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Wildbienen: Bestimmung

Viele Solitärbienen sind schwer zu identifizieren – ähnlich schwer wie Hummeln. Wie bei ihren sozialen Verwandten gibt es aber auch unter den Einsiedlern einige Allerweltsarten wie die Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis, ehemals O. rufa) oder die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta), die man beide aufgrund ihrer (lokalen) Häufigkeit relativ sicher an einer Nisthilfe bestimmen kann. Die meisten und selteneren Arten jedoch geben dem Laien Rätsel auf: Manche erinnern schon mit ihrer geringen Länge ab 2 mm eher an Ameisen auf dem Hochzeitsflug, andere sehen der Honigbiene auf den ersten Blick täuschend ähnlich, und wieder andere werden aufgrund ihrer schwarz-gelben Zeichnung eher für Wespen gehalten – und manche der beobachteten Hautflüler sind tatsächlich Wespen, von denen es ebenfalls sehr viel mehr Arten gibt als jene zwei, die uns den Genuß des Pflaumenkuchens auf der Terrasse verleiden.

Dem Experten und kundigen Amateur stehen für eine Artbestimmung mehrere Kriterien zur Verfügung:

  1. Anatomie: Die Untersuchung aller relevanten Körpermerkmale ist die sicherste und wichtigste Methode der Artbestimmung. Sie erfordert das Wissen, wo sich vor allem einander ähnliche Arten unterscheiden, Erfahrung bei der Bestimmung und optisches Werkzeug: eine Lupe, um die leichteren lebenden "Fälle" zu bestimmen, und ein Binokular (weil es räumliches Sehen ermöglicht), um feinste Details etwa an den freipräparierten Genitalien toter Bienen sehen zu können.
        Die Untersuchung lebender Bienen ist meist nur in einem Glasgefäß möglich und erfordert, streng genommen, eine Sondergenehmigung nach dem Artenschutzgesetz; Becher und Lupe können aber manchmal (!) durch einen guten Fotoapparat mit Makro-Ausrüstung und fotografischer Erfahrung ersetzt werden. Hoffnung schürte vor Jahren ein Computer-Programm: An der Universität Bonn wurde die Software ABIS entwickelt, die es dem Profi ermöglichen sollte, eine tote oder nur kurzzeitig betäubte Biene anhand ihrer Flügeläderung zu bestimmen; man benötigte dafür – neben dem PC bzw. (im Feld) Notebook – eine Stereolupe mit Digitalkamera und die Referenzdaten aller in Frage kommenden Arten, die natürlich erst einmal sicher zu bestimmen waren. Offenbar konnte sich diese Hoffnung aber nicht erfüllen.
  2. Nest: Die Standorte der Nester (Boden, Gestein, Totholz, Stengel etc.), ihre Größen und Strukturen, die Konsistenzen und Farben des Proviants, die Farben und Oberflächenstrukturen der Kokons und schließlich die verwendeten Baumaterialien und ihr Aussehen unterscheiden sich beträchtlich von Art zu Art und verraten so die Baumeisterin.
  3. Fundort: Nicht alle Bienen kommen überall vor – im Gegenteil: Viele Arten sind Biotop-Spezialisten, die folglich nur in bestimmten Lebensräumen zu erwarten sind. Der Vorteil für den Entomologen ist: Alle auf andere Lebensräume spezialisierten Arten kann er bei der Bestimmung ausschließen. Zu allen Funden bzw. Fotos sollte er also den genauen Fundort notieren; GPS-fähige Kameras können den Standort auf wenige Meter genau speichern. Mit den sog. Ubiquisten – also jenen Arten, die fast überall anzutreffen sind – muß der Bienenkundler jedoch weiterhin rechnen, solange sie in die jeweilige Jahreszeit passen:
  4. Flugzeit: Die meisten Wildbienen haben nur eine kurze Flugzeit, also kann man alle Arten ausschließen, die in anderen Monaten fliegen bzw. nisten. Neben dem Fundort ist also immer auch das Funddatum zu notieren. Im Digitalzeitalter hat der Bienenfotograf allerdings den Vorteil, seinen Bilddateien jederzeit Datum und Uhrzeit der Aufnahme entnehmen zu können.
  5. Blütenbesuch: Für die Blüten gilt ähnliches wie für die Fundorte: Viele Bienenarten sind jeweils auf wenige Pflanzenarten, -gattungen oder -familien spezialisiert, sie sind "oligolektisch". Ähnlich aussehende oligolektische Arten, die die "falschen" Blüten besuchen, lassen sich also mit einiger Wahrscheinlichkeit ausschließen, während ähnlich aussehende polylektische Bienen (die "Allesfresser" unter den Pollensammlern) weiterhin bei der Bestimmung in Frage kommen. Das Kriterium des Blütenbesuchs hat allerdings zwei "Haken": die Weibchen oligolektischer Arten sind nur auf Pollen spezialisiert, Nektar können sie grundsätzlich auch an anderen Pflanzen saugen, wenn ihre Pollenlieferanten (noch) keinen oder nicht genug Nektar liefern; ihre Männchen suchen nie Pollen, sie saugen Nektar an vielen Pflanzen und sind an bestimmte Pollenpflanzen nur gebunden, wenn sie dort ihre Weibchen finden.
  6. Genom: Die neueste und eine fast perfekte Methode ist die Bestimmung des artspezifischen Genoms durch das Projekt "Barcode of Life". Der deutsche Ableger ist das GBOL (German Barcode of Life): Deutschlands Fauna und Flora in einer einzigartigen genetischen Bibliothek.

Dem Laien wird der Versuch einer direkten, anatomischen Bestimmung durch drei Faktoren erschwert:

  1. gibt es keine mehr oder weniger komplett bebilderten und einfach zu lesenden Bestimmungsbücher, wie sie z. B. für Amphibien, Reptilien, Vögel oder Blütenpflanzen vorliegen; zur Bestimmung eigen sich nur spezielle Fachbücher mit Bestimmungsschlüsseln und Zeichnungen, nämlich die von Felix Amiet (1996 ff) für alle Bienengattungen sowie einige weitere – etwa von Erwin Scheuchl (& Christian Schmid-Egger) (1996–2000) – für bestimmte Gruppen.
  2. hat man ohne optische Hilfsmittel in der Natur selten Gelegenheit, eine Wildbiene ganz genau und ausreichend lange von nahe zu betrachten; selbst gute Fotografien zeigen nicht unbedingt alle entscheidenden Bestimmungsmerkmale.
  3. ist eine sichere Bestimmung selbst zu Hause mit einem Binokular letztlich nur mit guten Anatomie-Kenntnissen und viel Mühe und Geduld möglich und somit in der Regel dem erfahrenen Fachmann vorbehalten.

Für den Laien gibt es aber – neben Flugzeit, Fundort und Blüte – eine weitere wertvolle "Erste Hilfe": die Bestimmung der häufigsten in Steilwänden, Gebäudewänden, Totholz und natürlich Nisthilfen nistenden Wildbienen- und Grabwespenarten (die ja auch als "Täter" in Frage kommen) anhand ihrer Nestverschlüsse :

Nestverschluß,
Material
Eingangs-
weite Ø
V Insektengattung Insektenarten Körper-
länge
zurückgesetzt, mit
milchigem Häutchen
12–25 mm
(innen 7–8)
P
N
Pelzbienen Anthophora plumipes 14–15 mm
glatter Mörtel (evtl.
mit Holzfaserschicht)
3–7 mm L Lehmwespen Ancistrocerus spec. 8–15 mm
Symmorphus spec. 9–15 mm
rauher heller Mörtel
aus Lehm (je nach
Herkunft grau o. gelb)
3–6 mm S Töpfer-Grabwespen Trypoxylon spec. 6–12 mm
5–7 mm P Mauerbienen Osmia rufa 9–12 mm
6–10 mm Osmia cornuta 10–15 mm
sehr harter Mörtel
(mit Steinchen)
später schwarz
3–5(6) mm P Scherenbienen Chelostoma florisomne 7–11 mm
Chelostoma fuliginosum 8–10 mm
Harz mit Steinchen 2,5–4 mm P Löcherbienen Heriades truncorum 6–7 mm
Harz, oft gelb, auch
m. Spänen/Bohrmehl
2–4(5) mm B Blattlaus-Grabwespen Passaloecus spec. (divers)
Mörtel aus zerkauten
Blättern: erst grün,
dann dunkelbraun
4–5 mm P Mauerbienen
(siehe oben)
Osmia caerulescens 8–10 mm
Blattstücke (selten
Blütenstücke): erst
grün, dann braun
5–6 mm P Blattschneiderbienen Megachile centuncularis 9–12 mm
6 mm Megachile rotundata 6–8 mm
transpar.seidiges
Sekret-Häutchen
2,5–4 mm PN Ur- bzw. Maskenbienen Hylaeus spec. 5–7 mm
transpar.seidiges
Häutchen, ca. 15mm
hinter der Öffnung
5–6 mm PN Seidenbienen Colletes daviesanus 8–9 mm

V = Nahrungsvorrat · B = Blattläuse · L = Larven · N = Nektar · P = Pollen · PN = Brei · S = Spinnen

Niströhren bzw. Nestverschlüsse können, wie gesagt, sowohl von Bienen als auch von Wespen stammen, deshalb müssen hier beide Gruppen berücksichtigt werden, und die Liste ist nicht nach Gattungen der Bewohner, sondern nach den Verschlüssen sortiert. Da die Durchmesser der Gangöffnungen bei den verschiedenen Arten jeweils variieren können, ist das Verschlußmaterial das erste Kriterium.
    Die zweite Tabelle nennt die häufigsten Parasiten, die wir an Nestern in Wänden, Totholz und unseren Nisthilfen beobachten können:

Aussehen Loch-Ø V Parasitengattung
(Wirtsgattung)
Parasitenarten Länge
braungelb mit beigen
Flecken auf Tergiten
12–25 mm
in Lehm
P Trauerbienen
(Wirte: Pelzbienen)
Melecta albifrons 12–17 mm
schwarz mit weißl.
Flecken, sehr selten!
5–6 mm
in Wänden
P Filzbienen (Wirt: wand-
nistende Seidenbiene)
Epeolus variegatus 7–9 mm
ähnlich der Taufliege,
aber rote Augen
2-mm-Loch
in Lehm-
verschluß
P
(L)
Taufliegen
(Wirte: Mauerbienen)
Cacoxenus indagator 3–4 mm
leuchtend metallisch
blau, grün und rot
glatter und
rauher Mörtel,
2–10 mm
L Goldwespen
(Wirte: Lehm- & Grabwespen)
Chrysis cyanea 6–13 mm
Chrysis ignata
keulenartig verdickte
Hinterbeine
transparent-
seidig
E
(L)
P
Gicht- bzw. Schmal-
bauchwespen (W.: vor
allem Maskenbienen)
Gasteruption spec. 8–12 mm
lang & schlank mit
keulenartigen Fühlern
Mörtel oder
Harz mit
Steinchen
E
P
Keulenwespen (W.:
vor allem Scheren-
& Löcherbienen etc.)
z.B. Sapyga clavicornis 7,5–12 mm
Sapygina decemguttata 6,5–9 mm
schlank, gekrümter
Hinterleib, sehr langer
Legebohrer
Mörtel
auch mit
Steinchen
L Schlupfwespe (W.:
vor allem Scheren-
& Mauerbienen etc.)
Ephialtes spec. ca. 12 mm

V = Nahrungsvorrat · E = Ei · L = Larve · P = Pollen · W = Wirt(e)

Wer anhand der Nestverschlüsse oder der eher spärlichen Literatur nicht zum Ziel kommt, könnte versuchen, einen Wildbienen-Experten zu kontaktieren, der die meisten Arten bestimmen kann; allerbestes Fotomaterial wäre dafür Voraussetzung. Solche Experten gibt es allerdings nicht viele, und die wenigen, die es gibt, haben nur selten Zeit für eine Bestimmung. Hilfe ist daher am ehesten im Internet zu erwarten, z. B. auf den folgenden Artenportraits oder auf einer der folgenden Websites:

Osmia bicornis (ehemals: rufa), M
Großaufnahme eines Männchens der Roten Mauerbiene (Osmia bicornis/rufa, Solingen, Februar 2001)

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