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Wildbienen: Pseudoschutz
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Firmen und Verbände, Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Parteien und Behörden, Medienmacher und Konsumenten haben spätestens seit der Jahrhundertwende eines gemeinsam: Das Thema "Bienen", der "Bienen-Hype" ist bei ihnen angekommen. Unter den Umwelt-bezogenen Slogans der letzten Jahre wie (in alphabetischer Reihenfolge) Artensterben, Biodiversität, Erosion, Flächenverbrauch, Klimawandel, Kohlenstoffdioxid (CO²), Luftverschmutzung, (Plastik-) Müll, Nachhaltigkeit, Pestizide, Ressourcenverbrauch, Überfischung, Wasserknappheit etc. sieht und hört man seither auch Vokabeln wie Bienensterben, Bestäuberkrise, Bienenhotel, Blühstreifen etc. Das klingt gut, das suggeriert einen hoffnungsgebenden Trend, der sich schon in zwei sich völlig widersprechenden Begriffen manifestiert:

Umweltschutz mit Brief & Siegel?

Ist also die Rettung unserer Bienenfauna nur eine Frage der Zeit – haben die eingangs erwähnten Akteure das Problem verstanden und die nötigen Maßnahmen ergriffen, um es schnellstmöglich zu lösen? Diese Frage ist natürlich nur eine rhetorische, denn der Abwärtstrend, der Schwund der Insektenarten insgesamt wie auch der Bienenarten und -populationen im besonderen ist ungebrochen. Das gilt gleichermaßen für andere Umweltprobleme: die (mangelnde) Nachhaltigkeit, den ökologischen Fußabdruck, die CO²-Konzentration, Bio-Lebensmittel, artgerechte Tierhaltung etc., für Negativtrends also, die sich u. a. im – immer früheren – Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) dokumentieren, aber nicht wirklich ernst genommen werden:

Warum Bienen?

Da darf es nicht verwundern, daß längst auch "die Biene" oder "die Wildbiene" als Objekt der Öffentlichkeitsarbeit (PR) entdeckt wurde, ist sie doch – neben den großen bunten Tagfaltern – der Sympathieträger unter den Insekten. Der Vorteil der Biene lag zunächst im schon vorhandenen positiven (weil seit Jahrhunderten von Imkern gepflegten) Image der Honigbiene als jedermann bekanntes und nützliches Haustier: Sie "lieferte" (ohne wirklich liefern zu wollen) schließlich den süßen Honig, der sich als vermeintliches (Gentechnik-freies) Naturprodukt vom raffinierten Fabrikzucker unterscheidet. Darauf aufbauend mußte man nur noch zwei Zusatzbotschaften verkünden: 1. Honigbienen produzieren nicht nur Honig, mindestens ebenso wichtig ist ihre Rolle als Bestäuber unserer Nahrungspflanzen. 2. Natürlich setzen wir uns nicht nur für die "Biene Maja" ein, sondern "auch" für "Majas wilde Verwandte", die Wildbienen. Ohne das positive Image der domestizierten Honigbiene läßt sich der Popularitätsvorsprung der Wildbienen gegenüber anderen Blütenbesuchern kaum erklären:

Wer also wildlebende Blütenbesucher als unentbehrliche Bestäuber fördern oder für seine Öffentlichkeitsarbeit nutzen möchte, könnte sich ebensogut auf Fliegen einschließlich der (oft recht hübschen) Schwebfliegen konzentrieren – oder sogar unsere Käfer. Zu beachten ist dabei allerdings, daß ein Blütenbesucher nicht automatisch auch ein Bestäuber ist: Einerseits sind viele Blütenbesucher nur am Nektar, nicht aber am Pollen interessiert, den sie daher unabsichtlich transportieren: Durch spezielle Strukturen und Mechanismen in den Blüten werden auch kleinere Pollenmengen z. B. auf dem Bienenkörper plaziert – u. a. auf sogenannten safe sites, wo sie für die Bienenbeine beim Putzen schlecht erreichbar sind und daher zu weiteren Blüten gelangen. Andererseits sammeln Bienen Pollen aktiv nur zwecks Verproviantierung ihrer Brutzellen und entziehen ihn so seiner eigentliche Bestimmung: der geschlechtlichen Vermehrung der Pflanzen; auch Schwebfliegen und einige Blüten-besuchende Käferarten beanspruchen einen Teil des Pollens für sich, vor allem wohl für die Entwicklung ihrer Fortpflanzungsorgane.
    Die "Bestäubungsleistung" einer Insektenart oder -gruppe ist also gar nicht einfach zu ermitteln. Objektiv betrachtet sind Bienen keine besseren Werbeträger und Maskottchen als hübsche Schmetterlinge oder zarte Schwebfliegen oder andere Tiergruppen – aber um wissenschaftliche Begründungen geht es ja ebensowenig wie um konkreten, effektiven Artenschutz: Es geht um Image, Reputation, Kundenbindung, Vertrauen ... und ums Geschäft. Zwei New Yorker Entomologen (MacIvor und Packer) haben dafür 2015 den Begriff Beewashing geprägt.

Beewashing-Akteure

Wie nutzen nun die eingangs erwähnten kommerziellen, öffentlichen und privaten Akteure die Bienen für ihre Belange? Sie tun es mit teils zutreffenden, teils falschen Aussagen, mit Berichten und Empfehlungen, und einige geben viel Fachwissen und Engagement vor, das sie nicht haben:

1. Imker

Als vor vielen Jahrhunderten zuerst die Zeidlerei, dann die Imkerei entwickelt wurde, geschah das allein aus wirtschaftlichen Motiven: Vor preiswerten Rohrzucker-Importen und später dem Anbau von Zuckerrüben war Honig der einzige verfügbare Süßstoff, und vor der Erfindung von Stearin und Paraffin war Bienenwachs ein ebenso unentbehrliches wie teures Luxusprodukt für Beleuchtungszwecke. Erst als Honig, Wachs und Propolis in eine Marktnische verdrängt wurden und ihren ehemalig großen wirtschaftlichen Wert einbüßten, "entdeckte" die Imkerschaft pressewirksam die angeblich wichtige Rolle ihrer domestizierten Honigbienenrassen als Bestäuber. Wichtig sind Honigbienenvölker tatsächlich als Bestäuber großer Monokulturen der industriellen Landwirtschaft, nämlich der wenigen Blütenpflanzen, die auf Bestäubung durch Insekten angewiesen sind. (Weizen, Roggen, Mais, Kartoffeln und viele andere sind es nicht.)
    Auf dem Land ist Imkerei also meist überflüssig, oft auch kaum praktikabel, da blütenarme ausgeräumte Landschaften weder Honigbienen noch Wildbienen den nötigen Pollen und Nektar liefern können. Die Folge war und ist, daß Berufs- wie Hobby-Imker in Städte und Dörfer, in Landschaftsschutz- oder gar Naturschutzgebiete ausweichen. Dort lassen sie ihre Haustiere auf fremdem Grund und Boden Nektar und Pollen sammeln und machen so Wildbienen, (Schweb-) Fliegen etc. Konkurrenz: Jedes Pollenkorn, jeder Tropfen Nektar läßt sich nur einmal sammeln! Gleichzeitig intensivierten sie ihre Öffentlichkeitsarbeit und ergänzten ihre Bienenstände um ein paar Nisthölzer für Mauerbienen und ihre Internetauftritte um Hinweise auf Wildbienen:

"Online-Lernportal 'Die Honigmacher'"
"Schnupperkurs" einer Imker-Website mit falschen Angaben zur Konkurrenz zwischen Honigbienen und Wildbienen: Soziale Bienen (Honigbienen, Hummeln, Furchenbienen) und Solitärbienen teilen sich viele Habitate und Futterpflanzen ("ökologische Nischen"), deshalb werden Wildbienen durch zu viele Honigbienen dezimiert. Auch das Foto vermittelt eine Falschinformation: Es zeigt keine Maskenbienen, sondern zwei Schenkelbienen-Männchen (Macropis europaea).

2. Landwirte

Der dramatische Niedergang der Insekten, nicht zuletzt der Wildbienen, wurde und wird vor allem durch die "modernen" Methoden der Nahrungsmittelproduktion verursacht: Immer größere Produktionseinheiten statt ehemals kleinräumiger Gliederung der Landschaft vernichten Pflanzenvielfalt und Niststrukturen, hohe Düngergaben (vor allem von Stickstoff) und mengenorientierte Mähregimes fördern Gräser und somit zwar ertragreiches, aber blütenarmes Grünland, Pestizide töten alle Kleinlebewesen. Statt einer konsequenten Rückbesinnung auf frühere, angeblich "veraltete", aber nachhaltige Produktionsmethoden werden Ackerrandstreifen für Standort-typische Ackerwildkräuter (Segetalflora) oder "Blühstreifen" und -flächen für einzusäende Mischungen propagiert. Deren Nutzen hängt vom Wohlwollen der Landwirte ab, die teils mitmachen, teils wegen zu hohen (auch bürokratischen) Aufwandes auf eine Teilnahme (und auch auf Fördergelder) verzichten. Wenn tatsächlich ein Randstreifen angelegt und per Hinweisschild als Blühfläche ausgewiesen wird, entpuppt sich dieser allzu oft als afrikanisch-amerikanischs Exotenparadies.

Ackerrandstreifen
Von einem Landwirt ausgewiesene "Blühfläche" mit vielen bunten Exoten bzw. Neophyten

Mit 16 Kulturpflanzen fördert eine "Bienenweide" vor allem Honigbienen:
Anethum graveolens (Dill), Borago officinalis (Borretsch), Camelina sativa (Acker-Leindotter), Carthamus tinctorius (Färber-Distel), Coriandrum sativum (Koriander), Fagopyrum esculentum (Echter Buchweizen), Foeniculum vulgare (Fenchel), Guizotia abyssinica (Ramtillkraut ), Helianthus annuus (Sonnenblume), Linum usitatissimum (Saat-Lein), Lotus corniculatus (Gewöhnlicher Hornklee), Medicago lupulina (Hopfenklee), Medicago sativa (Saat-Luzerne), Petroselinum crispum (Petersilie), Phacelia tanacetifolia (Büschelschön), Trifolium pratense (Rot-Klee).
  Bienenweide-Tafel

3. Firmen

Kommerziell agierende, also auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, zusammen mit der (konventionellen) Landwirtschaft unmittelbar den größten Schaden an der Natur anzurichten – was die Verbraucher allerdings nicht aus einer Verantwortung entläßt: Es sind der Ressourcenverbrauch für immer neue Konsumartikel, die Vermüllung der Meere mit Plastik, Produktion und Einsatz von Giften und viele weitere Vergehen an der Natur, die am Ende auch das Überleben des Menschen selbst gefährden. Je mehr aber den Menschen dieses existentielle Problem bewußt wird, desto mehr (öfter und deutlicher) wird es in der externen Kommunikation der Unternehmen adressiert – meist nur verbal:

  • Die Bienen schenken uns Honig. Sie sind aber auch für die Bestäubung von Pflanzen unverzichtbar. Ohne sie gäbe es kaum Gemüse und Obst. Und ihr Fleiß und ihre Leistung sind schon sprichwörtlich – und ein Vorbild für uns alle. BAUHAUS engagiert sich gegen das Bienensterben. Und Du kannst das auch! Schon mit einfachen Mitteln kann man jeden Balkon, Gewächshaus oder Garten bienenfreundlicher gestalten. Wir verraten Dir, wie. [Wie man "jeden Gewächshaus" bienenfreundlicher gestalten kann, verrät die BAUHAUS-Website allerdings nicht.]
  • Die Basics für den bienenfreundlichen Garten sind klar:
    • eine große Vielfalt einheimischer Pflanzen
    • Blühzeitpunkte von früh bis spät im Jahr
    • Blumen mit ungefüllten Blüten
    • [...]
    • Baumaterial für Nisthilfen: Wo Bienen kleine Steinchen, Pflanzenreste, Holzschnipsel, Lößlehm etc. vorfinden, nisten sie sich gern ein.
    • [...]
    Bevor Du bienenfreundliche Pflanzen bei Dir im Garten ansiedelst, findest Du idealerweise heraus, welche Bienen bei Dir überhaupt unterwegs sind. Nicht jede Bienenart besucht die gleichen Pflanzen. So kannst Du noch zielgerichteter für ein üppiges Angebot sorgen.
    [So richtig die genannten "Basics" und die letzten drei Sätze sind, so unsinnig sind die Baumaterial-Empfehlungen!]
  • Das kleinste Nutztierchen der Welt hat größten Einfluss auf unsere Nahrungsvielfalt. Ohne die Bienen und weitere bestäubende Insekten würde es zahlreiche Pflanzen und damit auch Lebensmittel nicht mehr geben. REWE Südwest unterstützt Projekte und Initiativen, die den Artenschutz in den Fokus rücken und Lebensräume schaffen. Die nachhaltig erzeugten Produkte erhalten einen Platz im Regal. [REWE-Website]
  • Insekten sind nützliche Helfer im eigenen Garten, doch besonders die Wildbiene und die Honigbiene sind zunehmend bedroht. Wir zeigen dir, wie Bienen deinen Garten sehen und geben dir neben Tipps zur richtigen Pflanzenauswahl weitere Ideen zu einer bienenfreundlichen Gartengestaltung. So schaffst du den Insekten ein Nahrungsangebot sowie einen Lebensraum und tust der Umwelt etwas Gutes. [OBI-Website]
Bienen-Werbung des BAUHAUSes
"Gardify News"
Diese Nachricht vom September 2023 erläutert, wie man mit Pflanzen mehrerer Familien eine polylektische Schmalbiene unterstützen kann. Ein fachkundiger Blick auf das Foto hätte allerdings ergeben, daß sich die abgebildete Biene nicht so "mit der weißen Bänderung" bestimmen läßt. Tatsächlich zeigt das Foto eine Furchenbiene der Gattung Halictus. Entomologische Fachkunde hätte den Fehler vermieden.

4. Umwelt(schutz)verbände

Umwelt(schutz)verbänden sollte man nach den Naturwissenschaften die größte Kompetenz im Natur- und Artenschutz zuerkennen können, ist doch ihr ausschließliches und uneigennütziges Anliegen der Umweltschutz, der in unserer Gesellschaft ansonsten aus vielerlei egoistischen (meist wirtschaftlichen) Motiven vernachlässigt wird. Die Kompetenzen der Umweltverbände und ihrer vielen Untergliederungen und Mitglieder entsprechen jedoch nicht immer dem wissenschaftlichen Kenntnisstand, und ihr vermeintlicher Altruismus droht offenbar unglaubwürdig zu werden in dem Maße, in dem sie sich professionalisieren: Längst beschäftigen die großen Umweltverbände nicht nur Biologen und biologisch versierte Laien, sondern ebenso PR-Fachleute, Buchhalter, Administratoren etc., und ihren Erfolg messen sie stolz an den Mitgliederzahlen und Einnahmen. Letztere lassen sich nicht nur durch Mitgliedsbeiträge generieren, sondern ebenso durch gewinnbringende "Partnerschaften" mit Unternehmen, die mit der Empfehlung eines Umweltverbandes nebst seinem (kostenpflichtigen) Logo oder mit gemeinsamen öffentlichkeitswirksamen Aktionen Imagepflege betreiben.

  • Ein leidiges Thema des Bienenschutzes sind die oft "Insektenhotels" genannten Nisthilfen: Schon die Bezeichnung selbst ist wenig hilfreich, da Nisthilfen keine Übernachtungen mit Frühstück, sondern Niststrukturen anbieten sollen, in denen sich Larven entwickeln und verpuppen und aus denen im folgenden Frühjahr die nächste Bienengeneration schlüpft. Dies aber ist in vielen "Insektenhotels" nicht oder kaum möglich: In Stroh, Fichtenzapfen, markhaltigen Stengeln und Langlochziegeln nisten keine Solitärbienen & -wespen, und Baumscheiben (die bei Trockenheit gerne Risse bilden) sowie Weichholzblöcke und unsauber gebohrte Löcher erweisen sich als nur bedingt geeignet für eine erfolgreiche Fortpflanzung.
        Kritik an ungeeigneten Nisthilfen wird manchmal als unberechtigte Besserwisserei zurückgewiesen, oft als kleinlich oder übertrieben abgetan und noch öfter als "unpädagogisch": Kinder müßten doch Freude am Naturschutz haben und stolz auf das sein können, was sie gebastelt haben, das Teil müsse auch interessant aussehen etc. Das rechts abgebildete "Insektenhotel", der "Blickfang" eines Nationalparkzentrums, ist zu über 90% für die Besiedlung durch Bienen, Wespen und andere Insekten völlig unbrauchbar. Darauf angesprochen, erwiderte die Leitung:
    Die Tatsachen sind uns bewußt, wir wissen auch dass ein Insektenhotel ohne Futterwiese oder geeignetes Umfeld wissenschaftlich betrachtet nix bringt. Unser Insektenhotel (übrigens eine Arbeit unserer letztjährigen Mitarbeiter des FÖJ) dient in erster Linie als Blickfang und Denkanstoß. [...] Sehr viele Leute sind an diesem Insektenhotel vorbeigegangen und haben uns darauf angesprochen – oder sich genauso wie Sie Gedanken dazu in der einen oder anderen Richtung gemacht. Mehr wollten wir damit gar nicht erreichen. Im Gespräch mit den Leuten diskutieren wir natürlich die Grenzen solcher Insektenhotels, aber wir haben mit den Leuten gesprochen, mit den Leuten von nebenan, die vielleicht keinen wissenschaftlichen Hintergrund haben, sich aber für den Erhalt unserer Artenvielfalt einsetzen können. Natürlich hängen die sich dann evtl. ein nicht perfektes Insektenhotel in den Garten und erfreuen sich an dessen Anblick – aber sie haben dann auch mitbekommen, dass sie an Ihrem Garten oder Konsumverhalten etwas verändern müssen. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass alle noch so wissenschaftlichen Erkenntnisse nichts bringen solange man die "Leute von nebenan" nicht mitnimmt. [Aussage eines Nationalpark-Hauses]
"Insektenhotel"
Pseudo-"Nisthilfen"   Pseudo-"Nisthilfen"
Nutzlose Pseudo-"Nisthilfen": dekorative "Aushängeschilder" an der Hauswand einer Biologischen Station

5. Parteien

Viele Menschen vertrauen darauf, daß politische Parteien und Institutionen für ihre Aufgaben kompetent nicht nur im Sinne von 'formal zuständig' sind, sondern auch 'fähig, geeignet', daß also z. B. in einem Umweltministerium alles umweltrelevante Fachwissen gebündelt ist. Erwartet wird dies erst recht, wenn der Umweltminister von der Partei "Bündnis 90 / Die Grünen" gestellt wird. Parteien betrauen jedoch eher erfolgreiche "Netzwerker", selten ausgewiesene Fachleute mit politischen Ämtern, etwa einen studierten Biologen mit dem Umweltministerium ...

6. Behörden

Wie kann eine Kommune Verantwortung für die Umwelt demonstrieren? Immer mehr Kreis- und Stadtverwaltungen machen es vor: durch mehr sichtbares "Grün"! Und damit das "Grün" immer (auch beim Autofahren) sichtbar sei, ist vor allem "Straßengrün" gemeint. Das Motiv hinter solchen Konzepten läßt sich gut an einer Mitteilung der Technischen Betriebe Solingen (TBS) ablesen: Formulierungen wie "Das Straßengrün ist in die Jahre gekommen" suggerieren, daß Altes schon deshalb 'überholt' sei, weil es alt ist, und deshalb durch Neues, "Zukunftsweisendes" ersetzt werden solle, und als 'zukunftsweisend' wird eine neue, bunte Optik präsentiert. Tatsächlich ist das neue Straßenbegleitgrün oft – und besonders während der Blüte – durchaus so sehenswert, daß man an einer auf Grün umgesprungenen Ampel das Weiterfahren verpassen kann. Ein Beitrag im Kampf gegen das Aussterben der Insekten aber ist es natürlich nicht, insbesondere Fahrbahn-Mittelstreifen sind, wie man in Wuppertal weiß, keine für Insekten idealen Nahrungshabitate – sogar schädlich können sie sein, wenn dort für Insekten attraktive Blütenpflanzen eine "Sogwirkung" haben: mit jeder von einem Fahrzeug erfaßten Hummelkönigin geht ein künftiges Volk verloren.
    Im Prinzip ist gegen hübsches Straßenbegleitgrün also wenig einzuwenden, solange es keine Insekten gefährdet und nicht die Illusion nährt, es könne die "Natur" zurück in unsere Städte holen und in dieser Funktion ein nachahmenswertes Vorbild sein. Dennoch wird "Straßengrün" immer wieder als Artenschutzmaßnahme präsentiert, und auch eine von Imkern empfohlene Pflanzenauswahl für Honigbienen ist kein wirklicher Beitrag zur Artenvielfalt der Wildbienen und anderer Insekten. Brauchbar wäre "Straßengrün" als "grüne Wegweiser" zu großflächigen naturnahen und somit Insekten-tauglichen Habitaten abseits der (großen) Straßen, vor allem in den Außenbereichen: Wenn Fachleute (Biologen bzw. Entomologen) solche Flächen auf ihre Eignung hin untersuchen und Kommunen sie entsprechend der Empfehlungen pflegen und schützen würden, ließen sich manche selten gewordene Pflanzen- und Tierarten retten.

Wildblumensaum
Ein Graben zwischen Hauswand und Bürgersteig auf der Nordseite eines Gebäudes. Das Schildchen informiert: "Wildblumensaum – Hier blüht es für die Artenvielfalt" · #UmweltIstUnsereKompetenz"

Innerstädtische Blühfläche   Innerstädtische Blühfläche
Innerstädtische Blühflächen mit vielen exotischen Blütenpflanzen: hübsch, aber keine tauglichen Vorbilder

7. Medien

Das Buch ist als traditionelles Informationsmedium immer noch sehr populär: Es gibt Literatur zu Biotopen (Gewässer, Moore, Wiesen, Wälder etc.), zu Hobbys wie Gärtnern und Imkern und eine Vielzahl von Naturführern bzw. Bestimmungshandbüchern zu den meisten Pflanzen- und Tiergruppen. Der Wegbereiter der aktuellen Wildbienen-Literatur war 1989 und 1990 Paul Westrichs Standardwerk Die Wildbienen Baden-Württembergs, das nach langen Jahren des Wartens 2018 vom selben Autor seinen Nachfolger fand: Die Wildbienen Deutschlands.

Natürlich kamen und kommen auch andere Medien am Thema Bienen nicht vorbei: die Presse (Tageszeitungen, Zeitschriften), Radio und Fernsehen sehen sich in der Pflicht, "mit dem Finger am Puls der Zeit" zu berichten; je mehr sie das aber tun, desto "aktueller" wird ein Thema, desto mehr müssen sie sich diesem Thema widmen. Redakteure rufen dann z. B. Wildbienen-Experten an und stellen Fragen wie "Wie geht es denn unseren Bienen?" Nachfolgend einige schriftliche Anfragen:

8. Forschung & Lehre

Die Annahme, zumindest die Wissenschaft sei immun gegen den medial verstärkten Bienen- bzw. Wildbienen-Hype immun, ist naiv: Auch Biologen sind als Teil der Gesellschaft von Trends beeinflußt und abhängig von der Finanzierung ihrer Arbeit durch Politik und Wirtschaft. In Studien, Projekten etc. tauchen seit Jahren immer häufiger Begriffe bzw. Schlagwörter auf wie etwa "Bestäubungsleistung", "Bestäuber", "pollinators", "bestuivers", "Ökosystemdienstleistung", "ecosystem service (ESS)" etc. Diese allerdings verengen den Blick anthropozentrisch auf jene Insekten, die dem Landwirt wirtschaftlich Nutzen bringen. Die Gründe sind nicht schwer zu erraten und haben, wie so oft, vor allem mit Geld zu tun: Wissenschaftliche Arbeiten werden dann am ehesten beachtet, finanziert oder zur Veröffentlichung angenommen, wenn sie den aktuell "richtigen" Fokus haben oder wenigstens die "richtigen" Stichwörter (siehe oben) enthalten. Effektiver Natur- und Artenschutz, die Erhaltung der Biodiversität, muß und darf sich allerdings nicht mit der "Bestäubungsleistung" von Insekten rechtfertigen – und auch nicht unter dem Vorwand weiteren Forschungsbedarfs "auf die lange Bank geschoben" werden. Einigen Titeln zu "Bestäubern" folgen Beispiele zu Projekten, Internet-Auftritten etc. zum gleichen Thema:

9. Fazit

Es gibt in der deutschen Sprache ein zum Thema passendes Sprichwort: "Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben!" Gemeint ist: 'Das haben wir uns zum Ziel gesetzt', 'das verkünden wir hiermit als unser Programm'. Die Metapher der Fahne (bzw. veraltet des Paniers) steht dabei für ein weithin sichtbares Zeichen, das Aufmerksamkeit auf sich zieht und etwas über seinen Träger bzw. seine Haltung ("Philosophie") und Absichten verkündet. Nun weiß jeder mündige Mensch, daß weder die Corporate Identity noch das postulierte Corporate Image einer Organisation vollständig und immer mit ihren tatsächlichen Absichten und Handlungen übereinstimmt, und auch die Organisationen selbst wissen das in der Regel; wenn aber das reale Handeln sich nicht (oder nicht so leicht) mit dem Corporate Image in Einklang bringen läßt, läßt sich zumindest das reale Image bzw. Ansehen der Organisation in der Bevölkerung beeinflussen. Die Instrumente dieser Schaufensterpolitik sind sichtbare Zeichen wie Broschüren, Logos, Presseerklärungen, die Website, Mailings, Video-Clips, Special Events etc.
    Die Zeichen, die in Sachen Bienenschutz gesetzt werden, sind teils schriftliche oder mündliche Verlautbarungen, teils Websites und Mailings, teils Broschüren oder Plakate oder bunte Blühstreifen oder "Insektenhotels" oder PR-Aktionen und viele andere Aktivitäten. Die meisten solcher Manifestationen allerdings klagen und warnen und täuschen Artenschutz nur vor, sie "machen keinen Unterschied" (make no difference, wie man im Englisch sagt), retten keine einzige Bienenart. Wirksamer Artenschutz ist mit zwei Ansätzen möglich:

Großflächiges Biotop
Vorbildliches großflächiges Biotop der Arbeitsgemeinschaft Natur & Umwelt Haan e.V. (AGNU) 2018

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