Wildbienen: Stechen die?
- „Seit die Frühlingssonne wieder die Terrasse erwärmt, fliegen Hunderte Bienen herum. Was können wir nun tun, damit wir – wenn die Sonne scheint – den Platz auf unserer Terrasse wieder für uns nutzen können? Diese Insekten sind wirklich überall.“
- „Ich bin gerne bereit meinen Balkon mit diesen Tieren zu teilen. Allerdings habe ich auch einen 8 Monate alten Sohn, der auf dem Balkon herumkrabbelt. Nun würde ich schon gerne wissen, ob diese kleinen Tierchen auch nicht zu aggressiv sind – auch nicht in der Nähe ihres Nestes. Bis jetzt machen Sie gar nicht den Eindruck, aber da sie jedes Loch in meinem Tisch und im Bambusgestell bevölkert haben, wäre eine Auskunft schön. Schön sind diese Tierchen auf alle Fälle und eine tolle Bereicherung für unsere Balkon.“
- „Haben die Erd- bzw. Sandbienen das gleiche Gift wie die Honigbienen? Ich würde gerne wissen, ob ein Stich bei mir ebenfalls zu einem anaphylaktischen Schock führen würde.“
- „Wir haben hier gerade eine hitzige Diskussion darüber, ob Hummeln stechen oder beißen. Können sie uns da eine Antwort geben?“
- „Seit diesem Frühjahr haben sich wunderschöne Steinhummeln an unserer Terrasse angesiedelt. Meine Frage: Können Hummeln auch stechen, und könnte es sein, daß sie im Sommer zu so einer "Plage" wie beispielsweise Wespen werden können?“
- Wir können aus eigener Erfahrung zu Baumhummeln etwas beitragen: Diese Hummeln sind S E H R angriffslustig!!! Bei Annäherung an das Einflugsloch in einer Höhe von knapp 3 m (unter dem Dachhüberstande muß das nicht sichtbare Nest sein) kommen diese kleinen Bister angeflogen und S T E C H E N S O FO R T !!!!!! Glücklicherweise ist die Auswirkung des Stiches nicht so schlimm wie bei Wespen oder Bienen.....
Die Frage, ob Wildbienen (zu denen ja auch die Hummneln gehören) stechen bzw. wie man sich gegen stechende Wildbienen schützen kann, ist ein Klassiker unter den Fragen, die in einem Bienenforum und in eMails zu Bienen gestellt werden. Zunächst diese Bemerkung vorweg: Die Frage, ob Bienen stechen, ist genauso "schlau", wie die Frage, ob Hunde (oder Pferde etc.) beißen: Die Frage suggeriert ja, daß ein Hund ohne jede Provokation oder andere Veranlassung beißt, sobald der nur die Gelegenheit dazu hat, und dasselbe gilt für die Frage nach der vermeintlichen Stechlust der Bienen. Das ist natürlich Unsinn. Richtig wären die Fragen, ob Wildbienen stechen können, und, wenn ja, wann sie es tun bzw. was sie dazu veranlassen könnte. Die Antworten sind völlig undramatisch:
- Ja, Bienen sind grundsätzlich physikalisch fähig zu stechen, denn sie gehören zu den sog. Stechimmen, haben also einen Wehrstachel, der sich aus der Legeröhre entwickelt hat. Männchen (Drohnen) hatten nie eine Legeröhre, sie können also auch nicht stechen. Den größten Eindruck vermeintlicher Gefährlichkeit erzeugen aber regelmäßig die Drohnen, wenn sie massenhaft vor oder über den Nistplätzen der Weibchen schwärmen.
- Die physikalische Fähigkeit zu stechen hängt natürlich von der Größe eines Bienenweibchens bzw. ihres Stachels und der ihres Gegners ab: Kleine Bienen sind überhaupt nicht in der Lage, mit ihrem winzigen Stachel die menschliche Haut zu durchdringen, man kann sie also problemlos mit zwei Fingern etwa aus einem Spinnengewebe zupfen, wenn man sie vor ihrem Freßfeind retten möchte; man sollte nur nicht zu fest drücken, um sie nicht zu verletzen. Größere Bienen und vor allem Hummeln können hingegen die menschliche Haut problemlos durchstechen – sie tun es nur fast nie:
- Die meisten Bienen – auch jene, die den Menschen stechen könnten – sind aufgrund ihrer ererbten Verhaltensmuster, also ethologisch nicht in der Lage zu stechen, und das hängt mit der Aufgabe zusammen, die jedes fruchtbare Bienenweibchen hat, nämlich der Fortpflanzung: Honigbienen-Arbeiterinnen pflanzen sich nicht selbst fort, sie stechen und verlieren ihr Leben, um ihre Königin und ihre Geschwister, also den Bienenstaat zu retten und so den Fortpflanzungserfolg sicherzustellen. Solitärbienenweibchen jedoch wirtschaften alleine, sie dürfen kein Risiko eingehen, das die Weitergabe ihrer Gene gefährden könnte. Der "Egoismus der Gene" veranlaßt ein Bienenweibchen also, auf eine mögliche Gefährdung ihres Nistplatzes nicht aggressiv zu reagieren, sondern lieber an anderer Stelle einen neuen Nistversuch zu starten.
- Entwickelt wurde der Wehrstachel nicht gegen Reptilien und Säugetiere (diese Tierklassen traten erst später in der Evolution auf), sondern gegen andere Bienen, Wespen, Ameisen und Spinnen ähnlicher Größe, und dort kann er auch durchaus wirksam eingesetzt werden. Ein Säugetier bzw. ein Mensch wird allenfalls gestochen, wenn er a) eine ausreichend große weibliche Biene direkt angreift, b) wenn er ihr keine Fluchtmöglichkeit läßt und c) wenn er sie dabei ausreichend lange mit seiner Haut berührt. Wenn also etwa ein Unterarm ein großes Bienenweibchen im Gras zu Tode quetscht, könnte dieses stechen.
- Stiche zur Verteidigung des Nestes sind, wie gesehen, nur von staatenbildenden Bienen zu erwarten, vor allem also von Honigbienen und Hummeln. Dennoch ist eine aggressive Nestverteidigung nur von unseren Honigbienen und wenigen Hummelarten bekannt, vor allem von Baumhummeln (Bombus hypnorum), die bekanntlich oberirdisch nisten und dort natürlich besonders durch Beutegreifer gefährdet sind. Die meisten Hummeln lassen es sich sogar gefallen, wenn man ruhig ihr Nest untersucht!
- Auch wenn die Gifte der vielen Bienenarten noch nicht untersucht wurden: Probleme haben Allergiker mit manchen Wespenarten und mit Honigbienen. Von einem durch Solitärbienen verursachten anaphylaktischen Schock ist bislang nichts bekannt.
Noch ein Tip: Es ist ohne jedes Risiko möglich, jede Biene auf die eigene Hand bzw. einen Finger krabbeln zu lassen! Die Gelegenheit dazu ergibt sich, wenn sich Bienen (Solitärbienen und Hummeln) an einem kühlen Morgen in der Sonne aufwärmen oder von einem Kälteeinbruch überrascht werden und dann für eine warme Hand dankbar sind. Eine Transportgelegenheit scheinen sich hingegen flugunfähige Bienen zu erhoffen, deren Flügel etwa durch einen Gendefekt, eine Entwicklungsstörung (durch lange extreme Trockenheit) oder den Angriff eines Vogels oder einer Großen Wollbiene (Anthidium manicatum) verkrüppelt sind.
Weitere Informationen unter Wildbienen-Biologie auf der Seite "Gefährlich?".
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Männchen und Weibchen der Sandbiene Andrena cineraria; rechts ihr Kuckuck, die Wespenbiene Nomada lathburiana. An einem kühlen April-Morgen fühlen sich die Bienen auf einem warmen Finger wohl. |
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