Kommerzielle Hummelzucht
Daß Hummeln auch aus menschlicher Sicht außerordentlich nützlich sind, ist schon seit langem bekannt, denn im Vergleich mit anderen Bestäubern aus dem Insektenreich, etwa der Honigbiene, sind sie laut Firma Koppert
besonders effektiv:
- Sie sind sehr schnell, denn sie besuchen 2mal soviele Blüten pro Minute wie Honigbienen.
- Aufgrund ihrer Größe und Kraft können sie deutlich mehr Pollen und Nektar eintragen, also auch weitere Sammelflüge unternehmen.
- Ihre großen Körper haben besseren Kontakt mit Staubgefäßen und Stempeln als kleinere Insekten, ihre Bestäubungsleistung ist also besser.
- Sie sind relativ anspruchslos gegenüber ihren Umweltbedingungen und kommen besser als Honigbienenmit den spezifischen Bedingungen eines Gewächshauses bzw. -tunnels zurecht speziell mit deren unvermeidlichen Enge.
- Hummeln sammeln und bestäuben auch bei niedrigen Temperaturen (10°C und darunter), bei nur geringer Helligkeit und sogar bei Wind und Nieselregen.
- Das Fehlen des sogenannten Bienentanzes bei Hummeln ist für ihren Einsatz in der Landwirtsachft von Vorteil: Dieses effektive Kommunikationssystem zur Anzeige neuer Nahrungsquellen versetzt Honigbienen bekanntlich in die Lage, den präzisen Angaben einer einzigen Sammlerin folgend die bisherigen Trachtpflanzen binnen kurzer Zeit aufzugeben und sich massenhaft den neuentdeckten Blüten zuzuwenden. Hummeln hingegen können neue Trachtpflanzen erst nutzen, wenn sie sie selbst entdecken, sie verweilen also länger dort, wo sie eingesetzt wurden.
- Andererseits neigen Hummeln dazu, innerhalb einer bestimmten Blütentracht größere Bereiche als die Honigbiene auszubeuten. Am augenfällisten ist dies im Obstanbau, wo sie die Bäume schneller und öfter zu wechseln und so die oft gewünschte Kreuzbestäubung fördern.
Kommerzielle Hummelstöcke
So ist es kein Wunder, daß sich findige Unternehmen die Fähigkeiten dieser Wildbienen zunutze machen und Hummeln planmäßig für die Bestäubung wirtschaftlich interessanter Pflanzen in Gewächshäusern wie im Freiland züchten. Dies geschieht in speziell ausgestatteten Zuchtkartons, deren Design zwei gegensätzliche Bedürfnissen Rechnung tragen muß:
- denen der Hummeln, die in dieser künstlichen Umgebung alles finden müssen, was sie auch in einer natürlichen Nisthöhlung suchen einschließlich eines großen Nahrungsvorrates (2,5 l 78%iger Zuckerlösung) und einer "Toilette", da sie ja erst am Einsatzort erstmalig ausfliegen und sammeln dürfen;
- den Ansprüchen der Züchter, Transporteure und Endkunden, die ein stabiles und unkompliziertes "Produkt" wünschen.
Für den Außeneinsatz bietet die niederländische Firma Koppert das Produkt "NATUPOL-TRIPLE" an: einen speziell isolierten und wetterresistenten hölzernen Hummelstock, der drei Völker beherbergt.
Geeignete Hummelarten
Die meisten Hummelarten leben in den gemäßigten Regionen Europas, Asiens und Nordamerikas. Wenn unter diesen eine geeignete Art für die Massenproduktion und landwirtschaftliche Verwendung gesucht wird, finden folgende Kriterien Anwendung: Die Art muß
- in der Region weitverbreitet sein;
- üblicherweise große und langlebige Völker hervorbringen;
- in Gefangenschaft gut zu halten und züchten sein;
- sich als Generalist zur Bestäubung einer großen Vielfalt von Blütenpflanzen eignen;
- die zur Bestäubung etlicher Pflanzen (z. B. von Tomaten und Auberginen) nötige "Vibrationsmethode" ("Futtersuche" unter Biologie) beherrschen, die die zeitintensive manuelle Bestäubung erspart.
Unter diesen Bedingungen wurde für den europäischen Markt und Länder mit ähnlichen Klimaten die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) ausgewählt, die heute in isländischen Gewächshäusern erbenso zu finden ist wie auf neuseeländischen Feldern. Im Osten und Westen Nordamerikas werden die vor Ort gezüchteten Arten Bombus impatiens bzw. Bombus occidentalis eingesetzt. Auf den Kanaren wird die endemische Bombus canariensis verwendet.
Hummelnutz Hummelschutz
Der landwirtschaftliche Einsatz von Hummeln hat anders als die "Hummelhaltung" einiger Naturschützer nichts mit Artenschutz zu tun: Es geht um die effektive und kostengünstige Bestäubung von Nutzpflanzen und um das Einsparen und Verdienen von Geld. Dagegen ist im Prinzip überhaupt nichts einzuwenden, schließlich ist eine biologische Methode in der Landwirtschaft allemal besser als eine chemische oder eine maschinelle, die die Züchtung bzw. genetische Manipulation maschinell verwertbarer Pflanzen erfordert. Dennoch steckt auch im Einsatz von Hummeln ein Gefahrenpotential für die Natur:
- Die massenhafte Züchtung und landwirtschaftliche Verwendung einer bestimmten Hummelart könnte dieser gerade angesichts zurückgehender Völkerzahlen in freier Wildbahn irgendwann in ferner Zukunft dasselbe domestizierte Schicksal bescheren wie der Honigbiene, die durch jahrhundertelange Verfolgung durch die Imker in Europa fast ausgerottet wurde.
- Im Zuge der weiteren Optimierung der Bestäubungsleistung könnten Unternehmen neue, domestizierte Rassen etwa von Bombus terrestris züchten, die an bestimmte Blüten noch besser angepaßt sind als ihre Wildform, die sich mit den Zuchtrassen aber im Freiland bald vermischen und so ihre Vitalität einbüßen würde.
- Dieses Problem wird in besonderem Maße dann akut, wenn durch Kreuzung mehrerer Hummelarten Bastarde entstehen und in die freie Wildbahn gelangen.