Eine Biene ist in ihrer kurzen Lebensspanne als geflügeltes Vollinsekt (Imago) vor allem mit dem Sammeln von Nektar und Pollen und Eintragen in seine Brutzellen beschäftigt: An ausreichend warmen, hellen (sonnigen) und trockenen Tagen verläßt ein befruchtetes Weibchen sein Nest, sonnt sich und fliegt dann zu "seinen" bevorzugten Futterpflanzen, auf die es sich vielleicht spezialisiert hat. Wenn es genügend Pollen in seiner Transporteinrichtung (Scopa, Corbicula etc.) angesammelt und auch genug Nektar als Energiequelle aufgenommen hat, fliegt es mit der Pollenladung zurück zum Nest. Nach mehreren Sammelflügen hat das Weibchen nachmittags oder abends hoffentlich so viel Pollen eingetragen, daß die Larve die für ihre Entwicklung optimale Nahrungsmenge vorfinden wird. Mit Glück erlebt das Weibchen während seiner Flugzeit so viele schöne Tage, daß es bis zu 30 Brutzellen verproviantieren kann. Theoretisch kann es also bis zu 30 Nachkommen haben – aber nur theoretisch:
Nicht jeder Tag ist ein Sonnentag: Wolken, Regen und Kälte lassen die Weibchen in ihren Nestern ausharren und auf besseres Wetter warten. Dauert die Schlechtwetterperiode zu lange, kann eine lokale Population nicht genügend Nachkommen produzieren, um sich zu erhalten. Aber auch gutes Wetter garantiert noch nicht den Bruterfolg:
Bienenweibchen können ihre Nester nur dort bauen, wo es artspezifisch geeignete Niststellen (geeignete Bodenverhältnisse, Totholz etc.) gibt, und Pollen finden sie nur dort, wo ihre artspezifisch geeigneten Blütenpflanzen wachsen – und beide Orte liegen nicht unbedingt nebeneinander. Bienenweibchen sind deswegen sogenannte Teilsiedler, sie müssen also täglich zwischen Nest und Futterpflanzen hin- und herfliegen. Diese Seite dient also nicht nur der Überleitung von den Futterpflanzen zu den Nistorten und Nisthilfen, sondern beleuchtet vor allem die auch von uns Menschen beeinflußten Entfernungen zwischen beiden Standorten und die Dauer von Sammelflügen und ihre Auswirkung auf Fortpflanzungserfolg und Arterhaltung:
Sammelflugdistanz & -dauer
- Als Teilsiedler müssen Bienenweibchen bei gutem Wetter viele Male zwischen ihrem Nest und für sie geeigneten Blütenpflanzen pendeln. Die Flugdistanzen und -routen bestimmen die Flugdauer und diese wiederum den Fortpflanzungserfolg:
- Die Flugdauer hängt zunächst von der Entfernung zwischen Nistplatz und Futterpflanzen ab: Je weiter die Blüten vom Nest entfernt sind, desto länger dauert der Sammelflug eines Weibchens. Werden die Energiekosten eines Fluges zu hoch, ist der Flug zu lang: Er unterbleibt oder führt zu einer unzureichenden Verproviantierung der Brutzelle.
- Auch für Fluginsekten wie Bienen gilt: Die tatsächliche Flugroute entspricht nicht unbedingt der Luftlinie (obwohl sich diese im Englischen mit beeline übersetzen läßt): Steile Flugrouten einen Berg hinauf und herunter (oder umgekehrt) sowie etliche Landschaftselemente wie größere Wasserflächen, Hügel oder Gebäude, hohe Baumreihen oder Wälder können den Flug verlängern, erschweren oder sogar ganz verhindern.
- Die Sammelflugdistanzen sind artspezifisch begrenzt, wie Untersuchungen an markierten Bienen gezeigt habe: Einige mittelgroßen Solitärbienen haben maximale Sammelflugdistanzen von bis zu 2.225 Metern; einige Hummelarten fliegen bis zu 1750 Meter weit; eine große Holzbienenart schafft gar ca. sechs Kilometer. Für die meisten Bienenarten konnten durch Pollenanalysen Flugdistanzen von 180 m bis 1.250 Metern ermittelt werden; die maximalen Distanzen werden auf 300–1.500 m geschätzt. Eine entscheidende Rolle spielt die Körpergröße: kleine Arten unter 10 mm Länge fliegen generell nur 100–300 m, größere Arten über 15 mm schaffen 600–1.200 m; Einfluß auf die Entfernung hat auch die Transportkapazität: Je mehr Pollen die Bein- oder Bauchbürste aufnehmen kann, desto weiter kann ein Bienenweibchen fliegen. Schließlich gibt es deutliche individuelle Unterschiede in der Bereitschaft der Weibchen, auch weiter entfernte Futterpflanzen anzufliegen: die meisten Weibchen überwinden eher geringe Distanzen.
- Eine längere Flugdauer erhöht die natürlichen Risiken durch Freßfeine und Parasiten, Unfälle und Verschleiß:
- Bienen werden wie andere Insekten von Freßfeinden gejagt wie Spinnen, Wespen, Libellen, Vögel etc. Je länger ein Weibchen unterwegs ist, desto länger ist es seinen Beutegreifern ausgesetzt; wird es getötet, gibt es keine weiteren Nachkommen mehr.
- Bienen werden nicht nur als Beute gejagt, sondern auch in hohem Maße parasitiert, und die meisten ihrer Parasiten sind Brutparasiten: Fliegen, Käfer und Wespen schmuggeln ihre Eier in Bienennester, wo sich ihre Nachkommen auf Kosten der Bienenlarven entwickeln. Ein Viertel aller Bienen sind selbst Brutschmarotzer, man nennt sie "Kuckucksbienen". Je länger ein Bienenweibchen seinem Nest fernbleiben muß, desto länger haben Brutparasiten Gelegenheit, in das Nest einzudringen, und desto mehr Nachwuchs geht verloren.
- Manche Landschaftselemente bedeuten ein erhöhtes Unfallrisiko: Ein – durch Erschöpfung oder Wind verursachter – Absturz über einer großen Wasserfläche kann ebenso den Tod bedeuten wie hohes Verkehrstempo auf einer Straße: Wenn eine Hummelkönigin auf Nistplatzsuche von einem Auto erfaßt wird, geht ein ganzes zukünftiges Volk verloren.
- Mehr fliegen bedeutet auch mehr Verschleiß: Auch Laien können eine "abgeflogene" Biene von einem frischen Exemplar unterscheiden, u. a. an den beschädigten, "zerfledderten" Flügeln, die natürlich einen höheren Kraftaufwand erfordern als unbeschädigte und die Biene schnell altern lassen.
Bienen gedeihen also um so besser, je geringer die Entfernungen sind, die Bienenweibchen täglich auf ihren Sammelflügen zurücklegen müssen. Folglich gedeihen Bienen besonders gut in einer kleinräumigen Landschaft, wie sie jahrhundertelang typisch für Mitteleuropa war und wo vielerlei Landschaftselemente, also auch Nistplätze und Futterpflanzen, eng verzahnt sind und einer Vielzahl von Bienenarten das Überleben sichern. Im Umkehrschluß bedeutet das: Bienen sind gefährdet, wenn die Sammelflugdistanzen länger werden, und sie werden länger, weil die beschriebene Kleinräumigkeit unserer Landschaft verlorengeht.
Kleinräumigkeit der Landschaft
Wenn die Diversität unserer Wildbienen von überwindbaren Sammelflugdistanzen abhängt, dann hängen diese von der Kleinräumigkeit unserer Landschaft ab; diese aber geht zunehmend verloren: Das traditionelle Mosaik eng verzahnter natürlicher Lebensräume war in Europa bis zum Zweiten Weltkrieg noch kaum gefährdet und wurde durch die Erfindung des Kunstdüngers erstmals in Frage gestellt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet die Kleinräumigkeit dann unter die Ketten der Bau- und Landmaschinen:
- Zur Steigerung der landwirtschaftlichen Effizienz wurden jahrzehntelang Flurbereinigungen durchgeführt: Die durch Realteilung verursachte Zersplitterung land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes sollte durch eine Neuordnung bzw. "Umlegung" aufgehoben werden. Die Realteilung hatte aber auch viele Grenzstreifen, Steinriegel und Zufahrtswege und kleine artenreiche Wiesen- und Heckenbiotope geschaffen, die vielen Bienenarten die nötigen Niststrukturen und Futterpflanzen boten. Solche Landschaftselemente wurden während der Flurbereinigung weder verschont noch neu geschaffen.
- Monokulturen auf riesigen maschinell leicht bearbeitbaren Agrarflächen mögen die Wirtschaftlichkeit konventioneller Landwirtschaft fördern, sie vernichten jedoch jene Elemente, die eine Landschaft in den Augen vieler Menschen so pittoresk machen – und damit die Arten- und Individuenzahl der Bienenfauna, die auf Böschungen, unbefestigte Feldwege und Feldraine, Totholz, Wildblumenstreifen etc. angewiesen ist. Unterstützt werden solche Monokulturen durch Kunstdünger und Biozide, die Ackerwildkräuter und Bienen schädigen. Zu Monokulturen sind auch die großen, repräsentativen Rasenflächen öffentlicher Grünanlagen zu rechnen.
- Die Bodenversiegelung (Verschotterung oder Asphaltierung von Feldwegen, Höfen, Plätzen etc.) vernichtet Niststrukturen und fügt daher der Wildbienenfauna große Verluste zu, nicht nur im ländlichen Raum.
Solche Verluste wichtiger Landschaftselemente bzw. Nist- und Nahrungsflächen führen dazu, daß Bienenweibchen aufgrund zunehmender Entfernungen immer längere und gefährliche Sammelflüge in Kauf nehmen müssen. Die notwendige engräumige Vernetzung solcher Landschaftselemente ist leider Behörden und Planungsbüros, Naturschutzvereinen und Privatleuten zu wenig bewußt, müssen jedoch unbedingt berücksichtigt werden:
- Jede Flurbereinigung, jede Meliorierung (bzw. Melioration, also 'Bodenverbesserung'), die heute noch durchgeführt wird, sollte – wenn nicht verhindert, so doch – wissenschaftlich begleitet und durch Ausgleichsmaßnahmen entschärft werden. Das ist eine Aufgabe für Naturschutzvereine, sachkundige Bürger in Ausschüssen und für jede Privatperson, denn jeder darf sich gemäß Landesverfassung mit einer Eingabe an den Bürgermeister wenden.
- Wenn für eine Baumaßnahme eine Bürgerbeteiligung vorgeschrieben ist, sollte diese unbedingt genutzt werden, wenn eine Bodenversiegelung oder Neuordnung einer Gemarkung eine Ruderalfläche zu vernichten droht. Natürlich ist es nicht leicht, einen eingefleischten Stadtplaner von der Schutzwürdigkeit eines "Schandflecks" zu überzeugen ...
- Immer größere, durch Kunstdünger- und Biozideinsatz realisierte Monokulturen kann man nur durch eine ökologische Landwirtschaft – also als Biobauer – direkt bekämpfen. Indirekt kann man als Konsument etwas bewirken, indem man biologisch erzeugte Artikel kauft – möglichst aus der Region.
- Nisthilfen für Mauer- und Blattschneiderbienen und andere Totholzbewohner, also Holzblöcke oder große, dekorative Wildbienen-Niststände in öffentlichen Anlagen, haben nur Sinn, wenn diese Bienen ihre Futterpflanzen in erreichbarer Nähe finden. Wenn Bienenfreunde feststellen, daß ihre Nisthilfen nicht angenommen werden, dann ist eine zu große Distanz zwischen Nisthilfen und möglichen Blütenpflanzen eine naheliegende Erklärung. Man könnte also seine Nisthilfen in der Nähe der Trachtpflanzen montieren oder – noch besser – umgekehrt eine Fläche in der Nähe der Nisthilfen im wörtlichen Sinne renaturieren und dort eine Auswahl geeigneter Trachtpflanzen ansiedeln.
Wildbienen – Honigbienen
Ein besonderes Thema ist die Entfernung der (Futterpflanzen unserer) Wildbienen zu den domestizierten Honigbienen der Imker: Grundsätzlich ist das Verhältnis der vielen Solitärbienen, Furchenbienen und Hummeln zu Honigbienen natürlich unproblematisch, d. h. es war unproblematisch, solange auch Honigbienen noch Wildbienen waren: Ihre im Vergleich mit Hummeln und Furchenbienen relativ großen Völker haben die Vielzahl der (meist solitären) Wildbienenarten nie gefährdet, alle Bienen waren am biologischen Gleichgewicht, an der Biozönose Mitteleuropas beteiligt. Das hat sich bzw. wurde längst geändert:
- Die imkerliche Nutzung der Honigbiene führte im 20. Jahrhundert zur vorsätzlichen Ausrottung der heimischen Wildart, also der Dunklen Honigbiene (Apis mellifera mellifera), zugunsten importierter und domestizierter Hochleistungsrassen, die in erheblich höherer Völker- und Individuenzahl gehalten wurden und werden. Wenn in Nordeuropa pro Quadratkilometer im Durchschnitt drei Völker gehalten werden, in Mitteleuropa aber lokal bis zu 25 oder sogar mehr, dann muß das einen Einfluß auf Wildbienen haben.
- Wenn nötig, fliegen Arbeiterinnen der Honigbienen über 10 Kilometer weit, um Blüten zu besammeln; der Sammelradius der Wildbienen ist deutlich kleiner.
Kennzahl | Anzahl Bienen |
Einwinterungspopulation | 8000–15000 |
Normaler Winterverlust | 2000–3000 |
Auswinterungspopulation | 5000–13000 |
Populationsspitze im Sommer | 25000–40000 |
Aufgezogene Jungbienen pro Saison | 130000–200000 |
- Die Menge der Honigbienen, die ein einziges Volk im Jahr aufziehen und zu Sammelflügen aussenden kann, ist gewaltig. Eine schweizerische Studie ( Honigbienen-Literatur: Imdorf et al., 2008) nennt die in nebenstehender Tabelle ablesbaren "Kennzahlen zur Volksentwicklung in Zentraleuropa". Wenn also ein Volk nach der Winterpause z. B. 10.000 Tiere zählt, ist bereits im Frühjahr mit mehreren Tausend Sammelbienen zu rechnen.
- Eine direkte physische Verdrängung von (kleinen) Wildbienen durch Honigbienen findet offenbar kaum statt: Es wurde kein Drohen, Schubsen, Beißen oder Stechen beobachtet, kleinere, schwächere Arten weichen allenfalls "aus Respekt" vor der Körpergröße und Anzahl der Honigbienen von einer Blüte. Dennoch haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, daß die Dichte einer Wildbienenart in Richtung eines Honigbienenstandes abnimmt: Laut verschiedener Publikationen beginnt die honigbienenarme Zone in einer Entfernung von 1–3 km von größeren Honigbienenständen; in Entfernungen von z. B. 800 oder 1.200 Metern waren die Solitärbienen signifikant häufiger.
Der Grund liegt im verfügbaren Pollen und Nektar, der von großen domestizierten Honigbienenvölkern sehr effektiv abgeräumt wird; jeder Imker weiß, daß sich der Honigertrag einer Fläche durch Ansiedlung immer weiterer Völker nicht unendlich steigern läßt: irgendwann würden alle Völker hungern. Studien haben ergeben, daß ein Honigbienenvolk im Jahr 20–30 kg Pollen sammelt, unter optimalen Bedingungen (großes Volk und Massentracht) sogar bis 50 oder 60 kg; dieser Pollen steht dann Wildbienen nicht mehr zur Verfügung. Teilt man einen durchschnittlichen Pollenertrag eines Honigbienenvolkes von 25 kg durch jene 187 mg, die eine Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) pro Brutzelle einträgt, ergeben sich 133.690 theoretisch mögliche, aber durch Konkurrenz verhinderte Brutzellen und Nachkommen der Solitärbiene. Das Institut für Bienenkunde Celle teilte 2013 ¹ mit: "So hätte beispielsweise der Pollen, den die Honigbienen in nur 12 Tagen auf dem Rainfarn sammelten, rein rechnerisch dafür ausgereicht, über 9.000 weitere Larven der Löcherbiene Heriades truncorum bzw. über 4.000 Larven der Seidenbiene Colletes daviesanus aufzuziehen. Mit der Pollenmenge, die die Honigbienen auf dem Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium) sammelten, hätten fast 600 zusätzliche Megachile lapponica-Weibchen ihre gesamte Nachkommenschaft versorgen können."
Verschlimmert wird diese Situation durch die künstliche Mobilität der Honigbienenvölker, also die Wanderimker: Wenn eine Blütenfläche von einem Tag auf den anderen plötzlich von mehreren Honigbienenvölkern besammelt wird, können die dort lebenden Solitärbienen abrupt ihre Lebensgrundlage verlieren und lokal aussterben.
- Die Verdrängung durch Nahrungsentzug findet bereits an großen, flächendeckend blühenden Pflanzenbeständen statt, etwa der Besenheide (Calluna vulgaris): Eine bekannte Untersuchung ( Solitärbienen- & Honigbienen-Literatur: Evertz, 1993) zur interspezifischen Konkurrenz zwischen Honigbienen und solitären Wildbienen belegt, "daß die langfristige Verdrängung tatsächlich stattfindet! Die Abundanz von Colletes succinctus steigt linear mit der Entfernung der Untersuchungsfläche vom Bienenstand. Auf der entferntesten Fläche ist sie 5mal größer als in unmittelbarer Nähe der Bienenvölker". Vor allem Imker versuchen gerne, diese Verdrängung kleinzureden bzw. zu verharmlosen: In einer Mitteilung des oben erwähnten Instituts für Bienenkunde Celle ¹ kommentiert der Autor die zitierte Studie so: "In großflächigen Heidegebieten sollten für die beiden oligolektischen Wildbienenarten (Colletes succinctus und Andrena fucipes) Nahrungsrefugien trotz des Vorhandenseins der Honigbienen vorhanden sein. Wäre das nicht der Fall, so sollten diese Wildbienen dort fehlen. Das Gegenteil, nämlich das Vorhandensein der Wildbienenarten, zeigen eigene Beobachtungen (jedoch keine quantitative Erhebungen) in Heideflächen der 'Lüneburger Heide'." Die beschämende Quintessenz lautet also: Solange noch Exemplare der genannten Wildbienenarten – egal wie viele – auffindbar sind, gibt es für diese offenbar noch "Nahrungsrefugien": das muß reichen. Das scheinheilige Argument erinnert fatal an die Verdrängung gefährdeter Tierarten in Afrika oder der indigenen Völker Amerikas und Australiens aus fruchtbaren Regionen in Reservate.
- Kleine Populationen oligolektischer Bienenarten sind oft auf nur kleine (Rest-) Bestände genau der Blütenpflanzen angewiesen, auf die sie spezialisiert sind. Sinkt ein solcher Restbestand unter eine kritische Grenze, stirbt die jeweilige oligolektische Bienenart lokal aus. Imker argumentieren gerne, ihre Honigbienen nutzten die Blüten solcher Pflanzen meist nur "am Rande" für die "Nebentracht", die Haupt- und Massentracht stamme von anderen, in großer Anzahl blühenden Pflanzen, die das Nahrungsbedürfnis eines Volkes stillen würden. Dieser quantitative Vergleich trifft zwar zu, allerdings ist der "Pollenklau" bzw. "Kollateralschaden" an der Nebentracht allemal groß genug, um bei einer Wildbienenart Nahrungsmangel und somit weniger Nachwuchs und sogar ihr Aussterben zu verursachen.
- Ein kleinerer Larvenproviant mag für Drohnen noch reichen, da sie bei den meisten Arten kleiner als Weibchen sind und daher für ihre Entwicklung weniger Pollen benötigen. Unterversorgte Weibchen aber bleiben kleinwüchsig und zeigen eine höhere Sterblichkeitsrate. Eine mögliche Gegenstrategie wäre die optimale Versorgung nur weniger Brutzellen über einen längeren Sammel-Zeitraum; während der Abwesenheit der Weibchen haben jedoch Parasiten bzw. Parasitoide erhöhte Chancen, ihre Eier in den Brutzellen abzulegen.
- Domestizierte Honigbienen sind im Vergleich zu ihren wilden Artgenossen (der Dunklen Honigbiene) zwar anfälliger gegenüber Witterungseinflüssen, Parasiten etc., sie werden als Nutztiere jedoch intensiv gehegt und gepflegt, was sie relativ unabhängig von der Umwelt macht – und somit zu mächtigen Konkurrenten gefährdeter Wildbienen.
- Honigbienen infizieren nachweislich Wildbienen: Eine britische Studie ( Wildbienen-Literatur: Fürst, 2014) hat nachgewiesen, daß das "Krüppelflügelvirus" (DWV = Deformed Wing Virus) wie auch der parasitäre Pilz Nosema ceranae, die beide unter Honigbienen weit verbreitet sind, landesweit auch Hummel-Arbeiterinnen infizieren.
- Domestizierte Honigbienen sind omnipräsent: Anders als ihre wildlebenden Vorfahren gibt es sie nicht nur in ihren natürlichen Habitaten, nämlich Waldgebieten, sondern überall, wo Menschen ein wirtschaftliches oder auch nur Freizeit-Interesse an Imkerei haben. Betroffen sind dort aber nicht nur die Flächen, die Imker und Landwirte als Eigentümer oder Pächter besitzen und somit nutzen dürfen, sondern auch und vor allem private wie öffentliche Flächen (Gärten, Parks, Wiesen, Ruderalflächen etc.), die Imker zu ihrem eigenen Vorteil ohne Zustimmung der jeweiligen Eigentümer nutzen. Wer mit heimischen Blütenpflanzen im eigenen "Biogarten" Wildbienen fördern möchte, kennt das Problem ...
Das Überleben unserer Wildbienen hängt also nicht nur von einer kurzen Entfernung von ihrer Blütennahrung zu ihren Nistplätzen ab, sondern auch von einer möglichst großen Distanz zu ihren massenhaften Konkurrenten: den domestizierten Honigbienen. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse machen folgende Empfehlungen plausibel:
- Wenn domestizierte Honigbienen an den Beständen wichtiger Wildpflanzen in Konkurrenz zu Wildbienen geraten, sollte der nötige Abstand immer durch das Weichen der Honigbienen hergestellt werden. Diese domestizierten Nutztiere sind die ungebeten Eindringlinge, nicht die Wildbienen.
- In Naturschutzgebieten (NSGen) haben domestizierte Honigbienen absolut nichts zu suchen – ebensowenig wie z. B. freilaufende Hunde oder Pilzsammler! Gelegentlich versuchen Imker, sich Zugang zu NSGen mit dem Argument zu verschaffen, Honigbienen würden dort seltene Pflanzen bestäuben und vor dem Aussterben bewahren, Wildbienen könnten das durch ihre Seltenheit bzw. geringe Menge nicht leisten; daß eine bestimmte Wildbienenart lokal nicht oder nur in geringer Zahl vorkommt, liegt aber gerade auch an der Präsenz der vielen und großen Völker domestizierter Honigbienen, die auch seltene Futterpflanzen besammeln und diese so Wildbienen vorenthalten. Das Argument schließlich, für Wildbienen würde schon noch genug für ihr Überleben übrigblieben, legt nicht einmal einen faulen Kompromiß nahe: In einem NSG haben Wildtiere nicht nur ein Recht auf Überleben in kleinen Restpopulationen, sondern auf optimale Entwicklung und Ausnutzung aller natürlichen Ressourcen. Es gibt keinen Grund, der Imkerei auch nur eine einzige Wildbienen-Brutzelle zu opfern!
Akzeptabel ist in großen NSGen nur die wilde bzw. Dunkle Honigbiene (Apis mellifera mellifera), die dort mit behördlicher Genehmigung wieder angesiedelt werden soll und darf.
- Aufgrund der großen Sammelflugradien der Honigbiene sollten ihre Völker bzw. Beuten auch nicht in der Nähe von NSGen oder gar direkt an deren Grenzen aufgestellt werden. Die zuständige Naturschutzbehörde sollte für Bienenstände grundsätzlich eine Mindestdistanz von 3 km zu einem NSG vorschreiben; sollten die Honigbienen aufgrund von Blütenarmut von weiter entfernten Ständen in Anzahl in ein NSG einfliegen, sind mehr als 3 km erforderlich. Die 3-km-Distanz wird z. B. durch sogenannte Bienensachverständige und Veterinärämter bestätigt, wenn sie (wie 2014 in Rheindorf-Süd und Hitdorf geschehen) in einem 3-km-Radius um betroffene Bienenstöcke nach Giften wie Clothianidin fahnden.
Imker mögen eine Mindestdistanz für Bienenstände als Zumutung empfinden, dennoch ist eine solche Einschränkung ebenso plausibel wie praktikabel: Bekanntlich ist es verboten, jegliche Gegenstände aus NSGen mitzunehmen: Pflanzen (auch Pilze) und Tiere einschließlich toter Individuen und Teile davon, sogar Steine. Imker tun aber genau das, wenn sie ihre Schützlinge losschicken, Pollen und Nektar (also öffentliches Eigentum) aus NSGen zu holen. Eine behördlich festgesetzte Mindestdistanz schafft zudem Rechtssicherheit: Wer sie respektiert, kann nicht belangt werden, wenn einige seiner Honigbienen dennoch ins NSG fliegen. Die Alternative bestünde darin, Imkern einfach die Beweidung von NSGen zu verbieten und ihnen zu überlassen, wie sie das Verbot umsetzen; würden dennoch Honigbienen im NSG entdeckt, würde der Verstoß durch eine Verwarnung und schließlich Bußgelder geahndet.
- Imker pflegen seit langem ein Image als Naturschützer, und manch einer glaubt das. Die Imkerei ist allerdings vor Jahrtausenden nicht als tätiger Naturschutz entstanden, sondern als Methode der Nahrungsbeschaffung bzw. Honiggewinnung, und heute spielt sie eine wichtige Rolle in der Massenproduktion bzw. Bestäubung wichtiger Nahrungspflanzen, nicht im Naturschutz. Außerhalb der heutigen großflächigen Monokulturen und vor allem in Gebieten mit artenreicher Vegetation sollte es daher nur so viele domestizierte Honigbienen geben, wie dort ohne Zutun des Menschen wilde Honigbienen leben würden. Man sollte sich also nicht scheuen, die Verringerung von Honigbienenvölkern zu verlangen, wenn der eigene Garten plötzlich von Honigbienen überflutet wird, weil in der Nähe ein großer Bienenstand aufgebaut wurde. Besser wäre natürlich die Wiedereinführung der heimischen Dunklen Honigbiene ...
- Schließlich sollte der Gesetzgeber die Privilegien der Imkerei gegenüber anderen Formen der Nutztierhaltung abschaffen und eine Flächenbindung vorschreiben in Anlehnung an die Tierhaltung im Ökolandbau: Berufs- und Hobbyimker dürfen dann nur solche Flächen nutzen, deren Eigentümer oder Pächter sie sind. Zum Vergleich: Ein Milchbauer oder Ziegenhalter darf seine Tiere auch nicht ohne explizite Erlaubnis des Eigentümers auf fremdem Land grasen lassen.
Literaturangaben zur Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen gibt es in der allgemeinen und Biologie-Sektion auf der vierten Literatur-Seite. Eine gute Zusammenfassung vieler Fakten und Argumente erschien Anfang 2018: Geldmann, Jonas & Juan P. González-Varo (2018): "Conserving honey bees does not help wildlife" in: SCIENCE, vol 359 (6374), pp. 392–393.
¹ LAVES – Institut für Bienenkunde Celle (2013): "Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbienen" in:
Das Bieneninstitut Celle informiert (65). (
Honigbienen-Literatur)
Falls am linken Bildschirm-Rand keine Verweisleiste zu sehen ist, klicken Sie bitte auf , um den gesamten Frameset anzuzeigen.