne Honigbienen entwickelt, da diese erst durch die Spanier dort eingeführt wurden.
- "Die Wildbiene" gibt es gar nicht: Allein ist Deutschland gibt es weit über 500 wildlebende Bienenarten. Die allermeisten leben nicht in Völkern, sondern solitär; eine soziale Art, die wilde Honigbiene (Apis mellifera mellifera), die einst durch Beihilfe der Imker in Deutschland ausgerottet wurde, wird in der Sendung nicht einmal erwähnt. Wildbienen können durchaus "einspringen", wie der professionelle Einsatz von Mauerbienen, Blattschneiderbienen und Hummeln in der Landwirtschaft beweist. Richtig ist allerdings, daß etliche Wildbienenarten gefährdet sind – u. a. durch den Konkurrenzdruck der domestizierten Honigbienen.
- Die Behauptung, ohne "künstliche Brutkästen" für Wildbienen sei ihr "Fortbestand gefährdet", ist Unfug: Totholz-Nisthilfen wie die gezeigten haben eine wertvolle pädagogische Funktion und für Gartenbesitzer auch einen Freizeitwert, retten aber keine einzige Art vor dem Aussterben.
- Eine Hummel sammelt sehr schnell und auch in der Dämmerung und bei niedrigen Temperaturen, sie ist daher ein deutlich, drei- bis fünfmal effektiverer Bestäuber als eine Honigbiene. In einer von der Agrarindustrie denaturierten Landschaft gibt es allerdings für Hummeln immer weniger Nistmöglichkeiten und folglich Hummelvölker, während domestizierte Honigbienenvölker durch menschliche Manipulation größer sind als wilde.
- "Andere Tiere" würden überwiegend ein Verschwinden der Honigbiene gar nicht bemerken; nur wenige Beutegreifer wie der Bienenwolf (Philanthus triangulum, eine Grabwespe) würden die Honigbienen vermissen – und die Imker ...
- 33. Pflanzenforschung.de: "Unterschätzte Wildbienen · Artenvielfalt sichert Erträge" (08.03.2013)
- Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt Pflanzenforschung.de (eine Initiative des Forschungsprogramms "Pflanzenbiotechnologie der Zukunft – PLANT2030") plädiert für eine insektenfreundliche Landwirtschaft. Unter der Überschrift "Unterschätzte Wildbienen · Artenvielfalt sichert landwirtschaftliche Erträge" bilanziert die Redaktion: "Honigbienen allein reichen nicht aus, um die Bestäubung unserer Kulturpflanzen zu gewährleisten. Wildinsekten erhöhen überall auf der Erde den Fruchtansatz und damit die Erträge, selbst wenn bereits viele Honigbienen ein Feld besuchen." Grundlage ist eine internationale Studie, die die Bestäubungsleistung von Wildbienen und Honigbienen in mindestens 41 Anbausystemen vergleicht: Wildbienen erreichten unabhängig vom Anbausystem und der Feldfrucht mit der gleichen Zahl von Blütenbesuchen einen doppelt so hohen Fruchtansatz wie Honigbienen. Diese steigerten den Anteil befruchteter Blüten nur in 14 Prozent der untersuchten Anbausysteme.
Quelle: Garibaldi L. A. et al. (2013): "Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey-bee abundance" in: Science, Vol. 339, no. 6127, pp. 1608–1611 (online).
- 32. European Food Safety Authority (EFSA) warnt vor Insektiziden (16.01.2013)
- Die European Food Safety Authority warnt in einer vorläufigen Stellungnahme ("EFSA identifies risks to bees from neonicotinoids") vor den Gefahren durch drei Insektizide von Bayer und Syngenta, die zu den Neonicotinoiden gehören: Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Die Europäische Kommission hatte die EFSA beauftragt, die Risiken einzuschätzen, die von diesen Wirkstoffen zur Saatgutbehandlung oder als Granulat ausgehen, insbesondere ihre akuten und chronischen Auswirkung auf Bienenvölker, konkret: auf ihr Überleben und ihre Entwicklung, auf Larven, auf das Verhalten der Bienen und durch sublethale Dosen. Die Wissenschaftler kamen zu folgenden Ergebnissen:
- Exposition durch Pollen und Nektar: Als akzeptabel wurde diese nur auf Feldfrüchten eingeschätzt, die für Honigbienen nicht attraktiv sind.
- Exposition durch Staub: Ein Risiko war sichtbar oder konnte nicht ausgeschlossen werden; Ausnahmen: Anwendung auf Zuckerüben und Feldfrüchten in Treibhäusern und bei einigen Granulaten;
- Exposition durch Guttation: Eine Gefahrenabschätzung für die Tröpfchenabgabe bei Pflanzen konnte nur für Mais abgeschlossen werden, der mit Thiamethoxam behandelt wurde: Feldstudien zeigten eine akute Wirkung auf Honigbienen, die mit dieser Substanz durch die Wasserabgabe der Pflanzen in Kontakt kamen.
Da die abschließenden Leitlinien zur Gefahreneinschätzung aufgrund von Datenlücken noch nicht erarbeitet werden konnten, sind die neuesten Bewertungen noch unsicher. Betont wird, daß nur begrenzte Erkenntnisse über andere Bestäuber als Honigbienen vorliegen; die Risiken auch für diese Bestäuber sollten also weiterhin geprüft werden.
- 31. Niederländisches Bienen-Standardwerk erschienen: De Nederlandse Bijen (Dezember 2012)
- Es hat viele lange Jahre gedauert, nun ist das langerwartete Buch endlich auf dem Markt: De Nederelandse Bijen (Hymenoptera: Apidae S.L.). Natuur van Nederland 11. Naturalis Biodiversity Center, Leiden. Das Standardwerk im DIN-A4-Format beschreibt auf 544 Seiten alle 358 niederländischen Bienenarten mit Verbreitungskarten und beinhaltet in 21 Kapiteln alles, was man über Bienen wissen kann und sollte. Die Autoren sind Bienenfreunden in unserem Nachbarland als Fachleute wohlbekannt: Theo M.J. Peeters, Hans Nieuwenhuisen, Jan Smit, Frank van der Meer, Ivo P. Raemakers, Wijnand, R.B. Heitmans, Kees van Achterberg, Manja Kwak, Anne Jan Loonstra, Jeroen de Rond, Mervyn Roos, Menno Reemer.
- 30. Die "Bienenschleuse": Neuentwicklung der Firma Bayer (14.11.2012)
- Das BAYER-FORSCHUNGSMAGAZIN research stellt in einem Artikel eine Neuentwicklung vor: das "Varroa-Gate", eine Art Schleuse gegen die Varroa-Milbe. Es handelt sich um einen Kunststoff-Lochstreifen, der mit einem Milbengift getränkt ist: Wenn eine Biene durch eines der Löcher krabbelt, nimmt der Thorax-Pelz eine kleine Menge des Wirkstoffs auf, der Milben auf der Biene und im Inneren des Bienenstocks tötet und auch vor einem Neubefall schützt. Die Erfindung erinnert nicht zufällig an Floh- und Zeckenhalsbänder für Hunde und Katzen.
Bei der Neuentwicklung hatte Bayer offenbar auch einen eigennützigen Hintergedanken, denn die "Bayer-HealthCare-Division Animal Health" erläutert in dem Beitrag: "Viele Forscher richten ihre Aufmerksamkeit auf Virusinfektionen oder andere Faktoren wie Pflanzenschutzmittel oder Pollen von genetisch veränderten Nutzpflanzen. Dabei vernachlässigen sie die Schadwirkung der Varro-Milben." Bayer ist bekanntlich die Firma, deren Giften auch in Deutschland Millionen Bienen zum Opfer gefallen sind (siehe Nr. 21 und 18).
- 29. Langzeitstudie: Rattensterben duch genmanipulierten Mais (19.09.2012)
- Das Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology veröffentlicht die alarmierenden Ergebnisse einer französischen Langzeitstudie der Universität Caen: Dort hatte eine Expertengruppe für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in Nahrungsmitteln zwei Jahre lang 200 Ratten in drei Vergleichsgruppen beobachtet, deren Futter elf Prozent Mais enthielt: Eine Gruppe erhielt eine unbehandelte Charge der von Monsanto vertriebenen Maissorte NK603; eine zweite fraß dieselbe Maissorte, die gegen das Pestizid Roundup resistent ist und mit diesem auch behandelt worden war; die dritte Gruppe bekam herkömmlichen, ebenfalls mit Roundup behandelten Mais. Nach 17 Monaten gab es unter den mit "Genmais" gefütterten Ratten deutlich mehr Tote als in der Vergleichsgruppe: Die meisten Weibchen (70% zu 20%) waren an Brustkrebs erkrankt, die Männchen (50% zu 30%) oft an Haut- oder Nierentumoren. Zweifel wurden in London und Adelaide (Australien) laut, das schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) will die Studie prüfen und bewerten. Die EU-Kommission hat die European Food Safety Authority (EFSA) beauftragt, die Ergebnisse der neuen Studie zu prüfen. Sehr überzeugend ist die Studie angesichts der geringen Datenlage nicht ...
Nachtrag: Ein Prüfausschuß hat im Auftrag der Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology die Studie gesichtet und im November 2013 empfohlen, sie zurückzuziehen: Die Kritik an der zu geringen Zahl der Versuchstiere sei gerechtfertigt, die gewonnenen (nicht beanstandeten) Ergebnisse seien nicht belastbar.
- 28. Wildbienenschutz von Antonia Zurbuchen & Andreas Müller (23.05.2012)
Broschüren und Bücher über den Schutz unserer Wildbienen gibt es in unterschiedlicher Ausführlichkeit und Qualität schon länger, viele betonen pauschal die wichtige Rolle der Solitärbienen und Hummeln im Naturhaushalt und befassen sich vorrangig mit dem Bau oder Erwerb geeigneter Nisthilfen. Nun erscheint ein Buch, das schon im Titel eine andere Herangehensweise beschreibt:
Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis heißt die Neuerscheinung, die auf 164 Seiten in elf Kapiteln (siehe unten) und mit 44 Bildtafeln – die jeweils aus bis zu acht Fotos oder Diagrammen bestehen – erfolgversprechende Schutzmaßnahmen aus dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand über die mitteleuropäischen Wildbienen ableitet. Antonia Zurbuchen und Andreas Müller vom Institut für Agrarwissenschaften der ETH (Eidgenössischen Technischen Hochschule) Zürich haben eine große Menge Fachliteratur gesichtet und so aufbereitet, daß Biologen und Laien, Behörden wie Naturschützer mit einem soliden Wissen ausstattet bedrohte Arten und die Wildbienendiversität fördern können. Das Buch ist im schweizerischen Haupt-Verlag für 34,90 € auch direkt zu
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]
- Einleitung
- Wichtige Blütenpflanzen als Nahrungspflanzen
- Quantitativer Blütenbedarf
- Wichtige Kleinstrukturen als Nistplätze
- Räumliche Anordnung von Nist- und Nahrungshabitaten
- Landschaftsstrukturen als Hindernisse für nahrungssuchende Wildbienen
- Wildbienenreiche Landschaften und wertvolle Wildbienenlebensräume
- Wildbienen im Siedlungsraum
- Nahrungskonkurrenz zwischen Honigbiene und Wildbienen
- Synthese
- Literatur
- 27. Überarbeitetes Wildbienenbuch von Amiet & Krebs (18.04.2012)
- Das 1997 im Naturbuch-Verlag erschienene Bienenbuch von Andreas Müller, Albert Krebs & Felix Amiet: Bienen · Mitteleuropäische Gattungen, Lebensweise, Beobachtung hat einen Nachfolger: Felix Amiet & Albert Krebs (2012): Bienen Mitteleuropas: Gattungen, Lebensweise, Beobachtung. Das diesmal vom Haupt-Verlag produzierte Werk entspricht überwiegend seinem Vorgänger, ist aber u. a. taxonomisch aktualisiert, neu designt und mit zusätzlichen Fotos ausgestattet. Preis: 39,90 €.
- 26. Das greenpeace magazin berichtet über "Bienen": "SUMM SUMM SUMM" (Ausgabe 4.11)
- Die Titelseite der letzten 2011er Ausgabe des greenpeace magazin zeigt eine Sonnenblume und daneben die Worte "SUMM SUMM SUMM", die auf den 15.580 Buchstaben langen Hauptbeitrag "Das kollektive Königreich" verweisen. Dieser ist der Honigbiene gewidmet, nennt diese aber erst im allerletzten Satz beim Namen – die Rede ist vielmehr von Anfang an konsequent immer nur von "Bienen". Die lautmalerische Diktion auf der Titelseite erinnert nicht zufällig an die Boulevard-Presse: Der Autor liefert keinen (populär-) wissenschaftlichen Beitrag zur Rolle der Wild- und Honigbienen in unserem Öko-System, er liefert eine Story um eine Bio-Imkerin im oberbayerischen Scheyern und ihren Mann und das königliche Treiben ihrer summenden Schützlinge. Der Leser erfährt von den Problemen bei der Pflege ihrer 250 (!) Völker, von der wirtschaftlichen Rolle dieser Insekten und vom Bienensterben – "Colony Collapse Disorder" (CCD) – und genmanipulierten Pflanzen, und auch der Einsatz in der Sprengstoff-Detektion bleibt nicht unerwähnt. Kommentar:
Greenpeace-Mitglieder lernen: Die "normalen" Bienen sind die Honigbienen, nur sie sind für die Bestäubung der Pflanzen wichtig; ihre wilden Verwandten erbringen keine nennenswerte Leistung und sind kaum der Rede wert. Im O-Ton: "Im Vorbeikrabbeln sorgt die Biene so für den Fortbestand und die Erträge fast aller Obstarten, vieler Gemüsesorten, Beeren und Ölpflanzen wie Raps und Sonnenblumen. Ohne Bienen wäre unsere Vitaminversorgung gefährdet." Die weltweite ökonomische Leistung wird mit rund 153 Milliarden Euro pro Jahr zitiert, "fast ein Zehntel der Weltnahrungsmittelproduktion". Richtig ist: Honigbienen sind nur in großen Monokulturen unersetzlich. Ob die zitierten chinesischen Bauern, die ihre Obstbäume nun selbst bestäuben müssen, überhaupt wissen, welche "Bienen in den 80er Jahren ausgerottet wurden"? Vermutlich ebensowenig wie der Greenpeace-Autor.
Die Wildbienen (und auch das Wort "Honigbienen") tauchen erst im allerletzten Abschnitt auf: "Obst- und Gemüsebauern setzen auch andere Bestäuber ein, Hummeln eignen sich beispielsweise für Gewächshäuser. Um sie nicht kaufen zu müssen, versuchen die Landwirte, Hummeln und Wildbienen durch Nisthilfen anzulocken. Doch die Leistung der Honigbienen können die Wildinsekten schon rein zahlenmäßig nicht ersetzen, zumal sie selbst bedroht sind." Abgesehen von der Bedrohung ist auch das Unsinn: Etliche Kulturpflanzen (vor allem Obstsorten) und viele Wildpflanzen (gerade auch seltene) werden überwiegend von Wildbienen bestäubt – und von anderen Insekten wie Fliegen und Wespen und in anderen Ländern auch von Fledermäusen und Vögeln. Fazit: Greenpeace hat es geschafft, das von Naturfreunden durch jahrelanges mühevolles Engagement gefestigte Wissen um die Existenz, Wichtigkeit und Gefährdung unserer Wildbienen durch einen einzigen Artikel zu erschüttern.
- 25. Ohne Zulassung kein "Gen-Honig" (06.09.2011)
- Honig, der gentechnisch veränderten Pollen enthält, darf nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur vertrieben werden, wenn er zuvor geprüft und zugelassen wurde. Das oberste EU-Gericht in Luxemburg gab damit dem Imker Karl-Heinz Bablok aus Augsburg recht, der auf Schadenersatz für Honig geklagt hatte, in dem Pollen von gentechnisch verändertem Mais entdeckt worden war – und dies, obwohl Mais ein Windblütler ist. Der Pollen stammte von der Sorte Monsanto 810, die als Tierfutter, aber nicht als Lebensmittel zugelassen ist. Die nur zufällige Verunreinigung mit gentechnisch veränderten Material und dessen Menge im Honig spielen nach Auffassung des EuGH keine Rolle; die Richter widersprachen damit der EU-Kommission, welche geltend gemacht hatte, eine eigene Zulassung vor dem Inverkehrbringen sei nicht nötig, weil in dem belasteten Honig nur geringste Pollenmengen enthalten seien. Eine Schlappe ist das Urteil auch für den Freistaat Bayern, dem die Anbaufläche gehört, und für die Lobbyisten der Agrarindustrie, die für Herstellung und Vertrieb gentechnisch veränderter Organismen (GVO) streitet und u. a. das seit 2009 geltende Verbot des Genmais bekämpft. Ein hohes Risiko gehen jene Landwirte ein, die Genmais anbauen wollen und nun damit rechnen müssen, daß Imker in der Nachbarschaft Schadensersatz sowie Maßnahmen zum Schutz vor Verunreinigung verlangen. Außerdem wird künftig wohl manche Honigsorte aus deutschen Supermarktregalen verschwinden, da der meiste Honig nicht aus Deutschland stammt und, wenn ein Test der Zeitschrift Ökotest im Januar 2009 repräsentativ ist, fast die Hälfte der Import-Sorten vor allem aus Kanada und Südamerika (etwa Argentinien) Spuren von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen aufweisen.
- 24. Neues Wildbienenbuch von Paul Westrich (06.06.2011)
Wildbienen · Die anderen Bienen lautet das Buch, das sich Bienenfreunde seit Jahren vom Autor der
Wildbienen Baden-Württembergs gewünscht haben. Der international renommierte Verfasser hat nach über 30jähriger Forschungstätigkeit ein populärwissenschaftliches Buch geschrieben und bebildert, das Laien in die Welt der Wildbienen einführt und auf 168 Seiten 479 Farbabbildungen zeigt. Es empfiehlt sich für Naturfreunde und Gartenbesitzer wie auch für den Schulunterricht und erscheint für 19,80 € im Pfeil-Verlag, der auch
Beispielseiten präsentiert. [Rezension
] Die 18 Kapitel decken alle Aspekte der Bienenbiologie ab, ebenso ihre Gefährdung und ihren Schutz:
- Die anderen Bienen
- Einsiedler- oder Solitärbienen
- Soziale Bienen
- Parasitische Bienen (»Kuckucksbienen«)
- Wann und wo findet man Wildbienen?
- Eigenartige Schlafplätze
- Blüten im Leben der Wildbienen-Männchen
- Das Bienennest
- Ein Platz zum Nisten gesucht
- Pflanzliches für den Nestbau
- Ohne Pollen keine Nachkommen
- Gefährdung und Schutz der Wildbienen
- Der Garten als Nahrungsraum von Wildbienen
- Nisthilfen – Wohnraum für Wildbienen
- Lebensbilder hohlraumbesiedelnder Wildbienen
- Weitere Nutznießer unserer Maßnahmen
- Stechen Wildbienen?
- Literatur
- 23. Schädigen Rapsfelder die Wildflora? (06.04.2011)
- Rapsfelder locken mit ihrem Blütenreichtum Hummeln und und andere Wildbienen so stark an, daß dadurch Wildpflanzen schlechter bestäubt werden – so die Ergebnisse einer großen Freilandstudie der Universitäten Würzburg und Göttingen sowie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig/Halle auf 67 Flächen in der Region um Göttingen. Die Echte Schlüsselblume (Primula veris) z. B. produziert bereits 20 Prozent weniger Samen, wenn Rapsflächen lediglich 15 Prozent der umgebenden Landschaft ausmachen.
Quelle: Andrea Holzschuh, Carsten F. Dormann, Teja Tscharntke, Ingolf Steffan-Dewenter (2011): "Expansion of mass-flowering crops leads to transient pollinator dilution and reduced wild plant pollination" in: Proceedings of the Royal Society B.
Eine der Autorinnen, Andrea Holzschuh, wird diese Arbeit als Teilnehmerin des EU-Projekts STEP fortsetzen, in dem 20 Arbeitsgruppen aus 16 Ländern fünf Jahre lang die Auswirkungen des globalen Wandels auf Bienen und ihre Bestäubungsleistung untersuchen werden.
- 22. UNO-Bericht beklagt das Bienensterben (10.03.2011)
- Ein Bericht des UN Environment Programme (UNEP), Global Honey Bee Colony Disorders and other Threats to Insect Pollinators, macht mehr als ein Dutzend Faktoren für das weltweite Verschwinden von Honigbienenvölkern und Wildbienen verantwortlich, u. a. diese:
- Bisher unbekannte krankheitserregende Pilze werden weltweit verbreitet durch die Globalisierung und den internationalen Handel.
- Ca. 20.000 Arten von Blütenpflanzen, von denen viele Bienenarten abhängig sind, könnten in den nächsten Jahren verlorengehen.
- Der zunehmende Gebrauch von Insektiziden schädigt Bienen und andere Bestäuber sowohl einzeln als auch verstärkt in Kombination ("Cocktail-Effekt").
- Der Klimawandel kann die Situation verschlimmern, u. a. durch Verschiebung der Blütezeiten der Pflanzen und der Regenfälle, was die Nektarversorgung der Bienen beeinflußt.
In einer Presseerklärung zum Bericht unter dem Titel Bees Under Bombardment: Report shows multiple factors behind pollinator losses betont das UNEP die Abhängigkeit des Menschen von den Dienstleistungen des Ökosystems und bezeichnet die Bienen als Frühwarnindikatoren für weitere Auswirkungen auf das tierische und pflanzliche Leben. Die Autoren der Studie fordern Anreize für Bauern und Landbesitzer, Bestäuber-freundliche Habitate anzulegen, auch in der Nähe von Feldern.
Insektizide und andere Chemikalien sollten mit mehr Sorgfalt ausgewählt und eingesetzt werden: Zwar könne ein domestiziertes Honigbienenvolk vor einem Chemieeinsatz umgesetzt werden, dieser bedrohe jedoch wildlebende Bestäuber. Die Industrialisierung der Landwirtschaft führe zur Abnahme wildlebender Bienen und anderer Bestäuber, während Honigbienenvölker im industriellen Maßstab gemanagt und mit Lkws von Farm zu Farm transportiert würden. Der Umgang der Menschheit mit ihren natürlichen Ressourcen werde unsere Zukunft im 21. Jahrhundert bestimmen. 70% der Feldfrüchte, die weltweit 90% der Nahrung ausmachen, würden von Bienen bestäubt.
Während der UN-Bericht auch die wildlebenden Arten berücksichtigt, sprechen Presse und Rundfunk in Deutschland fast nur von "Bienen", meinen aber 'Honigbienen'. SPIEGEL ONLINE etwa zitiert unter der Überschrift Bienensterben wird zum globalen Problem den UNEP-Bericht als "Global Bee Colony Disorders and other Threats to Insect Pollinators"; das honey im Titel des Berichts ist verschwunden ...
- 21. Nach dem Dioxin-Skandal der Honigbienen-Skandal? (25.01.2011)
- Bieneninstitute, Bundeslandwirtschaftsministerium, Agrarindustrie und Imkerverbände hatten vor Jahren ein mehrjähriges Monitoringprojekt beschlossen, das das Problem der Volksverluste domestizierter Honigbienen untersuchen sollte. Dieses Deutsche Bienenmonitoring (DEBIMO, Elke Genersch et al. (2010): "The German bee monitoring project: a long term study to understand periodically high winter losses of honey bee colonies." Apidologie 41–3 ) benennt zwar keine eindeutige Ursache für das dramatische Honigbienensterben, die Varroa-Milbe (Varroa destructor) sei jedoch "der dominante Killer während des Winters", und "ein negativer Einfluss von Pestizidrückständen im Bienenbrot [...] konnte nicht bewiesen werden." Die Studie wird nun von den Umweltverbänden BUND und NABU kritisiert: 50% des Projekts würden von der Chemie-Industrie (BASF, Bayer und Syngenta) getragen, die Studie weise methodische Mängel auf, so seien 95% aller Bienenstöcke in den vier Untersuchungsjahren nicht ein einziges Mal auf Rückstände untersucht worden etc. Als mögliche Ursachen des Bienensterbens kommen demnach viele weitere Faktoren in Frage: Parasitenbefall, Infektionen, Umweltstreß, einseitige Ernährung durch Monokulturen sowie Pestizide (vor allem die seit etwa 2000 verstärkt eingesetzten hochwirksamen Pestizide aus der Klasse der Neonikotinoide). Auch die Tagespresse berichtet über das Projekt und seine Kritik, etwa die Neue Rheinische Zeitung unter dem Titel „Bienen, Hummeln, Vögel, Menschen sollen leben“ · Folgt dem Dioxin-Skandal ein Bienen-Skandal? (Druckfassung).
- 20. Auch Bienen stören Raupen beim Fressen (23.12.2008)
- Zwei Biologen der Universität Würzburg beschreiben im Fachblatt Current Biology eine neue Methode, Raupen in Gärten und auf Feldern Einhalt zu gebieten: Raupen werden von Faltenwespen parasitiert und besitzen deshalb feine Sinneshärchen, mit denen sie Luftbewegungen registrieren, die beim Anflug der Wespen entstehen. Die Raupen lassen sich sofort zu Boden fallen oder bleiben regungslos liegen. Solange sie sich nicht bewegen, werden sie von den Wespen nicht erkannt. In dieser Zeit fressen sie nicht: ihre Nahrungspflanzen bleiben verschont.
Die Forscher haben nun in Laborversuchen mit Eulenfalterraupen an Paprika- und Sojapflanzen entdeckt, daß die Raupen nicht zwischen fliegenden Wespen und Bienen unterscheiden können: Honigbienen haben etwa die gleiche Körpergröße und Flügelschlagfrequenz wie Faltenwespen. In einem Käfig mit Honigbienen fraßen die Raupen streßbedingt bis zu zwei Drittel Prozent weniger Blattmasse als in einem Käfig ohne Honigbienen. Geplant ist nun ein Freilandversuch auf einem blütenreichen biologisch bewirtschafteten Gemüsefeld: Dort könnten die Bienen allein durch ihren Blütenbesuch den Schaden an Gemüsepflanzen ähnlich stark mindern wie im Labor – und mehr als in einer konventionellen Monokultur. (Quellen: Tautz, Jürgen und Michael Rostás: "Honeybee buzz attenuates plant damage by caterpillars" in: Current Biology 18 (24) pp. R1125–R1126; Meldungen)
- 19. Neufassung der Roten Liste der Wildbienen (30.08.2008)
- Dr. Paul Westrich, der Verfasser des Grundlagenwerkes Die Wildbienen Baden Württembergs, veröffentlicht in Heft 3 seiner Zeitschrift Eucera die neue "Rote Liste der Bienen Deutschlands (Hymenoptera, Apidae) (4. Fassung, Dezember 2007)".
- 18. Wiederzulassung von Clothianidin (25.06.2008)
- Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hebt das Ruhen der Zulassungen bienengefährlicher Rapsbehandlungsmittel auf. Die Bayer CropScience kann nun weiterhin das Nervengift Clothianidin vertreiben. Das BVL sagt lediglich zu, neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Tests auf Bienengefährlichkeit einfließen zu lassen.
Der Einfluß der Agrochemie-Lobby auf die Politik war in Baden-Württemberg groß genug, per Verordnung vorschreiben zu lassen, daß Mais-Saat zum Schutz gegen den Mais-Wurzelbohrer nur nach Behandlung mit Clothianidin ausgebracht werden durfte. Den gefährlichen Käfer könnte man jedoch auch und giftfrei durch Feldfruchtwechsel bekämpfen, indem man auf Flächen, auf denen gerade Mais geerntet wurde, anschließend eine andere Feldfrucht anbaut.
Clothianidin ist deshalb problematisch, weil es nicht ausreichend an den Maiskörnern haftet und der Wind beim Ausbringen des Saatgutes mit pneumatischen Sähmaschinen im Frühjahr ein wenig Abrieb auf die Blüten der Umgebung wehte. Die katastrophalen Folgen wurden nur deshalb bemerkt, weil Honigbienen in großen Mengen starben und die Imker Alarm schlugen. Außer den Honigbienen starben aber am Clothianidin auch alle anderen Blütenbesucher, also alle lokal vorkommenden Wildbienen (von denen es allein in Deutschland ca. 555 Arten gibt) sowie auch Tausende von Schlupfwespen, Lehmwespen, Grabwespen, Wegwespen, Papierwespen, Hornissen, Raupenfliegen, Schmetterlingen und andere, die für ihre Eigenversorgung auf Nektar, also auf Blütenbesuche angewiesen sind. Clothianidin ist sehr ausdauernd, in kalifornischen Böden etwa waren nach ca. 3 Jahren noch ca. 70% des ursprünglich eingebrachten Nervengiftes vorhanden.
- 17. Genmais-Urteil in Augsburg (30.05.2008)
- Das Verwaltungsgericht Augsburg stellt am 30. Mai 2008 in einem Urteil fest, daß Honig, welcher Blütenpollen des gentechnisch veränderten Maises MON 810 enthält, nicht verkehrsfähig ist: Der Anbau stelle eine wesentliche Beeinträchtigung des klagenden Imkers dar, weil er solchen Honig nicht verkaufen dürfe, da der Genmais keine Zulassung als Lebensmittel habe.
Der Imker erhält jedoch keinen Schutzanspruch gegen den Anbau, d. h. er kann den Anbauer nicht zwingen zu verhindern, daß seine Bienen gentechnisch veränderte Maispollen eintragen: Obwohl der Hobbyimker seine Bienen seit vielen Jahren stationär in einem Bienenhaus hält und technisch nicht auf Bienentransporte eingerichtet ist, sei ihm nach Abwägung der "Verhältnismäßigkeit" zuzumuten, die Völker während der Maisblüte an einem anderen Standort aufzustellen. Allerdings könne er zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den Anbauer geltend machen. Kommentar:
Die Empörung, die aus Imker- und selbst Naturschutzkreisen verschiedentlich zu hören und zu lesen war, wäre begründet, wenn sie ausschließlich die Schädigung der wildlebenden Insekten einschließlich der Wildbienen anprangern würde. Eine Beeinträchtigung der Honigqualität bzw. der Honigbienen und indirekt der Imker wird hingegen nicht durch Maisbauern verursacht, die ja gar keine Honigbienen benötigen und wollen, sondern durch Imker, die ihre Honigbienen ungebeten und unerlaubt auf fremdem Grund und Boden sammeln lassen. Dies wird seit langem für so selbstverständlich erachtet, daß Imker sich zum eigenen Vorteil ermutigt fühlen, anderen Landwirten deren Wirtschaftsweise vorschreiben zu wollen. Wer aber wegen nicht verkehrsfähigen Honigs wirtschaftlichen Schaden geltend machen will, sollte der nicht im Gegenzug Nutzungsentgelte an Eigentümer zahlen, deren Blühflächen er nutzt? Und sollte er nicht auch die Entscheidung eines Grundbesitzers respektieren müssen, der auf seinem Grundbesitz (z. B. einem Naturgarten) keine Haustiere anderer Menschen wünscht?
- 16. Das BVL läßt die Zulassung von Giften ruhen (Mai 2008)
- Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) läßt im Mai 2008 die Zulassung folgender Gifte bis auf weiteres ruhen: Antark, Chinook, Cruiser 350 FS, Cruiser OSR, Elado, Faibel, Mesurol flüssig, Poncho, ACROBAT PLUS WG, Ridomil Gold MZ, STEWARD, Gramoxone Extra, Euparen M WG (auch vertrieben unter den Bezeichnungen Baymat WG und Bayer Garten Universal-Pilzfrei), Melody Multi, Monceren plus und Folicur EM. Näheres findet sich auf der BVL-Seite "Widerrufene und ruhende Zulassungen (letzte Änderung: 15. Mai 2008)".
- 15. Neue Bienen-Zeitschrift: Eucera (Januar 2008)
- Dr. Paul Westrich, der renommierte Autor des zweibändigen Grundlagenwerkes Die Wildbienen Baden-Württembergs, gründet eine neue Zeitschrift: Eucera · Beiträge zur Apidologie. Für die gedruckte Ausgabe ist die ISSN 1866-1513, für die zeitgleich publizierte Online-Ausgabe lautet die ISSN 1866-1521. Die nicht gewerbliche Zeitschrift soll in unregelmäßiger Folge in Form von Einzelheften erscheinen. "Aus Gründen einer besseren Lesbarkeit und Sprachrichtigkeit wird", wie Dr. Westrich später (im August) schreibt, "die klassische (bewährte) Rechtschreibung verwendet."
- 14. Seidenbiene Colletes hederae erstmals in Nordrhein-Westfalen (Herbst 2007)
- Der Bienenkunder Prof. Dr. Klaus Standfuss entdeckt in seinem Garten an der B1 in Dortmund zwei Männchen der "Efeu-Seidenbiene" (Colletes hederae). Diese von Süden und Westen her sich ausbreitende Art wurde erst 1993 von Konrad Schmidt und Paul Westrich als eigene Art beschrieben und taucht nun unerwartet schon in NRW auf. (Es soll bis 2012 dauern, bis Prof. Standfuss auch Weibchen dieser Art in seinem Garten entdeckt.)
- 13. Großes "Bienensterben" in den USA (Frühjahr 2007)
- In manchen Regionen sterben im Frühjahr bis zu 80 Prozent der Honigbienenvölker. Forscher können die Ursache noch nicht eindeutig identifizieren und Verlauf und Ausbreitung des Sterbens nicht untersuchen, da die Honigbienen (die übrigens in Amerika nicht heimisch sind) außerhalb ihrer Stöcke sterben. Es gibt aber eine Reihe plausibler Vermutungen: die Dürre im Herbst 2006 im Süden der USA und als Folge eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, die riesigen Monokulturen und daher die einseitige Ernährung oder/und Vergiftung der Honigbienen mit Pestiziden, genmanipulierte Pflanzen bis hin zu elektromagnetischer Strahlung und ein Zusammenwirken, eine Akkumulation mehrerer Faktoren. Sicher scheinen die Folgen zu sein: große, teure Ernteausfälle.
- 12. Dramatischer Rückgang der Bienenarten (21. Juli 2006)
- Die im US-Magazin Science veröffentlichte Studie eines Forscherteams der Universität Leeds belegt, daß die Zahl der Bienen und der von ihnen bestäubten Pflanzen in Teilen Europas stark abgenommen hat. Im ebenfalls betroffenen Großbritannien gingen die auf Insektenbestäubung angewiesenen Wildpflanzen um 70 Prozent zurück. Die Ursachen für das Bienensterben sind noch unklar.
- 11. Imker, Gentechnik und Verfassungsschutz (Frühjahr 2006)
- Welche Folgen das Wahrnehmen des urdemokratischen Grundrechts auf freie Meinungsäußerung haben kann, erzählt der Präsident der Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes: Manfred Hederer engagiert sich vielerorts – auch innerhalb der CSU – gegen den Anbau genmanipulierter Pflanzen, den er für eine große Gefahr für die Natur, den Menschen und Imkerei betrachtet. Deshalb erhielt er Besuch vom Bayerischen Verfassungsschutz und mußte sich Fragen zu seiner staatsbürgerlichen Einstellung gefallen lassen. Wenn sich der Staatsschutz, eigentlich zuständig für politisch motivierte Kriminalität, hier einmischt, zeigt dies, daß die Bayerische Landesregierung Staat und Verfassung durch den Einsatz für eine natürliche Umwelt gefährdet sieht? (ehemalige Quelle )
- 10. Löcherbienen (Heriades truncorum) konkurrieren nicht mit Honigbienen um Pollen (2005)
- Die Bienenforscher Andree Hamm, Sandra Haase und Dieter Wittmann vom Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Bienenkunde in Bonn haben am Beispiel der häufigen oligolektischen Löcherbiene Heriades truncorum in einem Naturschutzgebiet westlich der ehemaligen Bundeshauptstadt untersucht, ob Wildbienen mit der domestizierten Honigbiene (Apis mellifera carnica L.) um Pollen konkurrieren. Zu diesem Zwecke wurden an zwei Terminen je 30 Honigbienenvölker im NSG aufgestellt und die Menge des Korbblütler-Pollens mittels Pollenfallen bestimmt. Bei den Löcherbienenweibchen wurden die Pollenmengen (Rainfarn, Schmalblättriges und Jakobs-Greiskraut) und die Zahl der Brutzellen ermittelt. Beobachtet wurden auch die Besuchshäufigkeit, evtl. Störungen und die Dauer der Sammelflüge.
Die Löcherbienenweibchen trugen im Durchschnitt 2.254.200 Pollen in eine Brutzelle ein; ein Honigbienenvolk schaffte täglich maximal ca. 45 Millionen, was für ca. 20 Brutzellen reicht. Die Sammelflüge der Wildbienenweibchen wurden aufgrund abnehmender Tracht länger, nicht jedoch durch das Aufstellen der Honigbienenvölker; diese hatten auch keinen signifikanten Einfluß auf die Tagesleistungen der Löcherbienen.
- 9. Neues Hummelbuch aus Großbritannien (Frühjahr 2005)
- Im Frühjahr 2005 ist ein neues, lesenswertes Buch erschienen: Mike Edwards & Martin Jenner (2005): Field Guide to Bumblebees of Great Britain and Ireland. Ocelli, Willingdon Village, Eastbourne. Bemerkenswert sind die guten, bestimmungstauglichen Fotos und die einfachen Bestimmungsschlüssel. Hummelfreunde, denen die englische Sprache nicht fremd ist, haben hier Gelegenheit, ihren Wortschatz um biologische Fachbegriffe zu erweitern. Der Originalpreis beträgt £ 8.99 + P&P, außerhalb Großbritanniens läßt sich das Büchlein bequem im Online-Versandhandel erwerben, bei amazon z. B. für 16,50 €.
- 8. Bienenartenbestimmung mit dem Computer
- Forscher der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn haben ein Computerprogramm namens ABIS entwickelt, das Bienenarten anhand ihrer Flügeläderung identifiziert. Dies funktioniert am einfachsten mit toten, aber auch mit lebenden Tieren: Ein Flügel der betäubten Biene wird zwischen zwei Glasplättchen geklemmt und unter einer Stereolupe mit einer Digitalkamera abgelichtet. Das Bild wird in den Computer überspielt, wo die neue Software die Aderstruktur erfaßt und mit den gespeicherten Referenzdaten vergleicht. Diese umfassen jeweils ca. 30 Bilder aller allein in Deutschland vorkommenden 550 Bienenarten. Nach einer Trainingsphase nennt das Programm nach wenigen Minuten mit einer Präzision von 9899,8 Prozent den Artnamen.
Der Aufwand ist nicht nur wissenschaftlich motiviert: Eine (für Bauvorhaben vorgeschriebene) Umweltverträglichkeitsprüfung oder die Kartierung eines Schutzgebietes erfordert meist auch die Erfassung der vorkommenden Bienenarten, und die Landwirtschaft ist manchmal auf Bienenarten angewiesen, die nur wenige Pflanzenarten bestäuben, welche ihrerseits auf diese Spezialisten angewiesen sind. Auf Bienen spezialisierte Taxonomen gibt es allerdings in Deutschland nicht genug; mit der Bienen-Software kann nun aber selbst der entomologische Laie eine Bienenart bestimmen. Der Agrarwissenschaftler Dr. Stefan Schröder, der das Konzept zusammen mit dem Informatiker Dr. Volker Steinhage (beide Universität Bonn) entwickelt hatte, erhielt dafür 2003 in Kopenhagen den Ebbe-Nielsen-Preis, der von der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) gestiftet wird. (Quellen: ABIS · Ebbe-Nielsen-Preis · Institut für Landwirtschaftliche
Zoologie und Bienenkunde)
- 7. Hummeltreue währt am längsten ... (Januar 2005)
- Aus genetischer Sicht ist Promiskuität von Vorteil: Eine starke Durchmischung der Gene begünstigt die Genkombinationen, die eine optimale Anpassung einer Art an ihre Umwelt und damit ihr Überleben ermöglichen. Die Königinnen der Dunklen Erdhummel (Bombus terrestris) jedoch werden von mehreren Begattungen krank: Sie schlafen schlecht und sterben füher als monogame Artgenossinnen, wie Forscher der Universität Kopenhagen durch künstliche Besamungen herausfanden. Als besonders schädlich erwies sich eine Mischung aus der Sperma von Brüdern. Den Grund vermuten die Biologen in einer Unverträglichkeit verschiedener Samenzellen. (Quelle: Proceedings of the Royal Society B Online, 19.01.2005)
- 6. Die Steinhummel ist das "Insekt des Jahres" 2005
- Das "Kuratorium Insekt des Jahres" des Deutschen Entomologischen Instituts hat die Steinhummel (Bombus lapidarius) zum "Insekt des Jahres 2005" gewählt. Die Wahl fand zum ersten Mal gemeinsam mit der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft statt, der Bayerische Minister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Dr. Werner Schnappauf, ehrte die Hummel als Schirmherr. Die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft machte die Wahl in einer Presse-Information bekannt.
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V.
Deutsches Entomologisches Institut
Eberswalder Straße 84
15374 Müncheberg
Fon: 033432/82200
Fax: 033432/82223 |
|
Österreichische Entomologische Gesellschaft (ÖEG)
Univ.-Prof. Dr. Konrad Thaler
Institut für Zoologie u. Limnologie
Technikerstraße 25
A-6020 Innsbruck, Österreich
E-mail: konrad.thaler@uibk.ac.at |
|
Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA)
Messeweg 1112
38104 Braunschweig
Fon: 0531/299-3207
Fax: 0531/299-3000 |
- 5. Kinderbuch über die Kinderstube der Insekten (Herbst 2004)
- Ein interessantes Insektenbuch für Kinder erscheint: Anne Möller (2004): Nester bauen, Höhlen knabbern · Wie Insekten für Ihre Kinder sorgen. Atlantis-Verlag, Stolberg. Der Blick in die Kinderstube etwa einer Schneckenhaus-Mauerbiene ist ungewöhnlich und schon deshalb empfehlenswert. Solche Buchtitel wirken der Entfremdung heutiger Kinder von der Natur entgegen und eignen sich daher gut als Geschenke.
- 4. Die Sammelareale der Ackerhummel und Dunklen Erdhummel (Dezember 2004)
- Der Schutz gefährdete Hummelarten setzt Kenntnisse über ihren jeweiligen Sammelradius und ihre Nestdichten voraus. Frühere Untersuchungen konzentrierten sich auf die weltweit verbreitete Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) in der Annahme, daß diese Art repräsentativ auch für andere sei. Eine neue Studie vergleicht die Dunkle Erdhummel mit der Ackerhummel (B. pascuorum) und zeigt, daß dem nicht so ist:
Auf einer 10 km langen Strecke wurden Arbeiterinnen beider Arten gefangen und 89 sogenannte polymorphische Microsatelliten-Marker benutzt, um Schwestern, also Angehörige derselben Völker, zu identifizieren. Schätzungen der Nestdichten, die auf einer Kreisfläche von 50 m Radius in einer Agrarlandschaft beruhten, ergaben 13 Erdhummel-, aber 193 Ackerhummelvölker pro km². Ackerhummeln sammelten in weniger als 312 m Entfernung vom Nest, während es bei Erdhummeln bis zu 625 m waren.
Hummelarten können sich also in fundamentalen Aspekten ihrer Ökologie unterscheiden, was bei Schutzmaßnahmen für seltene Hummelarten und isolierte Pflanzenpopulationen ebenso zu berücksichtigen ist wie beim landwirtschaftliche Einsatz von Hummeln als Bestäuber und der Vorhersage des Genflusses genmanipulierter Pflanzen.
(Quelle: Darvill, Ben, Mairi E. Knight & Dave Goulson: "Use of genetic markers to quantify bumblebee foraging range and nest density" in: Oikos, Dec 2004, vol. 107 (3), p. 471–478)
- 3. Nicht fleißig, sondern genial (Juni 2004)
- Jahrhundertelang galt die Honigbiene sprichwörtlich als Inbegriff tierischen Fleißes: "Bienenfleißig" sammelte sie Nektar und füllte die Beute des Imkers, und ihre exakt sechseckigen Brutzellen fanden allenthalben Bewunderung. Ihren Ruf verdankt sie allerdings nur der Tatsache, daß sie gezwungenermaßen für das leibliche Wohl des Menschen sammelt, und auch ihr Bild als Baumeisterin wird 2004 relativiert:
Bienenwaben bestehen aus Wachs, das die Bienen in speziellen Drüsen im Hinterleib produzieren. Mit ihren Fühlern steuern sie die Dicke der Zellwände, die nur 70 tausendstel Millimeter beträgt. Wie Forscher aus Südafrika und Würzburg herausfanden, formen sie jedoch nicht die bekannten sechseckigen Tönnchen, sondern nur weitgehend runde Zylinder. Dabei erwärmen sie das Wachs auf 40° Celsius, wodurch es zu fließen beginnt und automatisch die energetisch sparsamste Form annimmt: die des Sechsecks. Bienen nutzen also nur "genial" ein physikalisches Prinzip.
Die Entstehung der sechseckigen Waben kann im Laborversuch leicht simuliert werden, wenn man Zylinder aus dünnem Wachs miteinander in Kontakt bringt und erwärmt. Und auch Lava erstarrt keineswegs zufällig in sechseckigen Säulen.
(Quelle: Pirk, C.W.W. & H.R. Hepburn, S.E. Radloff et al.: "Honeybee combs: construction through a liquid equilibrium process?", Naturwissenschaften, online am 15.06.2004, DOI: 10.1007/s00114-004-0538-4; Runde Rohlinge und Bienenwärme ergeben perfekte Waben)
- 2. Zur Geschlechterverteilung bei der Erdhummel (2004)
- Bombus terrestris ist die von Hummelforschern seit langem bevorzugte Hummelart. Dennoch bzw. gerade deshalb gibt es immer wieder Neues zu entdecken, etwa zum Geschlechterverhältnis und Mutter-Tochter-Konflikt, der immer dann ausbricht, wenn die Arbeiterinnen beginnen, eigene Eier zu legen und die Königin zu verdrängen:
Die Geschlechterverteilung hängt entscheidend von der Königin ab. Je länger diese im energiezehrenden Winterschlaf (Diapause) verweilt, desto größer sind tendenziell die Gruppen ihrer erst- und zweitgeborenen Arbeiterinnen und desto eher produziert sie haploide (unbefruchtete) Eier. Folglich zieht ihr Volk mehr Drohnen und weniger neue Königinnen auf. Nach einer kürzeren Diapause ist es umgekehrt. Die Geschlechterverteilung hängt entscheidend ab von der Zeitspanne zwischen dem ersten haploiden Ei der Königin und dem ersten (natürlich auch haploiden) Eier einer ihrer Arbeiterinnen, die damit in Konkurrenz zur Königin treten: Je länger der Zeitraum zwischen beiden Terminen ist, desto mehr neigt das Geschlechterverhältnis zugunsten der Drohnen.
Mit der frühen Produktion von Söhnen begrenzt eine Königin zudem stark die Chancen ihrer Arbeiterinnen, über eigene Söhne ihre eigenen Erbanlagen weiterzugeben. Arbeiterinnen in solchen frühreifen Staaten entwickeln zwar nach Ablage haploider Königinneneier ihre Ovarien, um eigene haploide, also Drohnen-Eier zu legen, kommen aber dennoch genetisch kaum zum Zuge: Arbeiterinnen haben mit dem potentiellen Nachwuchs ihrer Söhne einen Verwandtschaftsgrad von 0,375, was nur anderthalb mal höher ist als die Verwandtschaft von 0,25 zu ihren Brüdern, also den Söhnen ihrer Mutter und Königin. Das Legen eigener Eier lohnt sich also für Arbeiterinnen nur dann, wenn der Fortpflanzungserfolg ihrer Söhne mindestens zwei Drittel des Pflegeerfolgs bei ihren Brüdern erreicht; dieser Gleichstand wird aber, wenn überhaupt, nur in einer sehr späten Phase der Volksentwicklung erreicht oder gar übertroffen. Andererseits würden Arbeiterinnen, die zu früh eigene Eier legen, gerade dadurch in eine negative Energiebilanz geraten und so den Erfolg ihrer Gene gefährden.
(Quelle: Duchateaua, Marie José, Hayo H. W. Velthuisa & Jacobus J. Boomsmaa (2004) in Behavioral Ecology, vol. 15 No. 1: 7182)
- 1. Neue Hummelart in Österreich (2002)
- Dr. Johann Neumayer aus A-5161 Elixhausen kann zum ersten Mal ein Exemplar von Bombus haematurus KRIECHBAUMER, 1870 in Österreich nachweisen. Diese "Ungarische Hummel" kommt in Europa von Griechenland und der Türkei nord- und westwärts bis Serbien und Ungarn vor und ist offenbar von dort erst kürzlich in den deutschsprachigen Raum eingewandert. (Die Veröffentlichung der Entdeckung folgt zwei Jahre später: Neumayer, J. (2004): "Erstfund von Bombus haematurus Kriechbaumer, 1870 (Hymenoptera, Apidae) in Österreich" in: Beiträge zur Entomofaunistik 5: 134–135.)
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